Jahrestag: Gedenken und Erinnern an Opfer der Pogromwoche 1938
Auch in diesem Jahr finden an vielen Orten in Deutschland Veranstaltungen zum Gedenken an jüdische Bürgerinnen und Bürger statt, die in den Tagen und Nächten vom 7. bis 16. November 1938 Opfer der rassistisch motivierten Gewalttaten gegen Leib, Leben und Eigentum wurden.
Der Höhepunkt der Ausschreitungen fand in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 statt, im kollektiven Gedächnis als so genannte "Reichskristallnacht" oder auch im neueren Sprachgebrauch als "Reichspogromnacht" verankert. "Reichspogromnacht" wiederum ist eine nach 1945 konstruierte Bezeichnung im Nazi-Jargon, und deshalb vollkommen unmöglich: Bei den Nazis wurde alles, was erhöht sein sollte, mit dem Zusatz "Reich" versehen. Pogromwoche bzw. Novemberpogrome sind daher die geeigneteren Bezeichnungen.
Der als gemeinnützig anerkannte Verein Gelsenzentrum e.V. ruft Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an den Kundgebungen und Veranstaltungen demokratischer Organisationen und Gruppierungen zur Erinnerung und zum Gedenken an Menschen auf, die 1938 Opfer der Novemberpogrome wurden. Jeder von uns ist gefordert, sich entschlossen gegen jede Form von Rassismus, Hetze, Gewalt, Ausgrenzung und Diskriminierung stellen. Die Pogromwoche im November 1938 erinnert gleichwohl auch an die NS-Verbrechen, die vorausgingen und an die, die diesem Datum folgten.
"Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren." (Richard von Weizsäcker)
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Schaufenster Stadtgeschichte: Die Pogromwoche vom November 1938 in Gelsenkirchen
Abb. 1: Innenansicht der Synagoge in der Gelsenkirchener Altstadt. Diese Synagoge wurde durch Brandstiftung in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1938 zerstört.
Die Novemberpogrome zwischen 7. und 16. November 1938 waren eine vom Nazi-Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Leben, Eigentum und Einrichtungen der Juden im gesamten Deutschen Reich. Bei den Pogromen wurden im November 1938 hunderte Menschen ermordet oder in den Tod getrieben. Hinzu kam eine unbekannte Zahl von Vergewaltigungen jüdischer Frauen. Wieviele jüdische Menschen später an den Folgen der erlittenen Misshandlungen und den Haftfolgen starben, ist ebenso wie die Zahl der Suizide in der unmittelbaren Folgezeit der Pogrome nicht bekannt. Von der Nazi-Propaganda wurden die Pogrome gegen die Juden als "spontaner Ausbruch der kochenden Volksseele" deklariert, angeblich ursächlich begründet in der "Empörung des deutschen Volkes" über das Attentat des 17jährigen Herschel Feibel Grynszpan auf einen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris. Rund eine Woche nach der Ausweisung seiner Eltern im Rahmen der so genannten ersten "Polen-Aktion" nach Zbaszyn (Bentschen) hatte Grynszpan aus Verzweiflung darüber in Paris einen Nazi-Diplomaten erschossen.
Diese Tat nahm das NS-Regime bekanntermaßen zum Anlaß, um die Pogrome vom 7. bis 16. November 1938 gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland zu initiieren. Jeder in der Öffentlichkeit wusste, dass nicht die "kochende Volksseele", nicht "der spontane Volkszorn", wie es die staatlich gelenkte Presse schrieb, für die Pogrome verantwortlich war, sondern Hitler und seine Schergen.
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Gelsenkirchen: Synagoge in der Altstadt wurde bereits am 8. November 1938 in Brand gesetzt
Erste gegen die jüdische Minderheit gerichtete Ausschreitungen im Zuge der so genannten „Novemberpogrome“ gab es bereits am Abend des 7. November 1938 mit Bekanntwerden des Attentats. In Kassel konnte an diesem Abend letztlich nur durch das beherzte Vorgehen eines Feuerwehrmannes das vollständige Abbrennen der Synagoge verhindert werden. Bereits am 8. November wurde die Synagoge in Bad Hersfeld – als eine der ersten in Nazi-Deutschland – in Brand gesetzt. Am gleichen Abend brannte auch die Synagoge in der Gelsenkirchener Altstadt.
1949 fand ein Strafprozeß vor dem Essener Schwurgericht gegen den mutmaßlichen Brandstifter Werner Karl Montel statt. Die Verdachtsmomente reichten für eine Überführung des Angeklagten nicht aus, so war Montel auf Kosten der Staatskasse von der Anklage des Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung freizusprechen. Es blieb bei diesem einen Versuch, die Ereignisse um die Inbrandsetzung der Synagoge juristisch aufzuarbeiten.
Unter anderem in dieser Strafprozeßakte wird in den Zeugenaussagen durchweg von einer Inbrandsetzung der Gelsenkirchener Synagoge am Abend des 8. November 1938 gesprochen, ebenso im Urteil. Auch in so genannten "Wiedergutmachungsakten" aus der zweiten Hälfte der 1940er Jahre findet sich der Abend des 8. November als Zeitpunkt der Inbrandsetzung der Gelsenkirchener Synagoge in der Altstadt. Es muss folglich davon ausgegangen werden, das auch in Gelsenkirchen Nazi-Aktivisten bereits am Abend des 8. November in vorauseilendem Gehorsam die Synagoge in der Altstadt in Brand gesetzt haben.
Abb.: Das Jüdische Hilfskomite Gelsenkirchen bittet 1946 um Einleitung eines Verfahrens wegen der in der Nacht vom 8. zum 9. November 1938 erfolgten Niederbrennung der Synagoge in Gelsenkirchen, Neustraße.
Abb.: Lageplan der Synagoge in der Gelsenkirchener Altstadt, 1937. Die damalige Neustraße heißt heute Gildenstraße. (Quelle: Stadtarchiv/ISG)
In einem Befehl, der in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 aus Goebbels Ministerium an die nachgeordneten Dienstellen von SA, SS und Gestapo gingen, hieß es unter anderem:
(...) "Sämtliche jüdische Geschäfte sind sofort von SA-Männern in Uniform zu zerstören. Nach der Zerstörung hat eine SA-Wache aufzuziehen, die dafür zu sorgen hat, dass keinerlei Wertgegenstände entwendet werden können. (...) Die Presse ist heranzuziehen. Jüdische Synagogen sind sofort in Brand zu stecken, jüdische Symbole sind sicherzustellen. Die Feuerwehr darf nicht eingreifen. Es sind nur Wohnhäuser arischer Deutscher zu schützen, allerdings müssen die Juden raus, da Arier in den nächsten Tagen dort einziehen werden. (...) Der Führer wünscht, dass die Polizei nicht eingreift. Sämtliche Juden sind zu entwaffnen. Bei Widerstand sofort über den Haufen schießen. An den zerstörten jüdischen Geschäften, Synagogen usw. sind Schilder anzubringen, mit etwa folgendem Text: "Rache für Mord an von Rath" usw."
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In Brand gesetzt wurde am späten Abend des 9. November 1938 hingegen die Synagoge in Buer: Die Maloestraße war abgesperrt, einige in Buer bekannte Faschischten nahmen eine Leiter, hoben an einer Ecke der Synagoge Dachpfannen ab und gossen Brandbeschleuniger in das nach ihrer Ansicht nicht "richtig brennende" Feuer. Das nebenan gelegene Haus des Lehrers Ernst Eickel wurde von der Feuerwehr aus mehreren Rohren mit Wasser geschützt. Die Buerer Synagoge hingegen brannte bis auf die Außenmauern ab. Im dritten Haus neben der Synagoge (Maloestr. 9) wohnte der Maurer Xaver Miesler, 65 Jahre alt. Als er sah, was geschieht, sürzte er zu den Feuerwehrleuten und rief: "Die Synagoge brennt! Warum hilft den keiner?". Dann lief er zum Eckhaus Horster Straße/Maloestraße, um den jüdischen Kaufmann Katzenstein zur Hilfe zu holen. Vor dem Haus angekommen, sah er fassungslos, das aus Katzensteins/Löwensteins Fenster Geschirr, Mobilar, Bettzeug und Bücher auf die Straße geworfen wurden. Da drehte sich der alte Herr Miesler um und ging weinend nach Hause. Auch die für die Inbrandsetzung der buerschen Synoge Verantwortlichen wurden nach dem 2. Weltkrieg nicht zur Rechenschaft gezogen.
Die Übergriffe und Zerstörungen wurden am 10. November teilweise noch fortgesetzt, so erschien in Gelsenkirchen Lehrer Hohnroth mit einer Gruppe von Oberschülern an der Bahnhofstraße Ecke Klosterstraße und vollendete mit den Schülern das Zerstörungswerk der vergangenen Nacht am Pelzgeschäft der Familie Gompertz.
Der Abend des 8. November 1938 in Gelsenkirchen
Abb. 2: Innenansicht der Synagoge in Gelsenkirchen-Buer, auch sie wurde durch Brandstiftung in der Pogromnacht 1938 zerstört
Bereitwillig kam man auch in Gelsenkirchen diesen Befehlen nach, hier ging man weit über das von der Nazi-Führung geforderte Maß hinaus. Für viele der "Volks- und Parteigenossen" war es eine willkommene Gelegenheit, sich an jüdischen Nachbarn "auszutoben" und sich an ihrem Eigentum zu bereichern. Gegen 22:30 Uhr begannen die Nazi-Schergen mit der Zerstörung der Geschäfte, Wohnungen und Praxen jüdischer Bürger. Zuerst kamen die großen Ladengeschäfte auf der Bahnhofstraße, im Volksmund auch "Jerusalemer Straße" genannt, da sich dort noch viele Geschäfte jüdischer Eigentümer befanden, an die Reihe. Mittels mitgebrachter Eisenstangen wurden die Schaufenster zerschlagen. Die bereits am frühen Abend verständigten Nazi-Schergen plünderten unter Anführung der SA unter beteiligung von SS- und NSKK-Angehörigen die Läden aus. Dann ging es in die von Juden bewohnten Häuser. Auch in den Zentren von Schalke, Horst, Buer und anderen Orten im gesamten Stadtgebiet wurden Wohnungen und Geschäfte von Juden zerstört. Dabei wurden die verlassenen Wohnungen und Geschäfte der bereits am 28. Oktober 1938 nach Polen (Zabszyn) abgeschobenen jüdischen Menschen natürlich nicht ausgelassen.
Auch Frieda Neudorf und ihr Sohn Hermann gehörten zu den Abgeschobenen. In der Pogromnacht wurde auch das an der Horster Markenstraße 19 gelegene Ladenlokal der Familie Neudorf zerstört und die verwaiste Wohnung im Obergeschoß des Hauses verwüstet und der Besitz der Familie von "arischen" Nachbarn geplündert. Die Wohnungseinrichtung wurde von dem entfesselten Mob durch die Fenster auf die Markenstraße geworfen. Die "arische" Familie Salfeld, die im gleichen Hause wohnte, nutzte die Gelegenheit, sich am Eigentum der Neudorfs zu bereichern. Auch einer der Reisenden Verkäufer der Firma Neudorf, Bernhard Samrowski, nutzte die "Gunst der Stunde" und behielt die bereits vereinnahmten Kundengelder für sich.
Nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald kehrte Herman Neudorf 1945 als einziger Überlebender seiner Familie nach Gelsenkirchen-Horst zurück. In der Hyppolitus-Schule fand er Frau Salfeld, die ehemalige Nachbarin aus der Markenstraße 19. Sie hatte dort ein Notquartier. Unaufgefordert war sie sofort bereit, Herman die geraubten Dinge aus der Wohnung seiner Eltern, hauptsächlich Kleidungsstücke, zurückzugeben. Herman Neudorf verschenkte die Kleidungstücke seiner von den Nazis ermordeten Eltern dann an Bedürftige in Horst. "Natürlich beteuerte sie, "von alledem nichts gewußt" zu haben, betonte, wie schwer sie es doch in der NS-Zeit hatte. Auch der Sohn sei gefallen. Sie hatte es bestimmt besonders schwer, als NS-Frauenschaftsführerin und fanatische Anhängerin der Nazis" so Herman Neudorfs ironischer Kommentar in einem Gespräch mit Gelsenzentrum.
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Abbildungen 3-5: Vor der engültigen Zerstörung nach der Pogromnacht gerettet: Gegenstände aus dem Besitz der Familie Neudorf
Anna Chmiel, eine ehemalige Angestellte der Familie Neudorf, konnte nach der Pogromnacht einige wenige Gegenstände aus dem Besitz der Familie auf der Markenstraße aufsammeln und so retten: Einige zerschlagene Bilderrahmen mit den Fotos von Simon und Frieda Neudorf, den Arm eines silbernen Leuchters, einen silbernen Sederteller und Hermans Taufkleid. "Bei meiner Rückkehr nach Gelsenkirchen hat Anna Chmiel mir diese Dinge überreicht, sie hat immer zu uns gehalten. Diese Dinge sind neben meinen Erinnerungen das Einzige, was mir von meinen Eltern geblieben ist. Mein Taufkleid, auf dem meine Mutter einst meinen Namen stickte, haben auch meine drei Söhne und meine Enkel getragen.
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Viele Jahre sind vergangen seit meiner Befreiung aus der Hölle der Lager. Ich kann jedoch immer noch nicht fassen, wie ein scheinbar so kulturelles Volk in die Hände eines Fanatikers fallen konnte und von dem unzählige Mörder entsprangen. Die "Kristallnacht" war das Ergebnis eines Rassenhasses, der einst friedliche Nachbarn in wilde Tiere verwandelte. Mögen wir alle hoffen und wachsam sein, dass solche Untaten nie mehr geschehen...Vergeben muss man, aber vergessen ist unmöglich!" sagt der heute 86jährig in den USA lebende Herman Neudorf.
Die Mittäterschaft der deutschen Ausgrenzungsgesellschaft
Die schon vorher informierten nichtjüdischen Hausbewohner öffneten in vielen Fällen bereitwillig die Haustüren. Wurde auf das Läuten die Wohnung nicht sofort geöffnet, schlug man die Wohnungstüren ein. Viele der "spontanen Rächer" waren mit Revolver und Dolchen ausgestattet. Jede Gruppe hatte die nötigen Einbruchswerwerkzeuge wie Äxte, große Hämmer und Brechstangen dabei. Systematisch wurden die schon vorher erstellten Listen mit den Adressen der Geschäfte und Wohnungen jüdischen Mitbürger von den Nazi-Schergen "abgearbeitet". Schutz- und wehrlos waren die jüdischen Menschen der massiven Gewalt der Nazis ausgesetzt, wurden zusammengeschlagen, aus Fenstern gestürzt. Frauen wurden vergewaltigt oder brutal mißhandelt.
In dieser Nacht drangen die Nazi-Horden auch in das Haus der Witwe Rosa Finger am Lörenkamp 2 ein. Sie zerschlugen die Schaufenster ihres Möbelgeschäftes im Erdgeschoß und zertrümmerten die dort ausgestellten Waren. Die Schläger stürmten weiter in die Wohnung der Familie Finger im Obergeschoß, warfen das Mobiliar durch die Fenster auf die Straße und schlugen Elias Finger fürchterlich zusammen, so dass er an den Schlägen und Tritten beinahe gestorben wäre. In jener Nacht hörten die Nachbarn im Haus noch lange seine Schmerzensschreie und sein Stöhnen. Elias Finger litt Zeit seines Lebens an den Folgen der erlittenen schweren Verletzungen.
Abb. 6: Anklagend ragt einer der zerstörten Türme der Gelsenkirchener Synagoge nach der Brandstiftung in den trüben Novemberhimmel
Die "Volksgenossen" schleppten Benzinkanister, rollten Benzinfässer durch die Straßen und begannen mit den Brandstiftungen. Am späten Abend des 9. November 1938 wurde die Maelostraße in Buer von der Polizei abgesperrt, die Feuerwehr war vor Ort, jedoch nur um das übergreifen des Brandes der Synagoge auf die Gebäude der "arischen Volksgenossen" zu verhindern. Gleiches Bild am Vorabend an der damaligen Stürmerstraße in der Gelsenkirchener Altstadtstadt, auch hier wurde die Synagoge und das daneben gelegene Gemeindehaus in Brand gesetzt. Religiöse Kultgegenstände wie Thorarollen, Gebetbücher und Leuchter wurden auf die Straße geworfen und zerstört. Die jüdischen Friedhöfe Gelsenkirchens in Bulmke, Buer und Horst wurden größtenteils verwüstet. Auch die Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof an der Wanner Straße und der Betsaal an der Franzstraße (Heute Industriestraße) in Horst wurden zerstört. Raubend, brandschatzend und plündernd zogen die Schlägertrupps durch die nächtlichen Straßen Gelsenkirchens, bereitwillig unterstützt von den willfährigen Mittätern aus der "Volksgemeinschaft".
Einige SA-Leute trugen Brotbeutel zur "Sicherstellung" von Geld, Schmuck, Fotos und sonstigen Wertgegenständen bei sich, die auf einen Mitnehmer warteten. Die Wohnungen wurden angeblich nach Waffen durchsucht, weil am Tage vorher ein Waffenverbot für Juden veröffentlicht worden war. Die Schläger waren gehalten, bei Waffenfunden gegen die mutmaßlichen Besitzer "(...) auf das Schärfste" vorzugehen. Glas, Spiegel, Bilder wurden zerschlagen, Ölbilder mit den Dolchen zerschnitten, Betten, Schuhe, Kleider aufgeschlitzt, es wurde das gesamte Inventar kurz und klein geschlagen und meistens aus den Fenstern auf die Straßen geworfen. (1)
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Gewalttätige Ausschreitungen setzten sich fort
Abb. 7: Die zerstörte Synagoge an der damaligen Neustraße (im NS ab 1937 "Stürmerstraße", Heute Gildenstraße) in der Gelsenkirchener Altstadt
Die Zerstörungen wurden am 10. November teilweise noch fortgesetzt. So erschien Lehrer Honroth mit einer Gruppe von Oberschülern an der Bahnhofstraße Ecke Klosterstraße und vollendete mit den Schülern das Zerstörungswerk der vergangenen Nacht am Ladengeschäft der Familie Gompertz. Massen von Schaulustigen bevölkerten am nächsten Tag die Straßen und pilgerten zu den zerstörten Synagogen und Geschäften. Viele der "arischen Volksgenossen" bereicherten sich in den zerstörten Geschäften an den Auslagen und Waren, auch nutzen viele der "Volksgenossen" die Gelegenheit, um Möbel, Hausrat, Wäsche und Kunstgegenstände aus den Wohnungen ihrer jüdischen Nachbarn zu stehlen.
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Abb. 8: Abrißverfügung für die Ruinen der Synagoge und des Gemeindhauses an der damaligen Stürmerstraße 4-6, ausgefertigt vom Baupolizeiamt Gelsenkirchen, StA 52/2 I
Die Straßen "waren mit einem Teppich von Glassplittern" übersät, auf der Schalker Straße, der Bahnhofstraße, der Markenstraße in Horst und auf der Hochstraße in Buer, wo sich ja die meisten Geschäfte jüdischer Inhaber befanden, bot sich am folgenden Morgen das gleiche Bild. Mitten auf der Hochstraße hatte der Mob eine Schaufensterpuppe symbolisch an einen Laternenmast aufgehängt, sie trug ein Schild um den Hals mit der Aufschrift "Juda verrecke".
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Die Pogrome im Spiegel der Gelsenkirchener NS-Presse
Abb. 9: Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung vom 11. November 1938. Abschrift des nebenstehenden Textes:
Judenfeindliche Kundgebungen im ganzen Reich
Nach Bekanntwerden des Ablebens des durch feige jüdische Mörderhand niedergestreckten deutschen Diplomaten vom Rath haben sich im ganzen Reich spontane judenfeindliche Kundgebungen entwickelt. Die tiefe Empörung des deutschen Volkes machte sich dabei auch vielfach in starken antijüdischen Aktionen Luft.
A u c h i n G e l s e n k i r c h e n setzten diese Aktionen gestern in den frühen Morgenstunden ein: Dabei wurde wohl keines der noch vorhandenen jüdischen Geschäfte verschont. Besonders augenfällig, weil hier noch die meisten Geschäfte dieser Art vorhanden, waren die Kundgebungen in der Schalker Straße, der Kirchstraße, der Wilhelm-Gustloff-Straße und der Karl-Laforce-Straße. In der Bahnhofstraße wurden ebenfalls, zum Teil auch in sogenannten Etagengeschäften die Schaufensterscheiben zertrümmert. Die S y n a g o g e an der Ecke Stürmer- und Georgstraße brannte vollständig aus. In den Nachmittagsstunden wurden die leeren Fensterhöhlen in den Geschäften größtenteils durch Bretterverschläge provisorisch geschlossen. Starke Menschenmassen zogen im Laufe des gestrigen Tages an den Stätten der Aktionen vorrüber; Schutzpolizeibeamte hielten überall die Ordnung aufrecht.
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Abb. 10: Buersche Volkszeitung v. 11. November 1938. Abschrift des nebenstehenden Textes:
Die Synagoge niedergebrannt
Antijüdische Kundgebungen auch in Buer
In spontan ausbrechender berechtigter Empörung über die gemeine meuchlerische Mordtat, der in Paris Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath durch einen jüdischen Mordbuben zum Opfer fiel, kam es gestern auch in Buer zu judenfeindlichen Aktionen und Demonstrationen der Bevölkerung. In der Nacht wurde die Synagoge an der Maelostraße in Brand gesetzt, deren Inneneinrichtung ausbrannte. Im weiteren Verlaufe antijüdischer Demonstrationen wurden die Schaufenster jüdischer Einzelhandelsgeschäfte zerstört und die Inneneinrichtungen zertrümmert.
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Abb. 11: Buersche Zeitung vom 11. November 1938. Abschrift des nebenstehenden Textes:
Demonstrationen gegen die Juden
Jüdische Geschäfte wurden zerstört
Als am Donnerstag bekannt wurde, daß in Paris der von den Kugeln des jüdischen Mordbuben Grünspan verwundete Gesandschaftsrat vom Rath seinen Verletzungen erlegen war, machte sich in der ganzen Bevölkerung eine ungeheure Erregung über diese Mordtat des Judentums bemerkbar. In der Nacht zum Donnerstag machte sich die Erregung und Entrüstung vielerorts in Demonstrationen gegen die in Deutschland ansässigen Juden in sehr spontaner Weise Luft. In vielen Städten fanden judenfeindliche Kundgebungen statt.
Auch in Buer kam es in der Nacht zum Donnerstag zu solchen judenfeindlichen Kundgebungen, bei denen mehrere der noch in Buer ansässigen Geschäfte beschädigt wurden. Die Schaufenster wurden zerstört, auch einige Ladeneinrichtungen gingen in Trümmer, die Synagoge geriet in Brand, wobei die Inneneinrichtung zerstört wurde. Die Polizei so wie die Feuerwehr wurden alarmiert. Einige Juden wurden in Schutzhaft genommen. In Buer konzentrierte sich die Demonstration vor allem auf Buer-Mitte, wo es aber auch nur noch wenige jüdische Geschäfte gibt. Die meisten dieser Art Kaufleute haben schon das Weite gesucht. Die Bevölkerung war den ganzen Tag hindurch sehr erregt, doch kam es nicht zu neuen Aktionen, viel mehr verhielt sich die Menge bei aller Entrüstung über die Schandtaten des internationalen Judentums noch sehr diszipliniert. In G e l s e n k i r c h e n, wo noch mehr jüdische Kaufleute vorhanden waren, wurden Schaufenster zerstört und die Läden geschlossen. Hier brannte die Synagoge gänzlich aus, weiterhin ein neben der Synagoge liegendes jüdisches Gasthaus. Zu ähnlichen Kundgebungen kam es im ganzen Kreisgebiet: Auch in Recklinghausen und der vestischen Nachbarschaft demonstrierte die Bevölkerung gegen die jüdischen Geschäfte.
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Abb.: Schreiben der Gestapo an den Gelsenkirchner Oberbürgermeister. "Betrifft: Aktenmaterial für das Stadtarchiv aus der Vergeltungsaktion gegen die Juden (...) Geeignetes Aktenmaterial für die Geschichtsschreibung der Stadt Gelsenkirchen wurde nicht gefunden."
Erinnerungen jüdischer Gelsenkirchener Bürger und Bürgerinnen an die Novemberpogrome 1938
Herman Cohn:
"(...) Ich war Lehrling in einer Schneiderei in Köln. Eines Morgens ging ich wie gewöhnlich zur Arbeit. Mein Chef war nicht jüdisch, aber er war mit einer jüdischen Frau verheiratet. Er sagte zu mir: " Hermann, heute solltest du nicht hier sein", Ich fragte erstaunt: "Warum nicht?" Er antwortete "In der Nacht gab es Pogrome gegen Juden in Köln, "sie" haben die Synagoge in Brand gesteckt, ich habe von Verhaftungen gehört. Die Nazis wissen ganz genau, dass du hier bist. Und wenn sie kommen, dich zu holen, bist du einfach nicht da." Also ging ich, die Straße runter, dann als erstes zur Synagoge in Köln. Dort lagen angebrannte Gebetbücher auf der Straße, viele Leute standen herum - aber keine Juden. Ich ging näher ran, mein Chef hatte also die Wahrheit gesagt. Ich ging weg, über die Ringstraße, überall liefen SA-Leute mit Fahnen herum und brüllten antisemitische Parolen. Plötzlich hielt ein LKW auf meiner Höhe, SA-Männer sprang heraus. Ich stand auf dem Bürgersteig, ich hatte nicht wirklich Angst, denn ich sah nicht besonders jüdisch aus, keiner kannte mich in Köln. Die SA lief in ein jüdisches Bekleidungsgeschäft, sie hatten Latten und Eisenstangen dabei. Sie schlugen die Scheiben und den Laden kaputt, warfen die Kleidungstücke raus auf die Straße, zerrissen Hosen, jeder packte ein Hosenbein und rissen sie entzwei. Neben mir stand ein deutscher Straßenbahnschaffner, der sagte: "Die sind ja verrückt, die sollten die Sachen armen Leuten geben, nicht kaputt reißen." Seine Logik war nicht, hier wird den Juden großes Unrecht angetan, nein, dass war für ihn in Ordnung. Aber die Sachen einfach zerreißen, statt sie ihm oder anderen zu geben, das störte ihn ungemein!
Langsam verließ ich die Menge, suchte ein Telefon und rief meine Eltern in Gelsenkirchen an. Meine Stiefmutter war ganz panisch: "Du musst sofort nach Hause kommen, sofort! Nimm den ersten Zug und komm nach Hause! Wir vermissen deinen Vater, wir wissen nicht, wo er ist! "Sie" (Damit meinte sie die Nazi-Schergen) sind in unser Haus eingebrochen, heute Nacht!" Und dann hat sie mir alles erzählt, was in Gelsenkirchen in jener Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 passiert war. Schnell ging ich zurück in meine Unterkunft, packte ich meine Sachen und fuhr mit dem Zug von Köln nach Gelsenkirchen.
Vater wurde also vermisst. Er hatte in der Nacht einen Anruf von seinem Bruder Alfred bekommen, der in Bottrop ein Möbelgeschäft hatte. Die Nazis haben die Wohnung überfallen, das Möbelgeschäft zerschlagen und in Brand gesteckt. Onkel Alfred war am Telefon voller Panik und völlig hilflos, so ist Vater von Gelsenkirchen nach Bottrop gefahren, um zu schauen, ob er irgendwie helfen kann. Er kam dort an und sah, dass brennende Geschäft. Er wollte zu seinem Auto zurück, alles war voller SS und SA. Er wollte also zurück zum Auto, er hatte es gerade neu gekauft, einen Mercedes Benz. Er dachte, er könne etwas Materielles aus Deutschland mitnehmen, er dachte, vielleicht sagen sie "kein Geld, aber nehm das Auto mit", was natürlich völliger Quatsch war.
Einer von den SS-Leuten erkannte ihn und rief: "Da geht der Bruder vom Juden Cohn!" Sofort sie rannten auf ihn zu. Vater lief weg so schnell er konnte. Er rannte, bis er an eine Baumschule kam. Im hinteren Bereich war eine Grube, in der Laub gesammelt wurde. Da sprang er rein und versteckte sich unter dem nassen Blättern. Dort blieb er bis Sonnenaufgang, er hörte, dass die SS mit Hunden nach ihm suchte, aber er konnte unter dem Laub atmen, hatte genug Sauerstoff. Im Morgengrauen kletterte er wieder heraus, raus, wollte zu seinem Auto - aber das war weg, gestohlen oder was auch immer. Er fuhr mit dem Zug nach Gelsenkirchen. In dem Moment, wie er Zuhause ankam, verließ die SS unsere Wohnung. Sie entdeckten meinen Vater, rannten zu ihm, er war ja völlig erschöpft und konnte nicht mehr weglaufen. Sie schlugen ihn fürchterlich zusammen und ließen ihn im Schmutz der Straße liegen. Von all dem wussten wir nichts, wir dachten nur, er ist nicht nach Hause gekommen.
Am Nachmittag des 10. November 1938 war ich wieder in Gelsenkirchen, von Vater kein Lebenszeichen. Doch dann bekamen wir einen Anruf, er befand sich in einem Krankenhaus in Essen. In Gelsenkirchen wollte keiner helfen, weil er Jude war jeder ihn kannte. Irgend jemand hat in nach Essen ins Krankenhaus gebracht, wir wissen bis heute, nicht wer das war. Nach einer gewissen Zeit konnte er dann wieder nach Hause. Wir wussten nun, dass es wirklich allerhöchste Zeit war, Deutschland zu verlassen. Walter war ja schon mit Kindertransport weg, er war schon in Chicago. Meine Eltern drangen darauf, das es auch für mich soweit war: "Hermann, sie verhaften Jungen in deinem Alter, einfach so, von der Straße weg. Die werden nie wieder gesehen. Du kannst nicht länger bleiben!" Damals war ich war siebzehn, sie schafften es, mir einen Platz in einem Kindertransport nach Holland zu sichern, einer der letzten Transporte für unter 18jährige. Zuvor musste ich jedoch meine Papiere haben, Bescheinigungen, dass die Sozialversicherungen und alle Steuern bezahlt sind, um Deutschland verlassen zu können, durfte ein Jude keine Schulden beim Staat oder sonst wo haben. Also machte ich mich auf dem Weg zum Finanzamt und zur Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK)
Da war ein junger Mann hinter dem Schalter, ungefähr mein Alter. Als ich näher kam, fragte er mich: "Bist du nicht Herman Cohn?" Ich bejahte, und erkannte ihn, er war ein ehemaliger Mitschüler vom Realgymnasium. Er arbeitete jetzt bei der Ortskrankenkasse, warum auch immer er die Schule verlassen hat. Ich trug mein Anliegen vor und er fragte mich: "Darf ich dich was fragen? Ich habe ein Gerücht gehört, dass sie die Synagoge angesteckt haben. Stimmt das?" Ich konnte das nur bestätigen:"Natürlich stimmt das! Jeder in der Stadt weiß das. Die Feuerwehr kam nicht, bis die Synagoge abgebrannt war!" Er sagte darauf nur: "Ok, ich kümmere mich um deine Papiere ich komme gleich wieder." Er ging und ich wartete. Es dauerte 20 Minuten, bis er endlich wiederkam. Mit den Worten: "Der Chef will dich sehen." gab er mir meine Papiere ich ging in die zweite Etage zum Büro des Chefs der Ortskrankenkasse. Im Büro saß ein Deutscher hinter dem Schreibtisch, den ich nicht kannte und davor saß auf einem Stuhl ein Typ, der hohe Stiefel trug. Er trug keine Uniform, aber diese hohen schwarzen Stiefel, die unter den Hosenbeinen raus guckten... das waren genau solche Stiefel, wie sie nur die SS oder SA trug. Der Chef der Ortskrankenkasse fragte mich: "Bist du Hermann Cohn?" Ich antwortete:"Ja, der bin ich." Er fragte: "Kennst du diesen Mann?" und zeigte auf den im Stuhl. "Weißt du, wer das ist?" Ich verneinte.
An den Namen erinnere ich mich nicht, aber in dem Moment, wo er den Namen nannte, wusste ich, dass ist der Gestapo-Chef von Gelsenkirchen. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, aber ich kannte den Namen, jeder Jude in Gelsenkirchen hatte diesen Namen schon gehört. Und da saß er, der Gestapochef, beim Chef der Ortskrankenkasse. Der Gestapochef fragte mich: "Was für Geschichten hast du da erzählt?" Ich verstand nicht und fragte: "Was meinen sie?" Er sagte: "Gräuelmärchen!" Ich antwortete:"Ich habe keine Gräuelmärchen oder Gerüchte erzählt." Fragend starrte er mich an: "Wieso erzählst du, wir hätten die Synagoge angesteckt?" Es platzte so aus mir heraus: "Weil ihr es getan habt! Jeder weiß das! SA oder SS hat die Synagoge angesteckt, die Feuerwehr kam nicht, keiner hat gelöscht und die Synagoge ist bis auf die Grundmauern abgebrannt!" Drohend sagte er: "Wir werden dir beibringen, wie man die Wahrheit sagt. Du wirst keine Lügengeschichten mehr verbreiten. Wir werden dir das schon beibringen! Du wirst nie wieder Gräuelmärchen erzählen." Er stand auf und sagte: "Wir beide gehen jetzt zum Gestapo-Hauptquartier. Ich gehe genau fünf Schritte hinter dir, gehst du schneller, oder werden es sechs Meter, werde ich dich wegen Fluchtversuch erschießen. Ich möchte nur, das du das weißt. Halte den Abstand, geh' nicht schneller, versuch nicht wegzulaufen - ich erschieße dich."
Ich war zwar nie dort, aber jeder Jude in der Stadt wusste, wo sich das Gestapo-Hauptquartier war, so ging ich also los. Es befand sich in der zweiten Etage im Hans-Sachs-Haus. Ich lief durch die Straßen Gelsenkirchens wie ein Zombie, ich habe nicht weiter nachgedacht, bin nur gelaufen, habe den Abstand gehalten um ihm bloß kein Grund liefern, mich zu erschießen. Wir kamen am Hans-Sachs-Haus an, und da war eine große Stahltür im zweiten Stock, und als diese Tür hinter mir ins Schloss fiel, war ich fest davon überzeugt, hier kommst du nicht mehr lebend raus. Er schubste mich in eine Ecke des Raumes, Gesicht zur Wand. Der waren noch mehr Typen, alle in SS-Uniform. Der Gestapochef sagte etwas zu den anderen, ich weiß es nicht was, ich stand unter Schock.
Bestimmt eine Stunde musste ich in der Ecke stehen, und dabei traten alle mich abwechselnd mit diesen schweren, schwarzen Stiefeln, schlugen mich, immer wieder, bis ich zusammenbrach. Und mit jedem Tritt, mit jedem Schlag brüllten sie:"Wo hat dein Vater das Geld versteckt?" Das war alles, was sie wissen wollten! Und sie schlugen immer weiter. Der Gestapochef sah auf meine Hände: "Du hast noch nie in deinem Leben gearbeitet, das sehe ich an deinen Händen. Wir werden dir das Arbeiten beibringen. Du wirst Kohlen schüppen, Steine schleppen, dass alles wirst du in Dachau lernen. Du wirst das Arbeiten lernen!" Und sie schlugen weiter auf mich ein.
Dann kam jemand und sagte: "Wir können ihn nicht festhalten." Der Typ, der meisten geschlagen hatte, der mich, wie er sich ausdrückte "an meinen Eiern draußen am Fahnenmast aufhängen" wollte, sagte: "Wir lassen dich gehen. Du hast genau zwei Minuten, dieses Gebäude zu verlassen. Bist du in zwei Minuten nicht verschwunden, werden wir dich wegen Fluchtversuch erschießen!" Mit diesen Worten öffnete er die große Stahltür und ich rannte. Ich sehe diese Stufen heute noch vor mir! Ich rannte, ich flog nach Hause. Dort angekommen, fragte meine Stiefmutter: "Was ist mit dir passiert? Ich sagte ihr nur: "Ich werde krank." Ich habe ihr nicht erzählt, was ich erlebt hatte. Da geschah so viel, ich wollte sie nicht noch mehr belasten. Das wichtigste für mich war, ich hatte die Bescheinigung von der Ortskrankenkasse, vom Finanzamt und ich wusste, damit würde ich mein Visum bekommen und kann endlich aus Deutschland raus. Meine Mutter glaubte mir, ich bekam tatsächlich eine Art Grippe,durch das, was mir da geschehen war. Ich lag im Bett, hatte sogar Temperatur. Ein, zwei Tage später war es dann soweit. Der Kindertransport, ich denke, es war einer der letzten aus Gelsenkirchen, brachte mich nach Holland. Alle diese Kindertransporte waren von ausländischen Hilfsorganisationen organisiert und finanziert, in Deutschland konnte das keiner machen.
Mit dem Kindertransport kamen wir zunächst in ein Camp in der Nähe von Amsterdam. Dort war ich ca. eine Woche, dann ging es weiter in eine Jugendherberge bei Utrecht, schließlich kam ich in eine Art Camp in der Nähe von Deventer. Da war es ganz gut, wir arbeiteten dort auf den Erdbeer- und Gemüsefeldern, einige von uns arbeiteten dort in einer Schreinerei. Wir kriegten ja keine richtigen Jobs, konnten nur dort im Camp arbeiten. Meine Eltern warteten derweil sehnsüchtig und voller Angst bis Ende Dezember 1939 in Gelsenkirchen auf ihr Visum und auf ihre Nummer. Dann endlich hatte das Konsulat in Stuttgart die Visa für meine Eltern und mich ausgestellt. In Rotterdam gingen wir gemeinsam an Bord eines Schiffes, dass uns in die USA brachte. (...)"
Ursula Wertheimer-Gross und Leslie Gross-Diamond:
"Ich wurde am 11. Februar 1924 in Gelsenkirchen, Deutschland, geboren. Meine Eltern waren Hugo Groß und Grete Groß, geborene Camnitzer. Ich war die erste Tochter, da meine einzige Schwester, Liselotte, am 27. Juni 1927 geboren war. Wir wohnten während unserer Kindheit in Gelsenkirchen.
An den 9. November 1938 erinnere ich mich noch genau, und ich habe bis jetzt noch schlechte Träume darüber. Mitten in der Nacht gab es einen schrecklichen Lärm, und eine Gruppe von SA-Männern brach in unsere Wohnung ein. Sie zertrümmerten die Möbel und warfen die Vitrine um (den Krach höre ich jetzt noch, wenn ich daran denke), und alles, was wertvoll war, wurde aus dem 2. Stock auf die Straße geworfen. Sie schlugen meinen Vater mit Knüppeln blutig, bevor sie endlich gingen. Wir waren alle entsetzt und machten kein Auge zu in der Nacht. Mein Vater wurde mitgenommen und ins Gefängnis gebracht. Leslie Gross-Diamond schließt sich den Ausführungen ihrer Schwester an, beide haben die Pogromnacht gemeinsam erlebt."
Henry Cohen:
"Das erste Mal, das ich nach Gelsenkirchen zurückkam, war am 2. Oktober 1945. Ich kam zurück nach Gelsenkirchen und wusste natürlich nicht, ob unser Haus noch stehen würde. Aber es stand wirklich noch. Es war aber beschädigt. Ich wollte zu dem Mann gehen, der unser Haus an der Schwindstraße 4 an dem Tag übernommen hatte, als wir es verlassen mussten. Ich wollte wissen, wo er war, und er war dort, wo er zuvor gewesen war. Er war Elektriker oder so etwas Ähnliches. Ich klopfte an seine Tür.
Er öffnete, und da war er und saß auf unserem Sofa. Das Mobiliar war unser Mobiliar. Es war eine sehr dramatische Situation. Er war völlig gebrochen und demoralisiert. Er wusste genau, wer ich war. Es war ja nur fünf Jahre her, nachdem wir Deutschland hatten verlassen müssen. Und ich sah meinem Vater natürlich etwas ähnlich. Er war völlig demoralisiert, das Einzige, was er sagte war: "Herr Cohen, Sie können alles haben, was Sie wollen." Ich sagte ihm, dass ich meinen Vater fragen würde, was er wollte. Es waren alles gestohlene Sachen, alles war gestohlen. Mein Vater hatte gute Möbel. So sagte ich ihm, dass ich meinen Vater fragen würde, was er wollte. Ich wollte nur unbedingt eine Sache: Ich hatte eine Ausgabe der Schiller-Werke, ein Geschenk, das ich zur Bar-Mizwah-Feier bekommen hatte. Ich sagte, dass ich diese mitnehmen würde. Er gab sie mir, und das war es, und ich ging raus. Dann nahm ich Kontakt mit meinem Vater auf und erzählte ihm die Geschichte. Er sagte: "Ich will gar nichts." Und ich habe diesen Mann in unserem Haus nie wieder gesehen seitdem."
Fritz Gompertz:
In jener Nacht wird Fritz "Fred" Gompertz, damals 14 Jahre alt, vom Geräusch berstender Glasscheiben aus dem Schlaf gerissen. "Wir waren so erschrocken, dass wir Angst hatten, aus dem Fenster zu schauen". Gompertz's versteckten sich in der Wohnung und harrten angsterfüllt der Dinge. SA-Horden und HJ schlugen die großen Schaufensterscheiben des Pelzgeschäftes an der Bahnhofstrasse ein und verwüsteten den Laden. Sie warfen die Waren und Einrichtungen auf die Straße. So wurden alle anderen jüdischen Geschäfte in Gelsenkirchen ebenfalls zerstört. Die "Reichskristallnacht" am 9. November 1938 kündigte den Holocaust an. Niemals mehr im Leben vergaß Fred Gompertz diese unsagbare Angst, verbunden mit dem Geräusch von splitterndem Glas.
Leo Gompertz:
Abb.: In der Pogromwoche im November 1938 zerstörte 'Ehrentafel', "Die Israelitische Gemeinde Gelsenkirchen - Ihren im Weltkrieg 1914-1918 gefallenen Söhnen - Als Zeichen Dankbarer Erinnerung". Die Bronzetafel war eine Spende der Moses Stern AG, Gelsenkirchen.
"Ich war nach dem Mord in der Pariser Botschaft auf die Kristallnacht vorbereitet. Bevor ich am 9. November mein Geschäft verließ, räumte ich meinen Schreibtisch auf und traf die notwendigen Vorbereitungen für meine Frau. Nur angeblich entlud sich in der Kristallnacht der Volkszorn der Deutschen, in Wirklichkeit war sie von Goebbels und Göring organisiert worden und wurde durchgeführt von der SA in ihren langen dunklen Mänteln und Stiefeln. Sie hatten lange Brecheisen und zerstörten systematisch die Schaufenster aller Geschäfte in jüdischem Besitz. Darunter auch die neun großen Ausstellungsfenster meines Ladens. Ich blieb in unserer Wohnung oberhalb des Geschäftes und wartete darauf, in Schutzhaft genommen zu werden.Ich erhielt einen Telefonanruf, der mich darauf aufmerksam machte, dass die Synagoge in Brand stand. Von einem Fenster der oberen Etagen konnte ich die Flammen sehen und auch die Feuerwehrwagen, die nur gekommen waren, um die Nachbargebäude zu schützen. Die Feuerwehr tat nichts, um das Feuer in der Synagoge zu löschen.
Dann kam der Moment: Ein SA-Offizier kam mit drei Männern in unsere Wohnung an der Bahnhofstrasse 22. Erst durchsuchten sie die Wohnung nach Waffen, dann nahmen sie mich mit. Meine Jungen schliefen, und ich sagte meiner tapferen Frau auf Wiedersehen. (Mein ältester Sohn Albert befand sich in einer Schule in Cottbus, östlich von Berlin, und ich wusste nicht, wie es ihm erging.) Ich wurde zum Gefängnis beim Polizeiamt gebracht. Als ich das Haus verließ, sah ich die zerbrochenen Fenster und all die wertvolle Ware auf der Straße. Ich wurde mit dreizehn anderen Männern in eine Zelle gesteckt, manche der anderen waren blutig geschlagen worden. Wir konnten nur abwarten und das Beste aus unserer Situation machen.
Die Polizei stand in dieser Nacht mit Gewehren Wache, aber es war ihnen nicht erlaubt, die SA daran zu hindern, ihr Zerstörungswerk fortzuführen. Der kommandierende Polizeioffizier grüßte uns mit den Worten: "Heute ihr, morgen wir." Was diese Worte meinten und für die Zukunft bedeuten sollten, konnten weder wir noch er voraussehen. Gegen Mitternacht kam ein Vertreter der Stadt und forderte Ewald Elsbach und mich auf, ein Dokument zu unterschreiben, das erlaubte, die ausgebrannte Synagoge und das Gemeindehaus abzureißen. Wir weigerten uns, das Dokument zu unterschreiben, weil nur der Vorsitzende des Repräsentanten-Kollegiums oder unser Rabbiner, Dr. Siegfried Galliner, das Recht hätten, eine solche Genehmigung zu erteilen (Dr. Galliner war zu dieser Zeit im Hause des Vorsitzenden der Gelsenkirchener Zionisten und keiner der Bewohner dieses Hauses war verhaftet worden.)
Am Mittag des 10. November kam dann Herr Hohnroth, der einige Jahre vorher Lehrer meines Sohnes Albert gewesen war, mit einer Gruppe von Gymnasiasten in unser Geschäft und zerstörte die Inneneinrichtung vollständig und alles, was noch nicht in der vorherigen Nacht verwüstet worden war. Meine jüdischen Angestellten wurden gezwungen, alles zu reinigen und die Glassplitter mit bloßen Händen aufzuheben. Mein zweiter Sohn Fritz, der zu dieser Zeit 14 Jahre alt war und als Lehrling in unserer Werkstatt gearbeitet hatte, wurde ebenso gezwungen, beim Aufräumen zu helfen. Für diese Zeit muss ich unseren jüdischen Frauen, die in dieser Zeit, ohne eine Träne zu vergießen und sich durch die Männer, die ihre Männer blutig geschlagen hatten, einschüchtern zu lassen, Haltung bewiesen, großes Lob aussprechen. Sie taten alles, um ihre Männer so schnell wie möglich zu befreien.
Zwischen dem 15. und 18. November 1938 wurden alle in Gelsenkirchen verhafteten Juden freigelassen und nicht in Konzentrationslager geschickt. Aber bei verschiedenen anderen Gelegenheiten waren ja schon jüdische Männer für Wochen und Monate in Konzentrationslager eingewiesen worden. Dort hatten sie hungern müssen, sie waren geschlagen worden, viele starben oder kamen verletzt zurück. Ich bekam den Befehl, mein Haus an einen mir bezeichneten Interessenten zu verkaufen und mein Geschäft nie wieder zu eröffnen. Weiterhin wurde mir befohlen, so bald wie möglich zu emigrieren."
Klaus Back:
"Zur Zeit der Kristallnacht, im November 1938, lag unser Vater krank im Bett mit Gelbsucht. Meine Geschwister und ich wurden mitten in der Nacht von Schlägen an die großen Glasscheiben an der Wohnungstür geweckt. Ich hörte laute Stimmen. Mutter kam in unser Schlafzimmer und sagte, wir sollten uns nicht beunruhigen, und nach einer Weile wurde es wieder still und ich schlief weiter. Am Morgen war alles normal — aufstehen, zur Schule gehen, aber Vater sagte zu uns: "Seid bitte sehr vorsichtig, wenn ihr zur Schule geht. Geht den kürzesten Weg und schnell direkt zur Schule."
Mein Schulweg führte von der Ebertstraße über den Neumarkt entlang der Bahnhofstraße, dann unter die Eisenbahn zur jüdischen Volksschule. Überall sah ich zerschlagene Fenster in den Läden und Kaufhäusern und Bemalungen mit Sprüchen von Judenhass. Schnell ging ich bestimmt, kam zur Schulmauer, die zerschlagen war, und wurde von der Lehrerin vor der Tür direkt wieder nach Hause geschickt. "Schulunterricht gibt es heute nicht."
Meine Schwester Hilde war zu dieser Zeit nicht in Gelsenkirchen, nur mein Bruder Ernst und ich. Vater wurde in der Nacht nicht abgeholt. Ich habe dazu nur eine Überlegung, ob richtig oder falsch, weiß ich nicht: Auf Krankheit nahm man bestimmt keine Rücksicht, wenn man jüdische Männer holte und ins KZ sperrte. Es war wohl der Mut meiner Mutter - denn mutig war sie -, so habe ich verstanden und so wurde mir auch später erzählt. Und ich stelle mir auch vor, dass die Polizei, die Vater holen sollte, dieses vielleicht nicht tat, da sie Vater kannten.
An diesem Tag verließen wir die Wohnung nicht mehr. Am Nachmittag wurde wieder an die Tür geschlagen. Es kamen einige Männer, zivil gekleidet. Sie gingen in die beiden Büroräume der Rechtsanwaltspraxis unseres Vaters und verwüsteten das ganze Büro, warfen das Bücherregal und Aktenregale um und zerstreuten alle Akten übet die beiden Büroräume. Dann gingen sie in das Schlafzimmer von Vater, schimpften und drohten, dass sie wiederkommen würden und Vater an das Fensterkreuz nageln würden. Vater kannte die Männer nicht. Er meinte, dass es sich möglicherweise um Leute handelte, mit denen er vielleicht mal am Gericht etwas zu tun gehabt hatte und die die Akten vernichten wollten. Diese Nacht und einige folgende Nächte, die nun kamen, blieben wir nicht in unserer Wohnung, sondern bei der Sekretärin, die bei meinem Vater gearbeitet hatte. (...)"
Laura Gabriel, geborene Eichengrün:
"Wir wuchsen sehr privilegiert auf. (...) Wir hatten ein sehr großes Haus, wir hatten Haustiere, alles. (...) Auch wir wurden Opfer der Reichskristallnacht. Es war erstaunlich, aber als Kinder wussten wir ziemlich genau, was damals vor sich ging. Obwohl unsere Eltern sich oft nur flüsternd unterhielten, sorgten sie doch dafür, dass wir Bescheid wussten. Und ich wusste, dass dieser deutsche Attache in Paris getötet worden war - wahrscheinlich von einem Juden.
So wurde ich in dieser Nacht aufgeweckt und dachte, unser Haus stände in Flammen. Ich fing an zu schreien, ich war im Kinderzimmer zusammen mit meinem Bruder. Und dann rannten wir zu meinen Eltern, und meine Eltern sagten uns, dass wir leise sein sollten. (...) Wir hatten ja ein sehr großes Haus. Mittlerweile waren meine Großeltern zu uns gezogen. Die wohnten nun in der ersten Etage - es war wirklich ein sehr großes Haus. (...) Und dann kamen sie in unser Haus, bestimmt 20, 25 Leute. Vater kannte einige Leute, weil sie Patienten meines Vaters gewesen waren. Sie waren wie wilde Tiere. Sie stürmten in die Küche, sie zerstörten alles. Hier ist der Hinweis auf das zerstörte Kristall ganz richtig. Sie zerstörten alles, was sie erreichen konnten. Dann gingen sie in die Wohnung meiner Großeltern und zerstörten auch dort alles. (...) Dann holten sie meinen Vater, um ihn einzusperren, und dann gingen sie auch und holten meinen Großvater. (...) Ich erinnere mich, dass mein Varer sagte, dass sie den alten Mann wieder gehen lassen sollten. Und aus welchem Grund auch immer, sie ließen ihn wieder frei.
Als sie dann fertig waren, alles in der ersten Etage zu zerstören, wollten sie nach oben in die nächste Etage gehen, dort, wo die Schlafzimmer usw. waren. Und da stellte sich ihnen die Mieterin aus der obersten Etage in den Weg. Sie war wie eine Walküre, wie eine von Wagner erfundene Gestalt, groß und blond, und sie sagte: "Ihr geht hier nicht rauf." Und sie gingen nicht hinauf, und so zerstörten sie nur die eine Etage unseres Hauses. Aber sie verhafteten meinen Vater. (...) In dieser Stadt (Gelsenkirchen) verhafteten sie alle jüdischen Männer und mein Vater war nur einer von ihnen. So brachten sie alle zur Polizeistation und hielten sie dort fest. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslager geschickt. (...) Mein Vater wurde schließlich mit Hilfe von Geld befreit. Meine Mutter konnte ihn "freikaufen". So konnte er wieder nach Hause kommen. Ich denke, hier war nun der Punkt erreicht, an dem meine Eltern entschieden, dass sie die Kinder aus Deutschland herausbringen mussten."
Hello Silberberg:
Am 10. November 1938 schickten Helmuts Eltern den damals 12jährigen Sohn zu den Großeltern nach Amsterdam. Hintergrund waren die Ereignisse in der Nacht zuvor, es war die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, die so genannte "Reichskristallnacht". Auch in Gelsenkirchen steckten die Nazis die Synagogen in Brand, prügelten und mißhandelten die jüdischen Menschen, jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert. Auch dass Geschäft von Leo Silberberg am Bochumer Strasse/Ecke Wiehagen gelegen, wurde - wie fast alle Geschäfte jüdischer Inhaber - zerstört. Mutter Silberberg wurde von den Nazis in der Pogromnacht schwer mißhandelt.
Fred Diament:
"(...) Und zurück zur "Kristallnacht", da erwartete jeder, als die Nachricht kam, dass dieser junge Mann von Rath in Paris ermordet hatte, - wir wussten es sogar, - dass es ein Pogrom geben würde. Wieder versteckten wir uns, dieses Mal in unserem Haus, unter dem Dach, auf dem Dachboden. Und ich erinnere mich lebhaft, dass in dieser Nacht die Synagoge brannte. Wir konnten es sehen.
Ich war ungefähr 15. Und zu dieser Zeit trieben sich die beiden Gruppen, die SA mit den braunen Uniformen und die SS mit den schwarzen in den Strassen herum und jeder jüdische Betrieb, sei es ein Laden, eine Fabrik, ein Haus wurde geplündert, niedergebrannt, demoliert. Wir hatten ein Geschäft und zu der Zeit war es üblich, dass Leute im selben Gebäude in der 3. oder 4. Etage wohnten. Sie verbrannten alles, demolierten alles, die großen Glasfenster, sie schrien und grölten. Sie müssen betrunken gewesen sein. Und wir zitterten oben. Sie schlugen an jede Tür: "Gibt es Juden in diesem Haus? Wir brechen ihnen das Genick!" und was weiß ich, was sie sonst noch geschrien haben, Stunden um Stunden.
Und unser Glück war, dass der Sohn einer der Mitbewohner Mitglied bei der SS war. Und seine Eltern hatten sehr enge Beziehungen zu uns. Wir lebten in diesem Haus, ich bin in diesem Haus geboren, und sie flehten ihn an, er solle zum Fenster gehen. Sie brauchten anderthalb Stunden, bis er ans Fenster gegangen ist und gesagt hat: "Es gibt keine Juden mehr in diesem Haus, sie sind alle weg." Wer weiß, was sonst geschehen wäre, denn in der selben Nacht bei Freunden von uns, die 150 Meter entfernt lebten, da nahmen sie den Mann und die Frau und warfen sie buchstäblich aus dem Fenster. Sie wurden beide schwer verletzt, sie hatten Rückenverletzungen für ihr ganzes Leben. Innerhalb von zwei Wochen emigrierten sie. Ich denke, sie gingen nach Belgien."
Abb.: Selma und Erna Schönenberg, verheiratete Gradenwitz betrieben nach dem Tod des Vaters und Ehemannes Julius Schönenberg am 7. Mai 1936 das Geschäft an der Wanner Straße 119 weiter, bis es in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 - wie auch die Wohnung der Schönenbergs - von Nazischergen zerstört wurde. Günter Schönenberg war bereits im August 1938 die Flucht nach Holland gelungen.
Erinnerungen nicht-jüdischer Gelsenkirchener Bürger und Bürgerinnen an die Novemberpogrome 1938
Abb. 12: Orte der Zerstörung in der Gelsenkirchener Innenstadt und in Schalke. Die Beobachtungen der Zeitzeugen sind in diesem Stadtplan durch Kreise markiert.
Herr S.: "In der Nacht zum 10. November 1938 kam ich mit 4 Arbeitskollegen von der Nachtschicht. Auf dem Heimweg kamen wir an dem Lebensmittelgeschäft Schöneberg, Ecke König-Wilhelm-Straße/Walzwerkstraße vorbei. Dort sahen wir 3 Männer, mit langen grauen Kitteln bekleidet, die mit Messingstangen die Schaufenster einschlugen. Anschließend warfen sie die Ladeneinrichtung auf die Straße.
Der hinzukommende Ladeninhaber wurde als "Judensau" beschimpft und fürchterlich verprügelt. Nachdem das Geschäft zerstört war, verließen die Männer die Räume in Richtung Schalker Strasse. Wir folgten ihnen. Auf der Schalker Straße zerschlugen die gleichen Männer die Fensterscheiben des jüdischen Fleischergeschäftes Leo Sauer und liefen weiter. Bei der Verfolgung der Randalierer konnten wir sehen, daß auch die Scheiben der jüdischen Geschäfte Goldblum und Katzenstein zerschlugen wurden.
Wir verfolgten die Männer weiter und kamen zur Gildenstraße. Dort sahen wir Polizeiabsperrungen und die brennende Synagoge. Verwundert mußten wir feststellen, daß die Feuerwehr den wütenden Brand nicht bekämpfte. Unsere Verfolgung führte uns zur Arminstraße. Dort zerschlugen die Männer die Schaufenster eines Tabakgeschäftes und warfen die Auslagen auf die Straße. Die protestierende Ladenbesitzerin wurde als "Judensau" beschimpft und geschlagen. Bei unserer Verfolgung konnten wir feststellen, daß die Männer unter den grauen Kitteln SA-Uniformen trugen. Unter den Kitteln hielten die Männer geplünderte Gegenstände verborgen."
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Herr W.: "Wir gingen am 10. November wie üblich zur Schule - Bismarck-Schule I - an der Laubstraße. Dort angekommen, wurden wir geschlossen von unserem Lehrer in Richtung Stadtmitte geführt. Am Schalker Markt, Ecke Gewerkenstraße, waren die Schaufenster der jüdischen Geschäfte eingeschlagen. Auf der Schalker Straße, Ecke Grillostraße, schlugen bestellte Leute - unter lautem Gejohle - die Schaufenster des Schuhgeschäftes Jampel ein.
Wir gingen weiter über die Schalker Straße.
Überall das gleiche Bild: Die Fenster jüdischer Geschäfte waren zerstört. Am Neumarkt angekommen, sahen wir die brennende Synagoge. Mir fiel auf, daß die anwesende Feuerwehr den Brand nicht bekämpfte, sondern nur das übergreifen der Flammen auf benachbarte Gebäude verhinderte. Am Abend feierten NS-Gruppen den Synagogenbrand lauthals in der Gaststätte meiner Eltern."
Frau W.: "Ich war damals 7 Jahre alt und ging am Morgen des 10. November 1938 vor der Schule mit meiner Mutter die Neustraße, heute Gildenstraße, entlang. Wir sahen, daß einige Geschäfte und Wohnungen stark verwüstet waren. Meine Mutter war ganz entsetzt und sagte: "Da wohnen doch noch Leute drin." Ein Passant, der in der Nähe stand, erwiderte: "Wenn Sie das nicht sehen können, gehen sie doch weiter". Wir kamen dann bei einem Schuhgeschäft Ecke Kirchstraße/Weberstraße vorbei. Auf dem Bürgersteig vor dem Geschäft lagen viele Schuhe verstreut, die Scheiben waren zersplittert. Ich sah ein Paar Schuhe, das mir gefiel, hob es auf und sagte zu meiner Mutter: "Du, die passen mir bestimmt". Meine Mutter wurde richtig böse und befahl mir, die Schuhe sofort wieder hinzulegen. In der Kirchstraße auf der linken Seite befand sich ein kleines Milchgeschäft. Die ganze Einrichtung war zerschlagen und Milch und Eier flossen über den Bürgersteig."
Frau W.: "Ein Erlebnis werde ich nie vergessen: Ich besuchte die Marienschule und von meinem Klassenraum aus konnte man in die Neustraße blicken. Wir sahen am 10.11. morgens Feuerwehrwagen zur Synagoge fahren und waren alle recht verstört von den Ereignissen der Nacht. Unsere Lehrerin nahm das zum Anlaß, ein Gedicht über die Feuerwehr einzuüben.
Frau W.: Ich war damals 10 Jahre alt und wohnte ca. 100 m von der Synagoge entfernt in der Neustraße, heute Gildenstraße. Am Abend des 9. November 1938, wir Kinder waren schon alle im Bett, hat mein Vater uns geweckt. Er selbst ist wach geworden weil, wie er sagte, leere Benzinfässer durch die Neustraße gerollt worden sind. Durch die zur Straße liegenden Wohnungsfenster konnten wir einen Feuerschein sehen, der aus der Richtung der Synagoge kam.
Da ganz in der Nähe der Synagoge die Werkstatt meines Vaters lag, hatte er große Sorgen, daß es dort brennen könnte. Auf die Idee, daß die Synagoge brannte, kamen wir gar nicht. Mein Vater und ich gingen hinunter auf die Straße und dann in Richtung Synagoge. Dort sahen wir daß das Gebäude innen brannte. Einige Männer hatten brennende Fackeln in der Hand und steckten damit die Fensterläden des Gemeindehauses an, das neben der Synagoge stand.
Herr M.: Ich bin 1920 aus der Schule gekommen und habe eine Lehre als Maler begonnen. Mein Lehrmeister hatte fast nur jüdische Kundschaft. Ich selbst kannte sehr viele Juden in Gelsenkirchen, weil ich bei Ihnen bearbeitet habe, z.B. die Familie Plauz in der Dürerstraße und die Familie Goldschmitz. Am 10.11.1938 fuhr ich morgens gegen 7.30 Uhr mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich wohnte in der Georgstraße. Ecke Ringstraße/Wildenbruchstraße befand sich ein großes Stoffgeschäft mit hohen Räumen. Die Fensterscheiben waren zertrümmert und in einer Ecke des Geschäftes brannte es.
Ein Mann warf Stoffballen ins Feuer. Es standen nur wenige Leute vor dem Geschäft, sie waren wohl alle auf dem Weg zur Arbeit. Ich verstand nicht, warum die Stoffballen verbrannt werden sollten und rief dem Mann zu: "Verbrenn nicht alle, wirf mir einen raus". Ich wußte ja nicht, daß das die "Kristallnacht" war. Der Mann schrie zurück: "Die stinken"."
Herr Schö.: "Am Morgen des 10. November 1938 gegen ca. 10 Uhr ging ich in Richtung Innenstadt, um zu sehen, was in der Nacht geschehen war. Ich kann mich allerdings nur noch an zwei Dinge erinnern: Ich konnte nur bis zum Neumarkt gehen. Dort war die Gildenstraße durch Polizei und SA abgesperrt. Von weitem sah ich einen Löschzug der Feuerwehr vor der noch brennenden Synagoge stehen. Gelöscht wurde aber nicht. Ich ging dann weiter in die Vereinsstraße, das ist die Straße hinter dem Westfalenkaufhaus. Dort befanden sich verschiedene jüdische Geschäfte und Wohnungen. Ein Jude, er war Zigarrenvertreter, wohnte in der 1. oder 2. Etage in dem Haus neben WEKA. Seine Möbel und viele andere Gegenstände waren aus dem Fenster geworfen worden und lagen zerschmettert auf der Straße."
Frau M.: "Ich kann mich nur an ein zerstörtes Geschäft erinnern: Die großen Schaufenster des Pelzgeschäftes Gompertz in der Bahnhofstraße waren eingeschlagen. Das Glas bedeckte weite Teile des Bürgersteiges. Zwischen den Glassplittern lagen auf der Straße verstreut einige Pelze. Sie waren stark beschädigt und vom Glas zerschnitten, so als hätte man sie von innen durch die zerstörten Fenster hinausgeworfen. Die Pelze lagen nicht nur in unmittelbarer Nähe des Geschäftes, sondern sogar verstreut bis zum übernächsten Haus."
Herr Sch.: "Wir wohnten 1938 in der Teutstraße Nr. 11. Im Hause Nr. 9 wohnte die Familie Groß, denen das Schuhgeschäft am Neumarkt (Heute Teppich Jeggle) gehörte. Diese Familie genoß sowohl in der Geschäftswelt und auch in der Nachbarschaft ein hohes Ansehen. Am Abend des 9. November vernahm ich aus dem Haus Nr. 9 Gepolter, Geräusche und Schreie. Alle Fenster waren erleuchtet. Möbelstücke wurden auf die Straße geworfen, Hilferufe drangen auf die Straße. In der Wohnung randalierten uniformierte SA-Leute, zertrümmerten die Einrichtung und schlugen auf die Mitglieder der Familie Groß ein. Diese Aktion dauerte ca. 1 Stunde. Am nächsten Morgen erfuhren wir - aus dem Volksempfänger - daß "spontane Aktionen" der deutschen Bevölkerung gegen die Juden stattgefunden hätten.
Ich ging am 10. November in die Stadtmitte. Mein Weg führte über die Rotthauser Straße und den Machensplatz zur Klosterstraße. Am Ende der Klosterstraße sah ich einen großen Menschenauflauf. Die Schaufenster des Pelzgeschäftes Gompertz waren eingeschlagen, die Schaufensterpuppen zertrümmert, die Pelze geraubt. Auf der Bahnhofstraße sah ich Fenster und Fassaden mit antijüdischen Parolen beschmiert. Weiter ging ich in die heutige Gildenstraße. Dort konnte ich noch die Überreste der brennenden Synagoge sehen. Der Platz vor der Synagoge war von der Polizei abgesperrt.
Die anwesende Feuerwehr unternahm keine Löschversuche, sondern schützte nur die Nachbarhäuser , um ein übergreifen des Brandes zu verhindern. Augenzeugen berichteten mir, daß der gegenüber wohnende Zahnarzt - Dr. Eichengrün - aus einem Fenster heraus die brennende Synagoge fotografieren wollte. Als SA-Männer dieses bemerkten, stürmten einige von ihnen in die Wohnung, entrissen dem Zahnarzt die Kamera und schlugen ihn fürchterlich zusammen. In den nächsten Tagen konnte man in den Gelsenkirchener Zeitungen lesen, daß in der Nacht vom 9. zum 10. November, "spontane Aktionen der deutschen Bevölkerung gegen die Juden" stattgefunden hätten."
Herr I.: "Schon kurz nach der "Machtübernahme" durch die Nationalsozialisten hatte das Leben eine neue "Qualität" angenommen. Überwachung und Kontrolle waren in allen Lebensbereichen zu spüren. SA-Posten standen vor jüdischen Geschäften und versuchten so, deutsche Bürger von dem Besuch jüdischer Geschäfte abzuhalten. Der "Überwachungsdruck" wurde so groß, daß jüdische Geschäfte immer mehr gemieden wurden. Nur wenige Menschen setzten sich über diese "Überwachung" hinweg, nahmen Verleumdungen und Bedrohungen in Kauf und hielten ihren alten Kaufleuten über einen kurzen Zeitraum noch die Treue.
Bereits in den Jahren 1933-1935 erschienen in den Krankenkassenverwaltungsstellen Listen, die die Namen und Adressen jüdischer Ärzte enthielten und die Bevölkerung dazu aufforderten, diese Ärzte nicht mehr aufzusuchen. Langsam wurde der öffentliche Druck auf die jüdische Bevölkerung größer. Gleichzeitig wurde der Druck und die Beeinflussung des Staates auf die deutsche Bevölkerung vergrößert. Einzelne, die sich der judenfeindlichen Verhaltensweise widersetzten, wurden "herausgegriffen" und "bestraft". Jüdische Ärzte verloren ihre Patienten, jüdische Kaufleute ihre Kunden. Am 9.11.1938 trommelten plötzlich Menschen an unsere Haustür. Sie teilten uns mit, daß sie aufgefordert worden waren, ihre Wohnungen in der Georgstraße zu verlassen, da Maßnahmen im Bereich der Synagoge vorgenommen werden müßten. Diese Maßnahmen stellten sich als Vorbereitung zur Brandstiftung heraus. Ich lief zur Synagoge. Das Gebiet um die Synagoge war von der Polizei abgesperrt.
Die Synagoge brannte. Die Feuerwehr bekämpfte den Brand nicht, sie verhinderte allein das übergreifen des Feuers auf andere Gebäude. Aus dem Wohnhaus des Zahnarztes Dr. Eichengrün, das gegenüber der Synagoge stand, ertönten laute Schreie. Ich ging weiter durch die Stadt, bis zum Polizeiamt im alten Rathaus. Am Polizeiamt sah ich 2 Männer mit einer Liste jüdischer Geschäfte in der Hand und mit langen Eisenstangen bewaffnet. Ich folgte diesen Männern zur Bahnhofstraße und sah, daß sie die Schaufenster jüdischer Geschäfte einschlugen.
Ich lief durch weitere Straßen. Aus einzelnen Wohnungen drangen verzweifelte Schreie - Juden! Ecke Karlstraße/Kirchstrasse flogen aus der Wohnung jüdischer Mitbürger Möbelstücke auf die Strasse. Offenbar waren in der ganzen Stadt Gruppen unterwegs, um Gewalt gegen die jüdischen Mitbürger auszuüben. Am anderen Morgen ging ich über die Bahnhofstraße zu meiner Arbeitsstelle. Ich sah, daß die jüdischen Geschäfte zerstört und die Schaufenster ausgeraubt waren. In der heutigen Ebertstraße wurden aus einem jüdischen Teilzahlungsbankgeschäft Karteikarten aus dem Fenster geworfen. Mittags, auf dem Weg zum Essen, sah ich, daß noch immer Menschen in den zerstörten jüdischen Geschäften herumstöberten."
Frau M.: "Wir wohnten damals in der Karolinenstraße. Mein Vater kam am 10. November 1938 morgens von der Nachtschicht und erzählte, daß in der Bahnhofstraße die Schaufensterscheiben eingeschlagen worden waren. Daraufhin gingen meine Mutter und ich (ich war damals 14 Jahre alt) gegen 9 Uhr in die Stadt, um zu gucken, was passiert war. Am Pelzgeschäft Gompertz waren alle Scheiben zersplittert, das Glas lag auf der Straße und die Schaufenster waren leer.
Ungefähr sieben Männer waren in dem Geschäft und kamen jeweils mit einem Pelz unter dem Arm wieder heraus. Das war aber nur noch der Rest der Pelze, die besten und wertvollsten waren schon weg. Wer die genommen hat, habe ich nicht gesehen. Einer der herauskommenden Männer war unser Nachbar. Seine Frau lief dann schon am Nachmittag mit dem Pelz in der Straße herum. Auf unserem Weg nach Hause kamen wir an der heutigen Husemannstraße vorbei, früher hieß sie Hindenburgstraße. Dort befand sich ein Geschäft für Fleischereibedarf und Gewürze, das dem Herrn Meier gehörte. Die Türen waren weit geöffnet. Die Gewürze waren überall verstreut (ich habe noch den Geruch in der Nase). Die schweren Maschinen standen noch im Geschäft, es war wohl nicht so leicht möglich, sie umzustoßen oder hinauszuwerfen. Kein Mensch war in der Nähe zu sehen."
Herr A.: "Ich hatte jüdische Freunde, die auf der Viktoriastraße - heute Magdeburger Straße - wohnten. Auf Ferien vom Arbeitsdienst (1937), wollte ich meinen Freund - Werner Neumann - besuchen. Schon meine Mutter sagte mir: "Erich, gehe nicht hin, es sind doch Juden." Trotzdem suchte ich die Familie auf. Erschreckt mußte ich feststellen, daß die Fassade des Wohnhauses beschmiert war: "Juda, verrecke!" Mutter Neumann öffnete mir die Tür und erschrak, als sie mich erkannte. Sie ließ mich nicht in die Wohnung und sagte nur: "Erich, wenn du keine Schwierigkeiten haben willst, dann geh bitte, sofort!" Deutlich war zu spüren, welche Angst sie hatte. Als ich 1947 aus dem Krieg zurückkehrte, gab es keine Familie Neumann mehr. Sie war "verschwunden"!
Bei einem Rundgang durch meine Heimatstadt konnte ich an vielen jüdischen Geschäften und auch an Wohnhäusern, in denen Juden wohnten, antijüdische Hetzparolen entdecken. Auf der Schalker Straße gab es mehrere jüdische Geschäfte: Ecke Grenzstraße das Textilgeschäft Goldblum, gegenüber das Schuhgeschäft Jorzik, das Textilgeschäft Katzenstein und am Schalker Markt, das Textilgeschäft Vorgang. All diese Geschäfte wurden in der Nacht zum 10. November durch uniformierte SA-Männer zerstört. Ich konnte sehen, daß randalierende Gruppen in die Geschäfte eindrangen, sie zerstörten und die sich in den Geschäften befindlichen Menschen verprügelten. Am anderen Morgen vernagelten SA-Männer die demolierten und geplünderten Geschäfte, hingen Verbotsschilder auf und trieben zusammen mit der Polizei zuschauende Menschengruppen auseinander."
Herr R.: "Ich war damals Mitglied der Kommunistischen Widerstandsgruppe LL (Liebknecht/Luxemburg). Diese Gruppe wirkte in Erle. Mein damaliger Nachbar war SA-Obersturmführer und sagte uns am Abend des 9. November 1938, daß "Aktionen, große Sachen gegen die Juden unternommen werden, damit ein für allemal Schluß gemacht wird". Die Kommunisten sollten sich das Schauspiel ruhig einmal ansehen. Wir hatten die schlimmsten Befürchtungen und so gingen wir, insgesamt 8 Männer der Gruppe LL, von Erle nach Gelsenkirchen.
Als wir am Alten Markt ankamen, hatten sich dort schon Menschenmassen versammelt, die Gildenstraße war verstopft. Wir sahen, daß das Innere der Synagoge brannte und drängelten uns in Richtung Synagoge durch die herumstehenden Menschen durch. Sehr weit kamen wir aber nicht; SA und SS hatten eine Absperrung errichtet. Ich sah, wie in dem jüdischen Cafe, das neben dem Gemeindehaus lag, die Inneneinrichtung demoliert und aus den Fenstern geworfen wurde.
Die Feuerwehr errichtete auch eine Absperrung und versuchte, das Feuer von den Nachbardächern fernzuhalten, sie löschten aber keineswegs den Brand in der Synagoge. Die SA und SS-Männer zogen dann weiter in Richtung Schalker Straße und Bahnhofstraße. Auf ihrem Weg zerschlugen sie die Scheiben der jüdischen Geschäfte. Die Leute in den Straßen halfen teilweise kräftig mit, indem sie die Fensterauslagen plünderten. Wir sind dann auch zur Bahnhofstraße gegangen und haben gesehen, wie alkoholisierte SS und SA-Männer in Uniform Scheiben und Inventar zerstörten und die Geschäfte plünderten. Einige Passanten haben sich aufgeregt: "Seid ihr verrückt? Was macht ihr denn da?" Sie wurden von den Randalierern tätlich angegriffen. Mehrere mir bekannte SA und SS-Leute haben mir erzählt, daß sie auch jüdische Wohnungen geplündert haben."
Herr K.: "Ich war damals 10 Jahre alt und wohnte in Ueckendorf, Flöz Sonnenschein. Am späten Nachmittag des 9. November 1938, etwa um 17 Uhr, kam ich von einem Freund und war auf dem Weg nach Hause. An der Ecke Bochumer Straße/Munscheidtstraße befand sich das Juweliergeschäft eines Juden. An den Namen kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Die Scheiben des Geschäftes waren eingeschlagen, auf dem Bürgersteig lagen zerschlagene Uhren und eine Anzahl Ringe. Ca. 8 Männer in SA-Uniform schrien laut umher. Sie waren teilweise im Geschäft und warfen die Uhren heraus, teilweise waren sie draußen.
Es kamen viele Leute aus den umliegenden Häusern heraus. An dem Ausdruck ihrer Gesichter konnte man erkennen, daß einige Leute empört waren, andere grinsten. Ein SA-Mann schrie die Passanten an: "Weitergehen, nichts aufheben". Ich bin dann auch weitergegangen, ob vielleicht doch jemand etwas aufgehoben hat, und wo die Sachen geblieben sind, kann ich nicht sagen."
Herr S.: "In unserem Haus, in Gelsenkirchen-Horst, wohnte oben, in einer 3-ZimmerWohnung, die Familie Gutgold, mit ihren beiden Kindern, Evi und Leo. Mit dieser Familie bestand eine nette Hausgemeinschaft. Einige Wochen vor der "Kristallnacht", fiel mir auf, daß die beiden Kinder nicht mehr zur Schule gingen und den ganzen Tag auf der Straße spielten. Auf meine Frage, warum sie nicht mehr zur Schule gingen, erwiderten sie: "Wir werden weggeschickt, nach Sachsen."
Am Morgen des 10. November - gegen 5.00 Uhr - schellte es an allen Schellen unseres Hauses Sturm. Ich blickte durch das Fenster, und sah eine Horde SA-Männer vor unserem Hause. Kaum war die Haustür geöffnet, stürmte diese Horde in die Wohnung der Familie Gutgold, zerschlug die Möbel und verhaftete das Ehepaar mit ihren Kindern. Ich habe nie wieder etwas von dieser Familie gehört. Am Tage sah ich dann in Horst, daß die Schaufenster aller jüdischen Geschäfte eingeschlagen waren. Die Auslagen waren geplündert. Die mit judenfeindlichen Parolen beschmierten jüdischen Geschäfte wurden auch in Horst mit Brettern vernagelt."
Frau I.: "An die Nacht vom 9. zum 10. November 1938 direkt kann ich mich nicht erinnern. Nur an eine Begebenheit etwas später. Ich war damals 10 Jahre alt und wohnte in Horst, Koststraße 16. Dort verkaufte ein Herr Munk an den Haustüren Wäsche, und wenn jemand nicht genug Bargeld hatte, verkaufte er seine Waren auch auf Raten. Herr Munk war Jude, ein netter, freundlicher Mann. Eines Morgens, wenige Tage nach dem 10. November, kam er, um die Ratenbeträge zu kassieren. Aber er wurde von mehreren Mietsparteien in unserem Haus beschimpft und weggejagt. Er hat das ihm zustehende Geld nicht mehr bekommen."
Abb.: Das jüdische Gemeindeleben in Gelsenkirchen endete im November 1938 mit der Inbrandsetzung und gewaltsamen Zerstörung der Synagoge und des Gemeindehauses in der Altstadt, der Synagoge in Buer und des Betsaales in Horst.
Abb. 13: Orte der Zerstörung in Gelsenkirchen-Buer. Die Beobachtungen der Zeitzeugen sind in diesem Stadtplan von 1928 durch Kreise markiert
Herr V.: "Bis 1933 waren jüdische Bürger voll in das Bueraner Gemeindeleben integriert. Die meisten jüdischen Bürger waren Geschäftsleute: Löwenstein und Katzenstein waren Besitzer von Textilgeschäften, Eckstein und Kochmann waren als geachtete Rechtsanwälte tätig. Vor 1933 gab es keinen "öffentlichen" Judenhaß und keine Benachteiligung der jüdischen Mitbürger. Dies änderte sich schlagartig, als die Nazis an die "Macht" kamen. Als Frisörlehrling mußte ich erfahren, daß jüdische Bürger nicht mehr in unserem Betrieb bedient werden durften. Mein Meister schickte mich heimlich zu seiner alten jüdischen Kundschaft, um sie in ihrer Wohnung zu frisieren. Ab 1934 erschienen auch immer häufiger antijüdische Artikel in der Lokalpresse. Für einen "deutschen" Betrieb war es unmöglich geworden, jüdische Mitbürger zu bedienen.
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Am Abend des 9. November 1938 saß ich während eines Heimaturlaubes vom Arbeitsdienst in der Gaststätte Rottmann, Horster Straße. Plötzlich tauchten SA-Männer auf, sperrten die Maelostraße ab und trieben - in Zusammenarbeit mit der Polizei - die zusammenlaufenden Menschen auseinander. Gleichzeitig sahen wir die Buersche Synagoge in Flammen aufgehen. Die hinzukommende Feuerwehr stand mit ausgerollten Feuerwehrschläuchen in sicherer Entfernung und unternahm keine Anstalten, den Brand zu bekämpfen.
Am 10. November waren auch an anderen Stellen in Buer fürchterliche Verwüstungen zu sehen. Auf der Hochstraße, bei Hosen-Hirsch, lagen Kleidungsstücke und Schaufensterpuppen zerstört auf der Straße. Beim Möbelhaus Rosenbaum, an der Ecke Westerholter Straße/de-la-Chevalleriestraße, waren Möbelstücke, wie Küchenschränke, Tische, Stühle, Sofas auf die Straße geworfen worden. Bei Katzenstein und Löwenstein, an der Ecke Horster Straße/Maelostraße, waren ebenfalls die Schaufenster zertrümmert. Die Fassaden der Häuser waren mit antijüdischen Hetzparolen beschmiert. Von den Besitzern war keine Spur zu sehen - alle wurden in der Nacht abgeholt und zum Polizeigefängnis gebracht, einige wurden später in Konzentrationslager verbracht."
Herr St.: "Ich war damals 14 Jahre alt, wohnte in Resse und ging zur Handelsschule in Buer. Am 10. November 1938 fuhr ich, wie jeden Morgen, mit der Straßenbahn nach Buer und traf an der Haltestelle am Rathaus einige Klassenkameraden. Die erzählten mir, daß sie aus der Straßenbahn heraus im Vorbeifahren mehrere Menschenansammlungen gesehen hätten. Wir waren neugierig, was da wohl geschehen war, und liefen zur Hochstraße. Dort befand sich unweit von Karstadt das Bekleidungshaus Hirsch. Die Schaufensterscheiben waren zerstört, die Auslagen waren leergeräumt, es sah ziemlich wüst aus. Mehrere Schaufensterpuppen lagen auf der Straße herum, eine hing sogar an einem Laternenpfahl. Einige Polizisten hielten sich in der Nähe auf. Sie haben aber nichts unternommen. Uniformierte SA-Leute standen dabei und forderten die Menschen auf, weiterzugehen. Aus der Menschenmenge sind einige Stimmen gegen Juden laut geworden. Dann sagte jemand: "Da oben brennt die Synagoge." Wir sind hingerannt und sahen Rauch und Flammen in dem Gebäude. Das Dach war eingestürzt. Es war keine Feuerwehr am Brandort. SA-Männer sperrten die Umgebung ab. Man hat die Synagoge seelenruhig ausbrennen lassen. Meine Klassenkameraden und ich sind dann schnell zur Schule gegangen. Besonders gewundert hat mich, daß wir von unserem Lehrer nicht ins Klassenbuch eingetragen wurden. Normalerweise bekam jeder, der zu spät kam, einen Verweis. Als wir erzählten,was wir gesehen hatten, befürwortete unser Lehrer die Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung."
Frau Me.: "Ich war damals 17 Jahre alt und arbeitete als Lehrling in dem jüdischen Geschäft Lieber & Co. in Resse, Ewaldstraße. Herr und Frau Lieber, schon ältere Leute, verkauften Textil- und Kurzwaren. Herr Lieber trug das Eiserne Kreuz 1. Klasse und hatte keinerlei Befürchtungen, daß ihm etwas geschehen könnte. Seine Angestellten beschworen ihn, zu seinem Sohn, der im Ausland lebte, zu gehen, aber Herr Lieber hielt das für Unsinn. Am 8. November 1938 brach Herr Lieber zu einer Geschäftsreise auf und wollte ca. 3 Tage später wiederkommen. Er hat mich gebeten, in dieser Zeit in seiner Wohnung zu übernachten, da seine Frau krank war. Das war für mich nicht ungefährlich, denn wir arischen Lehrlinge durften offiziell nur jüdische Geschäftsräume betreten, aber nicht die Wohnungen. Ich habe mich darüber aber hinweggesetzt, weil ich ein sehr gutes Verhältnis zu dem Ehepaar Lieber hatte.
Am Nachmittag des 9. November, ca. 17 Uhr, rief plötzlich Herr Lieber aus Essen oder Bottrop an und sagte zu seiner Frau: "Schick sofort die W...nach Hause. Ich komme zurück". Dort, wo er sich befand, gab es schon die ersten Ausschreitungen gegen Juden, und er hatte wohl böse Vorahnungen. Ich bin dann auch sofort nach Hause gefahren.
Am nächsten Morgen erfuhr ich die Tragödie. In der Nacht sind mehrere Männer in die Wohnung, die über dem Geschäft lag, eingedrungen und haben alles kurz und klein geschlagen, Gardinen abgerissen, Porzellan und Gläser aus den Schränken geworfen, Möbel mit Äxten zerhackt, Sessel aufgeschlitzt, Bücher zerstört und noch vieles mehr. Ich habe eine solche Zerstörungswut in meinem Leben nicht noch einmal gesehen. Herr und Frau Lieber wurden in der Nacht verhaftet, konnten dann aber nach England auswandern. Ich habe sie nie wieder gesehen.Interessanterweise wurde nur die Wohnung zerstört; das Geschäft blieb unversehrt. Es ging schon länger das Gerücht, daß Herr Lieber sein Geschäft Herrn S.... (Anm. d. Verf.: Es handelt sich hier um Bernhard Stromann) verkaufen wollte. Herr S....übernahm dann auch tatsächlich das Geschäft; ob er etwas dafür bezahlt hat, weiß ich allerdings nicht." (2)
Fotoalbum: Pogromwoche im November 1938
Das Fotoalbum stammt aus dem Nachlass des Großvaters von Elisheva Avital, die darin enthaltenen Fotos dokumentieren Zerstörung und Gewalt, gerichtet gegen Leib und Leben jüdischer Menschen in der Pogromwoche im November 1938 in Fürth. In einzeln Sequenzen ist auch die Inbrandsetzung der Fürther Synagoge festgehalten, andere Aufnahmen zeigen misshandelte und verletzte Menschen, die ihren Peinigern völlig schutzlos ausgeliefert sind.
Der Großvater, ein ehemaliger alliierter Soldat, starb vor einigen Jahren, vermutlich hatte er das Album aus Deutschland mitgebracht. Die bisher unveröffentlichen Fotografien zeigen exemplarisch mit großer Eindringlichkeit, mit welcher menschenverachtender Bestialität die Nazi-Schergen ihre Schandtaten begehen. Schockierend, das so oft Gehörte und Gelesene auf diesen Fotos zu sehen. → Fotoalbum
Freispruch mangels Beweisen: Angeklagter wird 1949 freigesprochen
Am 3. Oktober 1946 bat das Jüdische Hilfskomitee den Oberstaatsanwalt des Landgerichtes Essen wegen der im November 1938 erfolgten Niederbrennung der Synagoge in Gelsenkirchen ein Verfahren gegen Unbekannt einzuleiten. Aufgrund vielfältiger Hinweise wurde der bereits zweimalig vorbestrafte Gelsenkirchener Kaufmann Werner Karl Montel der Brandstiftung angeklagt. In der Anklageschrift hieß es: Montel wird beschuldigt „zu Gelsenkirchen in der Nacht zum 9. November 1938 durch eine und dieselbe Handlung gemeinschaftlich mit nicht ermittelten Mittätern
a.) vorsätzlich ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude in Brand gesetzt,
b.) ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung aus rassischen Gründen begangen zu haben.“
Abb.: Haftbefehl gegen Gelsenkirchener Kaufmann Werner Karl Montel.
Aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Essen ergibt sich der mutmaßliche Tathergang: „Am Abend des 8. November 1938 erhielten durch die Gestapo die Formationen der SA, SS und NSKK den Befehl zu den bekannten, gegen Juden gerichteten Ausschreitungen, die mit der Anzündung der Synagoge begannen. Es geschah dieses etwa gegen 10 u. 10.30 Uhr abends. (22.00 – 22.30) Die noch verfügbaren Mitglieder dieser Verbände marschierten zur Synagoge, bewaffnet mit Beilen und sonstigen Utensilien.
Der SA-Führer (Sturmbannführer) Heinrich Orzechowski (spätere Namensänderung in Nußdörfer) zertrümmert mit einem Beil die Tür der Synagoge. Zeitgleich erschien ein Kraftwagen, der in der Nähe des Restaurants Herberg (Cafe Roland) hielt, gab einen Benzinbehälter heraus, der Wagen wurde gesteuert von dem SA-Oberscharführer Jedaschko, aus Gelsenkirchen-Rotthausen, Schonebeckerstraße, neben ihm befand sich ein SS-Mann, der Benzinbehälter wurde ebenfalls einigen SS-Leuten übergeben. Orzechowski soll Altardecken aus der Synagoge geholt und diese mit Bezin übergossen und auf der Straße angezündet haben. Dann fuhr noch ein weiterer Wagen vor, der Holzwolle ablud. Die Holzwolle wurde unter die Bänke der Synagoge verteilt und der genannte Brennstoff darüber gegossen. Kurze Zeit darauf stand das Gotteshaus in Flammen. Die Verbände sammelten sich dann vor der Synagoge und sangen antisemitische Lieder, bis gegen Morgen die weiteren Aktionen gegen die Geschäfte und Wohnungen folgten.“
"Das Ding wollte nicht mal brennen!"
Schreinermeister Johann Blume aus Rotthausen bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlichen Brandstifter der Gelsenkirchener Synagoge in der Altstadt, Werner Montel: „SS-Untersturmführer Anton Thurau hat kurz nach dem Synagogenbrand im angeheiterten Zustand mir gegenüber gesagt: „Das Ding wollte nicht mal brennen!“
Der am 10. April 1913 in Bochum geborene Montel war seit Februar 1931 Mitglied des NS-Schülerbundes; nach der Auflösung des Schülerbundes im September 1932 ist er keiner anderen Organisation beigetreten. Vom 24- August 1933 bis 1934 war der Beschuldigte Parteianwärter, von 1934 bis April 1942 Parteimitglied der NSDAP. Seine Einstellung jüdischen Staatsangehörigen gegenüber führte Montel wie folgt aus: „Mein reger Verkehr mit Halbariern war stadtbekannt. Bei den Judenaktionen am 8. u. 9. Nov. 1938 konnte ich verhindern, dass es bei den in unserem Hause wohnhaften Juden ohne die geringsten Ausschreitungen blieb. Ich nehme an, dass dieses der einzige Fall in Gelsenkirchen blieb.“ Nach eigener Aussage war Montel „selbst (…) an dem fraglichen Abend und den skizzierten Aktionen aktiv nicht beteiligt, ja nicht einmal als Zuschauer, so dass ich also praktisch am Tatort keineswegs gesehen worden sein kann.“
Einem (vorläufigen) Schlussbericht der Kriminalpolizei Gelsenkirchen vom 24. Februar 1947 ist zu entnehmen: „Die angestellten Ermittlungen nach den Tätern des Synagogenbrandes sind bisher ergebnislos verlaufen. Sämtliche dazu vernommenen Personen können keine Angaben über die mutmaßlichen Täter machen. Wie aus den Vernehmungen zu ersehen ist, sind die Täter in den Kreisen der SS und SA zu suchen.“ Das im Januar 1949 ergangene Urteil (Download als PDF) sprach Montel auf Kosten der Staatskasse frei, da die Beweisaufnahme „trotz des starken Verdachts keine hinreichenden Nachweise für die Beteiligung des Angeklagten“ ergeben hatte. Dieser Prozeß war der einzige Versuch, die Geschehnisse dieser Nacht strafrechtlich aufzuarbeiten und den bzw. die verantwortlichen Täter zu bestrafen.
(1) Vgl. Andrea Niewerth: "Gelsenkirchener Juden im Nationalsozialismus"; "Kristallnacht", Seiten 98-102, Essen 2002
Erinnerungen jüdischer Zeitzeugen:
Cohen, mit freundlicher Genehmigung von Rudy Cohen
Gompertz, mit freundlicher Genehmigung von Familie Gompertz/Ries
Silberberg, mit freundlicher Genehmigung von Ed Silverberg
Fam. Eichengrün, Fam. Gross, Fam. Back und Fam. Diament vgl. Stefan Goch, Jüdisches Leben, Verfolgung, Mord,Überleben Klartext Essen, 2004. (2) Zeitzeugenaussagen nichtjüdischer Bürgerinnen u. Bürger: Die Novemberpogrome in Gelsenkirchen - Dokumente zur Reichskristallnacht. Herausgeber: Schul- und Kulturdezernat der Stadt Gelsenkirchen, Evangelischer Kirchenkreis Gelsenkirchen, Schulamt für die Stadt Gelsenkirchen, 1988. Die Zeitzeugenberichte sind nach einem Aufruf in der Presse den Verfassern dieser Veröffentlichung zu Protokoll gegeben worden. Namen und Adressen der Zeitzeugen sind den Verfassern bekannt, wurden jedoch nicht veröffentlicht.
Abbildungen
1: Innenansicht Synagoge Gelsenkirchen, ISG Fotosammlung
2: Innenansicht Synagoge Gelsenkirchen Buer, ISG Fotosammlung
3-5: Privatbesitz Herman Neudorf
6. Abriß des Turms der Synagoge, ISG Fotosammlung
7. Ausgebrannte Synagoge, Privatbesitz Kurt Neuwald
8. Abrißverfügung, ISG
9, 10, 11: Zeitungssammlung ISG
12 u. 13: Stadtarchiv Gelsenkirchen
Die vorstehende Ausarbeitung steht als Download/Druck im PDF-Format zur nichtkommerziellen Nutzung in der Erwachsenen- und Jugendbildung bereit: Die Novemberpogrome 1938 in Gelsenkirchen (Download als PDF) (Alle Rechte vorbehalten)
Andreas Jordan, November 2010. Nachtrag Oktober 2013, überarbeitet 2017 |
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