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Zwangsarbeiter in Gelsenkirchen-Hassel

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Ein Wettbewerbsbeitrag: Sie sollen nicht vergessen sein -
Ausländische Zwangsarbeiter in Gelsenkirchen-Hassel während des 2. Weltkrieges

Im Sommer 1993 wurde das Denkmal aufgestellt

Abb.: Der Findling mit der Erinnerungstafel 2010

Vor dem Hintergrund lokalhistorischer Ereignisse im Ortsteil Hassel zwischen 1940-1945 wurde dieses Geschichts- und Politikprojekt als Wettbewerbsbeitrag von einer Schülergruppe der Klasse 10b der Hauptschule am Eppmannsweg aus Gelsenkirchen-Hassel im Jahr 1993 erarbeitet. Ein exemplarisches, sehr bemerkenswertes Beispiel für zivilgesellschaft- liches Engagement Jugendlicher gegen den erstarkenden Rassismus Anfang der 90er Jahre. Die Jugendlichen erreichten mit ihrer Arbeit die Aufstellung einer Erinnerungstafel, eingelassen in einen Findling. Anläßlich der Thematisierung des Schicksals des polnischen Zwangsarbeiters Walerjan Wróbel im Geschichtsunterricht erfuhren die Schülerinnen und Schüler 1993 von ihrem Geschichtslehrer, dass es auch in Gelsenkirchen-Hassel Zwangsarbeiterlager in der Zeit der Hitlerschen Gewaltherrschaft gegeben hat.

Bei ihrer umfangreichen Erforschung der Geschichte des Lagers Wiebringhaushof und der Lebensumstände der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Hassel stellten die Schüler das persönliche Schicksal betroffener Menschen in den Vordergrund. Das Lager Wiebringhaushof war eines der ehemaligen Zwangsarbeiterlager in Gelsenkirchen-Hassel in der Zeit zwischen 1940-1945.

Ausgangspunkt der Schülerarbeitarbeit war der mit Naziparolen beschmierte Rohbau der Moschee an der Strasse "Am Freistuhl" auf dem Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers "Wiebringhaushof". In den Farbschmierereien sahen die Schülerinnen und Schüler einen Anlass, mit der Aufdeckung des Zwangsarbeiterschicksals und dem Bemühen um die Errichtung einer Gedenktafel gegen die Anfang der 90er Jahre erneut einsetzenden ausländerfeindlichen extremistischen Hetz- und Gewaltwelle einzutreten.

Die Schüler fragten nach, woher die Zwangsarbeiter kamen, wie sie verpflegt wurden, wo sie eingesetzt wurden, wie sie behandelt wurden und versuchten herauszufinden, was mit ihnen nach dem Krieg geschah. Sie forderten die Anbringung einer Gedenktafel, entwarfen einen Text dafür und suchten politische und finanzielle Unterstützung. Dabei zeigte sich, dass die Frage einer Denkmalstiftung für Zwangsarbeiter auch im Jahr 1993 noch umstritten war. Die Arbeit wurde im Rahmen des Schülerwettbewerbs "Deutsche Geschichte" um den Preis des Bundespräsidenten im Wettbewerb 1993: "Denkmal: Erinnerung, Mahnung Ärgernis..." mit dem 4. Preis ausgezeichnet.

Die Erinnerungstafel

Die beispielhafte und nachahmenswerte Arbeit der Schülerinnen und Schüler hatte Erfolg und führte zur Errichtung einer Gedenkstätte an der von den Schülergruppe vorgeschlagenen Stelle zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter in Hassel. Die Gestaltung und der Text auf der Tafel wurde von den Jugendlichen vorgeschlagen. Im Sommer 1993 wurde die Erinnerungstafel an der Ecke Femestrasse/Am Freistuhl der Öffentlichkeit übergeben.

Erinnerungstafel Zwangsarbeiterlager Webringhaushof


Der Wettbewerbsbeitrag der 10 B der Hauptschule Eppmannsweg in Gelsenkirchen-Hassel:

Warum wir dieses Projektthema gewählt haben

Trotz großer Lager kein Hinweis auf Zwangsarbeiter in Hassel

Als wir uns im Unterricht mit den Lebensumständen von Jugendlichen während der Herrschaft des Nationalsozialismus befaßten, beeindruckte uns das Schicksal des jungen polnischen Zwangsarbeiters Walerjan Wróbel besonders. (1) Wir erfuhren von unserem Geschichtslehrer, daß es auch in Gelsenkirchen-Hassel Fremdarbeiterlager gab, bemerkten aber, daß in Hassel heute nichts mehr an diese Zwangsarbeiter des 2. Weltkrieges erinnert. Im Gelsenkirchener Nachkriegslesebuch fanden wir immerhin einen Hinweis, daß ein Lager am Sammelbahnhof in Hassel neben anderen Gelsenkirchener Lagern existierte. (2) Da sich uns die Möglichkeit bot, am Wettbewerb des Bundespräsidenten zur deutschen Geschichte teilzunehmen, entschloß sich die eine Hälfte der Klasse, der Lebens- und Arbeitssituation der Zwangsarbeiter nachzugehen mit dem Ziel, eine Gedenktafel zu errichten, um das Schicksal der Fremdarbeiter nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die andere Hälfte entschied sich, an einem Wettbewerb der Stadt Gelsenkirchen teilzunehmen und die Zuwanderung der türkischen Gastarbeiter nach Hassel in den 60er und 70er Jahren zu untersuchen. Wir sehen natürlich in beiden Projekten einen Zusammenhang.

Moschee auf ehemaligem Lagergelände mit Naziparolen beschmiert

Auf Grund der der derzeitigen Gewaltwelle gegen Ausländer in Deutschland erscheint uns unser Thema höchst aktuell, obwohl man sagen kann, daß hier in Gelsenkirchen-Hassel das Klima zwischen Deutschen und Ausländern ein relativ gutes ist. Von ca. 16.000 Einwohnern sind knapp 3.000 Ausländer. Deutsche wie Ausländer leben fast alle mehr oder weniger von der Kohle, denn Zeche. Kokerei und Kraftwerk sind die großen Betriebe.

Der Rohbau der Moschee am Freistuhl wurde mit Naziparolen beschmiert

Abb.: Der Moschee-Rohbau am Freistuhl auf dem Gelände des Lagers Wiebringhaushof wurde mit Naziparolen beschmiert

Doch auch hier kommt es immer wieder vor, daß rechtsextremistische Nazi-Parolen o. ä. geschmiert werden, z. B. auf die im Bau befindliche Moschee, die sich ausgerechnet auf dem Gelände eines damaligen Zwangsarbeiterlagers befindet. Dies hat uns mit dazu veranlaßt, mit der Aufdeckung des Zwangsarbeiterschicksals und dem Bemühen um eine Gedenktafel gegen die neue ausländerfeindliche extremistische Hetz- und Gewaltwelle einzutreten. Das scheint uns auch deshalb notwendig zu sein, weil es in Hassel eine lange Tradition der Beschäftigung von Ausländem gibt, ohne daß deren Brüche und dunkle Stellen bislang sichtbar sind. Dabei könnten doch gerade sie zum Nachdenken anregen. Schließlich hat zu unserer Themenwahl beigetragen, daß unsere Schule, die Hauptschule am Eppmannsweg, einen hohen Anteil ausländischer Schüler hat, wir uns also betroffen fühlen.

Erinnerung und Mahnung, nicht Schuldzuweisung

Unser Vorhaben soll allerdings weder eine Schuldzuweisung an ältere Hasseler noch eine Anklage gegenüber "den" Deutschen sein. Wir werden im Gegenteil zeigen können, daß sich viele Hasseler Bürger trotz schwerer Kriegszeiten, strenger Überwachung und ständiger Propagandabeeinflussung durchaus menschlich gegenüber den Zwangsarbeitern verhalten haben. Zwar müssen wir bestimmte unerfreuliche Dinge aufdecken, aber das geschieht zur Erinnerung an die Opfer und zur Mahnung, nicht als Abrechnung.

Wie wir unser Projekt durchführten

Vorbereitungen

Öffentlicher Aushang in Bremen: Die Todesstrafe für Walerjan Wrobel wurde vollstreckt

Abb.: Am 25. August 1942 wurde der nichtmal 18 Jahre alte polnische Zwangsarbeiter Walerjan Wrobel mit einem Fallbeil ermordet. Zur Bekanntgabe seiner Hinrichtung wurden an über 250 Stellen in Bremen Plakate aufgehängt.

Wir hatten zwar durch die Auseinandersetzung mit dem jungen polnischen Fremdarbeiter Walerjan Wrobel etwas über das Schicksal der Fremd- bzw. Zwangsarbeiter (1) erfahren, aber es war notwendig, sich für unser Forschungsprojekt erst noch genauer in das Thema einzuarbeiten. Dies taten wir mit Hilfe eines Informationstextes, den unser Geschichtslehrer zusammengestellt hatte. (2) Wir lasen den Text, hoben Wichtiges hervor, klärten Einzelheiten und offene Fragen und faßten unser Wissen dann so zusammen, daß wir es der anderen Gruppe verständlich vortragen konnten. Anschließend teilten wir uns in Kleingruppen (2 bis 4 Personen) auf und entwickelten Fragen für Interviews mit Zeitzeugen und Experten. Wir wollen nämlich diese Interviews bis auf eine gemeinsame "Eingangsrunde" als Kleingruppen oder sogar einzeln durchführen. Nur für den Erfahrungsaustausch und die Planung der weiteren Arbeitsschritte traten wir dann wieder als Gesamtgruppe zusammen. Außerdem lasen wir arbeitsteilig zu Hause noch einzelne Texte, die wir in der Bibliothek gefunden oder von unserem Lehrer erhalten hatten (siehe Literaturliste).

Suche nach Zeitzeugen

Wir versuchten, über mehrere Wege Zeitzeugen zu finden. Wir baten die Zeitungen, Aufrufe zu veröffentlichen, was die WAZ, die Buersche Zeitung und die Ruhr-Nachrichten auch taten. Radio Emscher-Lippe berichtete über unser Projekt. Wir sicherten uns die Vermittlungshilfe der Kirchen und erhielten von den Pfarrern der St. Michael-, Lukas-, St. Pius- und Markuskirche Senioren genannt, die die Zeit miterlebt hatten. Weiterhin fragten wir bei Heimatforschern, Parteien, Mitgliedern des ehemaligen "Geschichte von unten - Frauenarbeitskreises in der Evangelischen Jugend", dem Institut für Stadtgeschichte, verschiedenen anderen Einrichtungen und bei der Zeche Westerholt (Betriebsleitung und Betriebsrat) nach. Obwohl sich auf unsere Zeitungsaufrufe niemand meldete, erhielten wir so doch eine Reihe von Namen.

Leider schieden auch davon wieder etliche Personen aus; einige weil sie während des Kriegs nicht in Hassel waren, andere weil sie nichts sagen wollten bzw. es auch gesundheitlichen Gründen nicht mehr konnten. Darunter war auch eine 84jährige gebürtige Russin, die wir trotz Fürsprache durch den Pfarrer nicht dazu bewegen konnten, mit uns zu reden. Wir waren darüber betroffen, aber akzeptieren das selbstverständlich.

Dann probten wir Fragetechniken in Rollenspielen und riefen bei den Zeitzeugen an, um zu fragen, ob sie bereit wären, unsere Fragen zu beantworten. Es gelang, uns, bis zum Zeitpunkt dieser Textherstellung mit insgesamt 13 Zeitzeugen und einem bekannten Hasseler Heimatforscher ausführliche Gespräche zu führen, die wir zumeist mit dem Kassettenrecorder aufnahmen. Wir konnten dabei wichtige Informationen zusammentragen, und unser "Wissensmosaik" über die Hasseler Fremdarbeiter bekam zunehmend deutlichere Umrisse. In Einzelfällen erhielten wir sogar Fotos. Wir werteten die jeweils erhaltenen Aussagen aus und bemerkten dabei: Nicht immer stimmten sie überein, aber sie unterschieden sich in wirklich wesentlichen Punkten doch nur gering. Allerdings erhielten wir in einigen Bereichen nur vereinzelt oder ungenaue oder gar keine Auskünfte. Das war jedoch zu erwarten, weil wir keine Zeugen befragen konnten, die selber Zwangsarbeiter waren. Auch waren einige Zeugen damals noch sehr jung. Dennoch überraschte uns, wieviele Einzelheiten von den ausnahmslos über 60jährigen noch genau erinnert wurden. Wir waren davon sehr beeindruckt und verabredeten mit dem Seniorenkreis der Lukaskirche eine Fortsetzung der Gespräche auch auf anderen Gebieten. Über die Zwangsarbeiter in Hassel werden einige von uns ohnehin weiter zu forschen versuchen, denn noch gibt es zahlreiche weiße Flecken.

Weitere Nachforschungen

Zugleich suchten wir Hinweise in den hiesigen Archiven: Stadtarchiv Gelsenkirchen, Bergbauarchiv Bochum, Staatsarchiv Münster, Archiv der Zeche Westerholt. Doch wir waren nicht sehr erfolgreich. In Gelsenkirchen fanden wir zwar einiges, aber die Hauptakte OXVIII 937 war nicht auffindbar; in Bochum durften wir nicht kopieren; aus Münster und von der Zeche Westerholt erhielten wir die Antwort, daß keine Unterlagen vorhanden seien. Zum Glück erhielten wir von Heimatforschern, die früher in den Archiven waren, noch die eine oder andere Unterlage. Dennoch blieben, was die "amtlichen Daten" anbelangt, wichtige Punkte für uns unaufklärbar. Wir führten natürlich auch "Ortsbesichtigungen" durch: an den Stellen, wo früher die Lager gestanden hatten, und auf den sogenannten "Russen-Ehrenstätten" auf dem Hauptfriedhof in Gelsenkirchen-Buer, über die genaue Entstehung dieser Ehrenstätten hatte übrigens das Grünflächenamt keine Unterlagen mehr.

Umfragen

Weil wir die Aufstellung einer Gedenktafel anregen wollten, befragten wir mündlich oder schriftlich Bürger, Politiker, die Verwaltung der Stadt Gelsenkirchen und Betriebe wie die VEBA und die Zeche Westerholt nach ihrer Meinung zu diesem Plan. Schon hier möchten wir sagen, daß wir fast immer Antwort und auch viel Lob und Unterstützung erhielten. Daß viele Menschen wie wir für die Errichtung einer Gedenktafel sind, hat uns gefreut.

Diskussionen

Wir selbst diskutierten innerhalb der ganzen Klasse ausführlich über das Für und Wider, den Standort und das Aussehen der Gedenktafel und machten Vorschläge. Mit Herrn Bürgermeister Rehberg und Herrn Schul- und Kulturdezernenten Rose führte unsere Arbeitsgruppe anschließend ein Gespräch darüber. Wir fanden offene Ohren und Anerkennung. Auch die Pfarrer, denen wir unsere jetzt konkreten Vorstellungen mitteilten, stimmten mit einer Ausnahme voll zu. Wir informierten anschließend die Presse, um die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge zu unterrichten. Nun müssen wir abwarten, ob unsere Pläne tatsächlich finanziert und realisiert werden. Unser letzter Arbeitsschritt war, gemeinsam eine Gliederung und dann im arbeitsteiligen Verfahren diesen Text mit den dazugehörigen Unterlagen zu erstellen. Das genaue Formulieren war für uns vielleicht die mühevollste Aufgabe, und unser Geschichtslehrer mußte uns immer wieder helfen und aufmuntern. Da wir Computer benutzten und z.T. Erfahrungen mit der Herausgabe einer Schulzeitung besitzen, haben wir aber auch diesen Teil dank einer Überschicht am Samstag und Sonntag gerade noch rechtzeitig zu einem (vorläufigen) Abschluß bringen können.

Was wir über das Schicksal der Zwangsarbeiter in Hassel herausfanden

Wann und woher kamen die Zwangssarbeiter nach Hassel

Beginn 1940

Die erste amtliche Erwähnung von Zwangsarbeitern in Hassel fanden wir für 1941 (1). Es scheinen aber schon 1940 polnische und wohl auch französische und belgische. Kriegsgefangene in der Landwirtschaft eingesetzt worden zu sein. (2) Spätere Listen führen neben diesen Nationalitäten noch Kroaten. Italiener und eine alle anderen weit übersteigende Zahl von Russen an.

Wie Vieh transportiert

Zwangsarbeiter werden in ein Lager eingewiesen

Abb.: Zwangsarbeiter werden in ein Lager eingewiesen

Der größte Teil dieser Ausländer waren Kriegsgefangene. Ein kleinerer Teil setzte sich aus Zivilarbeitern zusammen, die aber vermutlich ebenfalls verschleppt worden waren. (3) Darunter waren auch russische Frauen. Die Unterscheidung zwischen Kriegsgefangenen und zivilen Fremdarbeitern lässt sich aus den unterschiedlichen Bezeichnungen ablesen (z. B. Russen und Ostarbeiter). Sie war deshalb wichtig, weil die Kriegsgefangenen noch eingeschränkter leben mussten als ihre Landsleute, die nicht Soldaten gewesen waren. Das galt vor allem für die Russen, die sich nach übereinstimmender Auskunft nirgendwo frei bewegen konnten. Da alle diese Ausländer Zwangsarbeit leisten mußten, werden sie hier einfach zumeist Zwangsarbeiter genannt. Dennoch gab es noch einen großen Unterschied zwischen ihnen. Während die Westeuropäer weitgehend wie Menschen angesehen wurden, waren die Osteuropäer offiziell "Untermenschen". Hier waren nach Aussagen aller Zeitzeugen die Russen wieder besonders schlecht dran. Das zeigte schon ihr Transport aus ihrer Heimat: "im Güterwagen, zusammengepfercht wie Vieh, getreten, geschubst." (4)

Welche Zwangsarbeiterlager gab es in Hassel?

Standorte der Lager

Die Zeitzeugen, Heimatforscher und verfügbaren Archivunterlagen machten über die Zahl, die Standorte, die Entstehung und die Größe der Lager in Hassel keine ganz einheitlichen Aussagen. Insgesamt sind uns 5 Lager genannt worden: Wiebringhaushof (heute Wohn- und Gewerbegebiet Femestraße/Am Freistuhl), ehemaliger Zechensportplatz (heute Kraftwerk Westerholt), Heihoffshof (heute Kokerei Hassel), Vicarie Storchennest (heute Grüngebiet Nähe Schrebergarten Wilhelmsruh) und Oberfeldingen (noch vorhanden Nähe Bahnhof Hassel).

Verwirrende Lagerbezeichnungen

Einen Hinweis auf das Lager Oberfeldingen haben wir im Bergbau-Archiv gefunden. Dort sollen im November 1943 120 Lagerplätze belegt worden sein, u. a. von Belgiern, Franzosen, Polen und Russen bzw. Ostarbeitern. Von diesem Lager wußten jedoch die befragten Zeitzeugen nichts. Sie bestritten sogar, daß im Haus Oberfeldingen Zwangsarbeiter untergebracht waren. (2) In der Vicarie Storchennest wurden französische Kriegsgefangene in einer Baracke untergebracht. (3) Die Lager Wiebringhaushof, Heihoffshof und Zechensportplatz lagen im Bereich des Sammelbahnhofs Hassel. Dies könnte erklären, warum das Wort "Lager Sammelbahnhof" öfters in den Unterlagen vorkommt, zumal damals ein heute nicht mehr vorhandener Weg von Wiebringhaushof über Heihoffshof zur Marler Straße und damit zum Zechensportplatz führte. Vermutlich durften diese drei Lager zusammengehört haben. Dies bestätigten einige Zeitzeugen. (4) Dafür spricht auch, daß dort Zwangsarbeiter untergebracht wurden, die vor allem in den zur Hibernia AG gehörenden Hasseler Zechen Westerholt und Bergmannsglück als Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Für uns war es allerdings verwirrend, daß die Bezeichnungen Wiebringhaushof und Sammelbahnhof öfters nebeneinander verwendet wurden.

Über 2000 Zwangs- und Fremdarbeiter

Wieviele Fremdarbeiter in den einzelnen Lagerteilen untergebracht wurden, läßt sich verschiedentlich aus Listen ablesen. 1941 waren im Bereich Sammellager 493 Fremdarbeiter. Bis 1943 stieg die Anzahl der in diesen Lagern untergebrachten Zwangsarbeiter auf 2.320. Mehr als die Hälfte davon waren Ostarbeiter (Russen), auch 80 weibliche. (5)

Entstehung der Lager

Die Gebäude der Lager Heihoffshof, Vicarie Storchennest und (falls es tatsächlich bestanden hat) Oberfeidingen waren schon vor Kriegsbeginn vorhanden. Die Lager Wiebringhaushof und Zechensportplatz wurden während des Krieges errichtet. Über das Lager Wiebringhaushof haben wir einen genauen Lageplan und weitere Planungsunterlagen. Danach dürfte das Lager ab 1940 entstanden sein. Ein Plan zur Erbauung eines Lagers nördlich des Sammelbahnhofs, also dem Zechensportplatz, wurde schon während des 1. Weltkrieges skizziert. (6)

Erstaunlich ist, daß Gebäude auf dem Stadtplan aus der Kriegszeit kaum erkennbar sind. Wir können daher nicht sagen, wie das Lager ausgesehen hat. Ein Zeitzeuge berichtete uns aber, daß er als Lehrling bei der Errichtung des Lagers 1942 - 1943 mitgearbeitet hat und daß es recht groß war. (7)

Wie waren die Unterkünfte in den Lagern?

18 Menschen auf 44 qm

In den großen Lagern, das zeigen die Dokumente für Wiebringhaushof, bestanden die Unterkünfte aus primitiven Holzbaracken, die schnell zu bauen waren. (1) Sie hatten unterschiedliche Größe. In den großen Baracken gab es 8 Schlafsäle für jeweils 16 Zwangsarbeiter. In den kleineren Baracken gab es 4 Schlafsäle für jeweils 18 Fremdarbeiter. In den Schlafsälen standen doppelstöckige Pritschen, die als Auflage Strohsäcke hatten. Es gab Decken, ohne Bezüge. (2) Die 16 Zwangsarbeiter hatten nur 38 qm zur Verfügung, die 18 Fremdarbeiter 44 qm.

Waschmöglichkeiten vorhanden

Nach den Plänen müssen die Wasseranschlüsse innerhalb der Baracke gewesen sein, doch wurde uns von Zeitzeugen auch erzählt, daß Wasseranschlüsse außerhalb waren. (3) Das Wasser gab auf jeden Fall eine Waschmöglichkeit für die Kleidung, da die Zeitzeugen berichteten, daß die Zwangsarbeiter/innen trotz ihrer Lumpen sauber aussahen. In den Baracken gab es zwischen zwei Schlafsälen einen kleinen Gemeinschaftsraum, wo die Fremdarbeiter zusammen kamen. Außerhalb war eine große Wirtschaftsbaracke mit Saal vorhanden. Laut Aussage einiger Zeitzeugen gab es in den Baracken Kanonenöfen, mit denen man wahrscheinlich in der kalten Jahreszeit geheizt hat, obwohl sich die Zeugen nicht sicher waren, ob ausreichend geheizt wurde.

Eingezäunt und bewacht

Eine Gruppe so genannter 'Ostarbeiterinnen'

Abb.: Eine Gruppe so genannter "Ostarbeiterinnen"

Die großen Lager am Sammelbahnhof waren mit Stacheldraht hoch eingezäunt und bewacht. Bewacht wurden sie von Deutschen, die aus verschiedenen Gründen nicht in den Krieg gehen konnten oder mußten. SS war nicht beteiligt. (4) Die Wachmannschaft der Lager hatte eine besser ausgestattete Baracke für sich. Anderen Deutschen war das Betreten der Lager verboten.

Die Zwangsarbeiter, die bei den Bauern arbeiteten, wohnten z. T. auf den dortigen Höfen, um den Hin- und Rückweg zu sparen. Darunter waren auch Ostarbeiterinnen. Diese durften in die großen Lager zu ihren Landsleuten gehen und taten das auch.

Wie wurden die Zwangsarbeiter verpflegt?

Hunger!

Hinsichtlich des Essens können wir keine ganz genauen Aussagen machen. Übereinstimmend berichteten die Zeitzeugen aber zwei Dinge. Die Osteuropäer waren gegenüber den Westeuropäern deutlich bei der Essensvergabe benachteiligt. Das lag nicht nur daran, daß die Westeuropäer zusätzlich vom Roten Kreuz ihrer Heimat Pakete bekamen. Besonders die Osteuropäer hatten deshalb stets sehr großen Hunger. Sie waren abgemagert und sahen zum Erbarmen aus. Das Essen, was die Osteuropäer bekamen, bestand wahrscheinlich aus einer Steckrüben- oder Kohlsuppe, also einer Art Wassersuppe, und einem Stück trockenen Brot. Ein Zeitzeuge berichtete, daß es in einem großen Speiseraum entsetzlich sauer gerochen habe wie nach "Schweinetopf". (1) Das sehr Wenige, was die Zwangsarbeiter erhielten, bekamen sie unregelmäßig. Im Lager Zechensportplatz wurden die Essensanlieferungen wahrscheinlich sogar vom Verwalter eingesteckt und verkauft. (2)

Essensausgabe an ZwangsarbeiterInnen

Abb.: "Essensausgabe" an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

Da die Zwangsarbeiter ständig hungerten, bastelten sie aus Draht Spielzeuge und aus Messing Ringe, die sie heimlich gegen ein Stück Brot oder Salz für ihre Sonnenblumen getauscht haben. Wurden sie bei einem Tauschgeschäft erwischt, konnte es passieren, daß sie zusammengeschlagen wurden. (3) Sie waren sehr vorsichtig und haben aber immer geguckt, wo sie was kriegen konnten. Oft bekamen sie von deutschen Zivilisten heimlich was zugesteckt. Auswege, um an Essen zu kommen.

Uns wurde von einem Zeitzeugen erzählt, daß wahrscheinlich die Frauen (Gefangene) manchmal auch ihren Körper für ein Stück Brot verkauft haben, obwohl eigentlich den Deutschen jeglicher Kontakt zu Zwangsarbeitern verboten war. Dies wurde aber nicht immer eingehalten. (4) Es kam auch vor, daß die Zwangsarbeiter in ihrer Not stahlen. Eine Zeitzeugin erzählte von einer Ukrainerin, die auf dem Bauernhof für ihren Freund im Lager Zechensportplatz stahl. (5)

Wie war es mit dem Aussehen und der Kleidung der Zwangsarbeiter?

Kahlgeschoren, mager und krank

Die osteuropäischen Zwangsarbeiter waren kahlgeschoren, die Zwangsarbeiterinnen trugen zumeist Kopftücher. Diese trugen sie aber oft so, daß man die schönen Haare sehen konnte. Viele russische Frauen und Männer sahen körperlich alt aus, weil sie vor Hunger und Arbeit mager und krank waren. Dabei waren viele von ihnen noch sehr jung, sogar unter 20. (1)

Trotz schlechter Waschmöglichkeiten große Sauberkeit

Die russischen Zwangsarbeiterinnen galten als sehr hübsch. Das Bild eines Zeitzeugen beweist es. Eine Zeitzeugin berichtete von einer Ukrainerin, die sich durch schöne Kopftücher für ihren Freund (Russe) im Lager Zechensportplatz zurecht machte. (2)

Lumpen und Holzschuhe

Alle Zeitzeugen sagten: Die Kleidung der russischen Zwangsarbeiter in den Lagern war sehr schlecht, eigentlich nur Lumpen, weil sie die Kleidung, mit der sie gekommen waren, nicht erneuern konnten. Die zivilen Ostarbeiter mußten ein Schild "Ost" auf der Kleidung tragen. Schuhe und Strümpfe waren oft nicht vorhanden. Stattdessen wurden Fußlumpen oder eine Art Holzschuh benutzt. Auch an Unterwäsche fehlte es. Was auf dem Leibe getragen wurde, mußte abends gewaschen und bis zum Morgen getrocknet werden (3). Dennoch wurden die Osteuropäerinnen als sehr sauber beschrieben. Natürlich waren die Menschen, die bei Bauern arbeiteten, und die Westeuropäer wieder viel besser dran. Sie erhielten ab und zu etwas geschenkt. Wahrscheinlich bekamen die Zwangsarbeiter im Bergwerk Arbeitskleidung. Hatte man keine Schuhe, mußte man wahrscheinlich barfuß arbeiten, auch unter Tage. (4)

Wo wurden die Zwangsarbeiter eingesetzt?

Ersatz für deutsche Arbeiter

Als der Krieg anfing, wurden deutsche Zivilisten zur Wehrmacht eingezogen. Man begann, sie durch ausländische Zwangsarbeiter zu ersetzen. Als sich der Krieg ausweitete, brauchte man immer mehr Zwangsarbeiter, weil sehr viele deutsche Soldaten umkamen, an deren Stelle nun deutsche Zivilisten treten mußten, und man überhaupt immer mehr Soldaten benötigte. (1)

Schwerpunkt Bergbau

Die Zwangsarbeiter (Polen, Franzosen, Belgier, Italiener, Russen) wurden in den verschiedensten Arbeitsbereichen eingesetzt. Die Mehrzahl, vor allem die Menschen aus der Sowjetunion, wurden in den Bergwerken Westerholt und Bergmannsglück beschäftigt, und zwar unter Tage und über Tage. Unter den über Tage eingesetzten Zwangsarbeitern befanden sich auch Frauen. (2) Die Zwangsarbeiter arbeiteten anfangs mit den Deutschen zusammen, doch wurden später wohl auch reine "Russenreviere" mit einem deutschen Vorarbeiter ("Rutschmann") gebildet.

Einsatz überall

Die Westeuropäer und Polen sowie die russischen Frauen wurden besonders in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Landwirte konnten sie offensichtlich anfordern. (3) Es gab auch kleine Betriebe (Bäckereien, Schreinereien), die Zwangsarbeiter beschäftigten. Man konnte sich sogar Zwangsarbeiter ausleihen, die einem bei Reparaturen nach Bombenangriffen halfen. So konnte sich z. B. ein Zeitzeuge als damals 13jähriger zwei Russen auf der Zeche Bergmannsglück abholen und hinterher zum Lager Wiebringhaushof zurückbringen. (4) Das Beseitigen von Trümmern und Wiederherstellen von Werksanlagen gehörte nach übereinstimmender Aussage seit 1943 zu ihren Hauptaufgaben. Dabei mußten sie auch helfen, die Leichenteile von Menschen, die bei Bombenangriffen ums Leben gekommen waren, einzusammeln (5). Einige Zwangsarbeiter wurden bei besonders gefährlichen Arbeiten eingesetzt. Sie mußten z. B. Bomben entschärfen, wobei einige wahrscheinlich beim Entschärfen in die Luft flogen.

Laut Aussagen mehrerer Zeugen, hatten es; die Zwangsarbeiter, die in der Landwirtschaft tätig waren, viel besser als die, die im Bergbau tätig waren. Sie wurden besser versorgt, besser behandelt und mußten nicht so hart arbeiten. Auch die Zwangsarbeiter, die in Kleinbetrieben (z. B. als Bäcker) tätig waren, und die Zwangsarbeiter, die ausgeliehen wurden, hatten es in der Regel besser.

Über 9 Stunden harte Arbeit

Wir konnten nicht ganz genau ermitteln, wie lange diese Zwangsarbeiter zu arbeiten hatten. Aber es waren sicher 9 bis 10 Stunden mindestens. Damals mußten allerdings auch die Deutschen oft überstunden oder Zusatzschichten machen (höchstens sonntags frei).

Harte Arbeit ohne Lohn

Die Zwangsarbeiter in den Bergwerken mußten nach übereinstimmender Aussage der Zeitzeugen, die damals Bergleute waren. 3 Wochen durcharbeiten. Für ihre Arbeit bekamen sie dann nach Ansicht der Zeitzeugen keinen Lohn, wohl aber mehr zu essen, nämlich Zusatzbrote. Einen freien Tag, falls es ihn gab, mußten die kriegsgefangenen Russen im Lager verbringen. Sie hatten keinen Ausgang.

Strenge Bewachung

Zwangsarbeiter, die im Bergbau tätig waren, mußten viele Schikanen über sich ergehen lassen. Nach dem zumeist sehr frühen Aufstehen, wurden sie wahrscheinlich durchgezählt, damit man nach der Arbeit, die sie verrichten mußten, die Zahl vergleichen konnte, um zu wissen, ob einer fehlte. (6) Dann wurden sie in Kolonnen nach übereinstimmender Aussage aller Zeitzeugen streng bewacht zur Arbeit gebracht. Es gab dafür extra eingesetzte Aufseher, die ständig Kolonnen hin und her bringen mußten. (7) Diese Aufseher haben sich sehr unterschiedlich verhalten, je nachdem wie menschlich sie waren.

Essen aus dem Blechnapf

Bei der Arbeit im Bergwerk wurden die Zwangsarbeiter ebenfalls nicht immer gleich behandelt. Es gab Schläger, die Zwangsarbeiter selbst dann zusammen schlugen, wenn sie die Arbeit nur deshalb nicht ordentlich machten, weil sie vor Schwäche zusammenbrachen. (8) Hingegen bestand zwischen den normalen deutschen Arbeitskollegen und den Zwangsarbeitern wahrscheinlich ein recht gutes Verhältnis. Manchmal brachten die Deutschen ihnen sogar Butterbrote mit, wagten es aber nicht, gegen schlimme "Rutschmänner" was zu unternehmen. (9)

War die Schicht zu Ende, mußten die Zwangsarbeiter so lange mit der Ausfahrt warten, bis die deutschen Arbeiter oben waren. (10) Sie konnten in der Kaue duschen, offensichtlich in einem abgeteilten Teil. Dann ging es unter Bewachung wieder zum Lager, wo erst ein Zählappell stattfand. Anschließend gab es Essen, das in einen Blechnapf geschüttet wurde. Danach mußte oft noch die Wäsche gewaschen werden. (11)

Keine Freizeit

Im Winter oder falls es mal Strafappelle gegeben haben sollte, blieb sicher nur noch Zeit zum Schlafen. Aber im Sommer, gab es da Freizeit? Die russischen Kriegsgefangenen durften das Lager nicht verlassen. Im Lager konnten sie jedoch kaum etwas unternehmen. Es gab ja keine Freizeitangebote. So mußten diese Menschen vor sich hinvegetieren", denn sie hatten nichts, was das Leben lebenswert machte. (12) Wie wir schon gesagt haben, bastelten sie viel.

Ein Zeitzeuge konnte sich auch erinnern, russische Volkslieder aus dem Lager gehört zu haben. (13) Manchmal kam es auch zu Liebesbeziehungen zwischen russischen Männern und Ostarbeiterinnen, die ja selbst ins Lager durften, wenn sie bei den Bauern wohnten. Eine Ukrainerin, die bei den Eltern einer Zeitzeugin auf dem Bauernhof lebte, wurde sogar schwanger. Das Kind kam aber nicht mehr in Hassel zur Welt, weil der Krieg zu Ende war. (14)

Gottesdienste nur für Franzosen

Wir haben schon gesagt: Die Zwangsarbeiter außerhalb der Lager hatten es bei der Arbeit und der Freizeit deutlich besser. Es gab viel engere Kontakte mit den Deutschen, obwohl das eigentlich verboten war. Die Westeuropäer konnten manchmal als Freigänger sogar einen "saufen" gehen. (15) Aber trotzdem war der 14jährige deutsche Lehrling der "Chef" für die erwachsenen Männer, auch wenn diese Männer in ihrem Heimatland Meister waren. (16)

Interessant war noch, daß es für die Franzosen in der St.-Michael-Kirche ab und zu Gottesdienste gab. Da der Pfarrer fließend polnisch sprechen konnte, hat er sich vielleicht auch um die Polen etwas mehr kümmern können. Gottesdienste wurden für sie aber wohl nicht gehalten. Die Russen waren ebenfalls religiös. Ein Zeitzeuge traf sie einmal beim Beten in der Baracke. (17) Aber eine religiöse Betreuung ist niemals beobachtet worden.

Wie wurden die Zwangsarbeiter behandelt?

Menschen wie Tiere behandelt

Polen und Russen wurden den Deutschen durch die nationalsozialistische Propaganda als minderwertig dargestellt und sollten und durften menschenunwürdig behandelt werden (l). Sie wurden wahrscheinlich oft im Lager und bei der Arbeit geschlagen, wenn sie etwas falsch gemacht hatten.(2) Fast alle trugen schlechte Kleidung. Sie hatten wahrscheinlich absolut keine Rechte. Im Gegensatz zu ihnen wurden die westeuropäischen Zwangsarbeiter besser behandelt. Alle Zeitzeugen berichteten, daß insbesondere die sowjetischen Zwangsarbeiter/innen, stets voller Angst waren, egal ob sie beim Beten angetroffen wurden oder nach Aufräumarbeiten bei Privatleuten etwas mitessen sollten. (3) Sie mußten zumindest Prügel befürchten, selbst wenn sie auf der Straße nur Kippen aufhoben oder Gebasteltes anboten (4). Natürlich gab es auch nette Aufseher und Vorarbeiter, aber viele Deutsche dachten bei der Behandlung der Zwangsarbeiter nicht nach. Ständige Beeinflussung durch die Propaganda, Machthunger und schlechter Charakter sorgten wahrscheinlich dafür. Daß auch die russische Propaganda verfälschte, zeigte ein fast lustiges Erlebnis eines Zeitzeugen: Zwei russische Reparaturarbeiter sahen ein Bild von Hitler und waren ganz erstaunt, denn sie hatten ihn sich mit langer Nase und nur einem Auge vorgestellt. (5)

Ärztliche Betreuung schlecht

Die ärztliche Betreuung der östlichen Zwangsarbeiter soll schlecht gewesen sein. Krankfeiern kam trotz Unterernährung und Krankheiten nicht in Frage. Im "Institut für Stadtgeschichte" in Gelsenkirchen gibt es nicht ohne weiteres benutzbare Aktenberge über schlimme Krankheiten und Unfälle, durch die viele Zwangsarbeiter starben. (6) Es gab wahrscheinlich unter den Zwangsarbeitern Ärzte, die die Kranken versorgten. (7) In ganz gefährlichen Krankheitsfällen sowie bei Unfällen und Bombenabwürfen konnten aber auch Russen ins Krankenhaus gebracht werden: zumeist ins Marienhospital oder ins Bergmannsheil in Buer.

Bei Luftangriffen durften die westeuropäischen Zwangsarbeiter die Bunker aufsuchen. Bei den Russen waren die Aussagen unterschiedlich. (8) Das könnte je nach Lager und Arbeitsstätte verschieden geregelt worden sein. Ein Zeitzeuge berichtete, daß er als Lehrling auf dem Hydrierwerk (heute Veba Oel Scholven) sogar mit anderen Deutschen eine Kette bilden mußte, weil die russischen Zwangsarbeiter aus Angst vor den explodierenden Bomben in einen Bunker eindringen wollten. (9) So gab es immer viele Tote, und mancher Zeitzeuge hat schreckliche Bilder vor Augen. (10) Der Bombenangriff vom 29.12.1944 war besonders schlimm. Opfer wurden Zwangsarbeiter und Deutsche, weil der Angriff so plötzlich kam. Die Zeche Bergmannsglück und viele Wohnhäuser wurden zerstört.

Heimliche Hilfe

Ein anderer Zeitzeuge erzählte uns, daß sein Vater heimlich Zwangsarbeiter mit in die Bunker nahm, aber fast bestraft worden wäre. Die Zwangsarbeiter leisteten kaum offenen Widerstand gegen die schlechte Behandlung. Sie ließen fast alles mit sich machen, weil es sonst noch schlimmer gekommen wäre. Vermutlich versuchten einige zu flüchten. Aber wohin sollten sie gehen? Westeuropäische Zwangsarbeiter hatten es deutlich besser. Sie konnten selbstbewußter auftreten. Sie waren auch besser über den Kriegsverlauf informiert (11). Aber natürlich waren sie trotzdem nicht gerne in Deutschland (12).

Wie verhielt sich die Hasseler Bevölkerung zu den Zwangsarbeitern?

Kontakte verboten

Kontakte jeglicher Art zu Zwangsarbeitern waren verboten, erst recht körperliche. Doch Deutsche hatten dennoch recht offene Kontakte zu westeuropäischen Zwangsarbeitern, da sie auch offiziell als Menschen angesehen wurden und ausgehen durften. Aber Beziehungen zu Russen waren strafbar. Dies wurde zum Glück nicht voll eingehalten. Wir hörten immer wieder glaubhaft, daß einzelne Deutsche ihnen Essen gaben, Spielzeug gegen Tabak usw. eintauschten, bei der Arbeit freundlich mit ihnen umgingen und halfen.

Rückseite des Bildes mit Widmung

Abb.: Rückseite des Bildes mit Widmung

Ein Zeitzeuge hatte sogar eine russische Freundin, mit der er sich traf. (l) Sie schenkte ihm ein Bild von ihr mit einer Widmung. Kennengelernt hatte er sie, weil sie ihm im Bergwerk immer die Grubenlampe so schön putzte. Auch eine unserer Zeitzeuginnen berichtete von einem sehr netten Verhältnis zu der Ukrainerin auf dem Bauernhof. Besonders beeindruckend war für sie, daß diese junge Frau beim Bügeln den Mund voll Wasser nahm und dann die Wäsche anfeuchtete. (2)

Angst und Helmweh

Doch nicht alle Deutschen hatten solch eine Einstellung zu Zwangsarbeitern, da man ihnen von klein an sagte, daß diese Menschen gefährlich oder wie Tiere wären. Offenen Widerstand gegen solchen Unsinn konnte sowieso niemand wagen. Aber viele Deutsche wunderten sich doch, daß die Russen anders waren, als man es ihnen gesagt hatte. Sie lernten nach übereinstimmender Aussage z.B. erstaunlich schnell, sich in der deutschen Sprache zu verständigen. Manche sprachen sogar sehr gut Deutsch. Wie schlimm mußten sie sich also fühlen! So ist zu verstehen, daß neben ihrer Angst ihr großes Heimweh allen Zeitzeugen auffiel.

Was geschah mit den Zwangs- und Fremdarbeitern nach dem Kriege?

Umsturz

Der Krieg war in Hassel bereits am 31. März 1945 zu Ende. Bis dahin hatten die Deutschen keine Angst vor den Zwangsarbeitern, aber jetzt begannen sie sich zu fürchten.

Gezielte Rache und Plünderung

Nach dem Krieg rächten sich auch einige Zwangsarbeiter, aber offensichtlich ganz gezielt an den Leuten, die sie sehr schlecht behandelt, brutal zusammengeschlagen hatten. Man hat versucht, diese Peiniger aufzuhängen, (1) Sie plünderten auch Bauernhöfe und Läden, um ihren Hunger zu stillen. Wer sich geweigert hat, etwas zu geben, wurde umgebracht oder zusammengeschlagen. So kamen bei einem Überfall auf den Bauernhof der Eltern eines Zeitzeugen die Schwester und ein älterer Nachbar um, als sie eine Truhe vor die Tür zu stellen versuchten. Die Räuber schossen jedoch durch die Tür. (2) Derselbe Zeitzeuge und seine Frau berichteten jedoch auch: Als man die entlassenen Zwangsarbeiter auszahlte, sie also Geld hatten, haben sie aufgehört zu plündern; zumindest in Hassel wurde es besser. Sie kamen jetzt fast täglich kaufen, was sie brauchten, z.B. Eier, Milch usw. Fahrräder usw. wurden jedoch wohl noch weiter gestohlen.

Heimkehr

Das Lager Wiebringhaushof nach dem Krieg

Abb.: Das Lager Wiebringhaushof nach dem Krieg

Am Wiebringhaushof wurden die jetzt freien Ausländer zuerst von den Alliierten gesammelt und von dort aus in ihre Heimatländer zurückgeschickt. Wahrscheinlich aber blieben einige hier, z.B. bei den Bauern. (3) Von den Russen heißt es, daß sie in ihrer Heimat noch einmal schlimm behandelt wurden. Man warf ihnen vor, mit den Deutschen zusammengearbeitet zu haben. (4)

Eine Entschädigung von der deutschen Regierung oder den deutschen Firmen haben sie auch später wohl nicht bekommen. (5) In den Jubiläumsschriften der Zechen Westerholt und Bergmannsglück sowie der Veba Oel fanden wir kein Wort über die Zwangsarbeiter. Über die Produktionssteigerung im Krieg bis 1944 aber stand etwas drin. (6) Vergessen?

Gräber und Gedenkstätten

Zwangsarbeiter, die in Hassel während des Krieges verstorben oder getötet worden waren, wurden wohl in vielen Fällen auf der Hauptfriedhof Buer beerdigt. (7) Wie das ablief, wissen wir nicht. Ein Zeitzeuge hat auch Gräber auf dem Lagergelände Zechensportplatz gesehen. (8) Wann diese Toten umgelegt wurden, ist nicht bekannt. Wir glauben aber nicht, daß in Buer alle toten Zwangsarbeiter aus Hassel liegen können Die Zahl der Gräber ist jedenfalls zu klein.

Große Ehrenstätte für Zwangsarbeiter auf dem Hauptfriedhof Buer

Abb.: Große Ehrenstätte für Zwangsarbeiter auf dem Hauptfriedhof Buer

Heute sind die Gräber sogenannte "Russen-Ehrenstätten". Dort liegen aber nicht nur Russen, sondern auch andere Nationalitäten. (9 Auf den einfachen Gedenksteinen steht etwas in russischer Sprache, nicht in Deutsch Die Grabsteine sind flach. Auf ihnen stehen die Namen (je 2) und das Datum des Todes (auf der kleinen Ehrenstätte alle am 13. Juni 1944) oder das Geburts- und Todesjahr (auf der großen Ehrenstätte).

Man kann sehen, daß die meisten Zwangsarbeiter sehr jung starben. Oft steht auch unbekannt. In welchem Lager die Beerdigten waren, konnte uns niemand vom Grünflächenamt sagen. Es sind aber sicher nicht alle aus Hassel. Dort war z.B. am 13. Juni 1944 kein großer Bombenangriff. Im Grünflächenamt gibt es auch keine Unterlagen mehr, wann die Ehrenstätten so gestaltet worden sind. Wahrscheinlich zu Beginn er 50er Jahre. (10) Als wir die Ehrenstätten besuchten, lag auf einem Grab eine frische Blume. Ein Zeitzeuge hatte ähnliches schon kurz nach dem Kriege erlebt. (11) Es gibt noch weitere Ehrenstätten auf Friedhöfen in Gelsenkirchen, z.B. in Horst-Süd. (12) Wir haben sie aber nicht besucht.

Das Ende der Lager

Die großen Lager bestanden nach dem Kriege noch fort. Die Baracken würden aber erneuert (z.B. teilweise durch Steinbauten ersetzt). Das Lager Wiebringhaushof wurde erst zu Beginn der 70er Jahre abgerissen, als Altenwohnungen gebaut wurden. Später kamen andere Gebäude hinzu. (12) Bis dahin wohnten Bergleute in ihnen, die aus vielen Gegenden Deutschlands und anderswoher gekommen -waren, aber noch keine Wohnung hatten. Darunter waren aber noch keine türkischen Gastarbeiter. Das Lager Zechensportplatz wurde abgerissen, als in den 50er Jahren das Kraftwerk Westerholt zwischen Marler Straße und Valentinstraße gebaut wurde. (13)

Wie wir über die Zwangs- und Fremdarbeiter denken

Wir denken, daß sich die Zwangsarbeiter wahrscheinlich sehr verlassen gefühlt haben, da sie für lange Zeit in einem fremden Land ohne Hilfe leben mußten. Sie wurden ja sogar als so genannte "Untermenschen" behandelt, wenn sie aus Osteuropa kamen. Unter solchen Umständen zu leben, muß grauenhaft gewesen sein. So etwas kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Ohne eine kleine Chance zu fliehen und ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu sein, muß wahrscheinlich für einen Menschen schrecklich sein. Wir meinen, dieses darf nie wieder vorkommen, weil alle Menschen grundsätzlich gleich sind und das gleiche Recht auf Leben haben.

Unser Nachdenken über Sinn und Aussehen einer Gedenktafel

Wir haben über die Frage, ob es heute überhaupt noch sinnvoll sein kann, mit einer Gedenktafel an Zwangsarbeiter erinnern zu wollen, mit der gesamten Klasse diskutiert. Unser Ausgangspunkt war dabei, daß wir selbst ohne Ausnahme bislang Denkmäler oder Gedenktafeln kaum beachtet haben. Sofern wir überhaupt eine(s) nennen konnten, z. B. die vor einigen Monaten errichtete Gedenktafel für die ehemalige Synagoge in der Nähe des Hallenbades in Gelsenkirchen-Buer oder das Ehrenmal für die Kriegstoten in Marl-Polsum, so konnte sich keiner an Einzelheiten, z. B. den Text, erinnern.

Wir haben uns in diesem Zusammenhang gefragt, welche Gedanken uns kommen, wenn wir ein Denkmal sehen. Uns wurde klar, daß wir es offensichtlich kaum wahrnehmen, geschweige denn darüber nachdenken. Dabei wissen wir natürlich, daß solch ein Ehrenmal nicht "umsonst" da steht, sondern erinnern, mahnen, ehren will.

Wir mußten aber ehrlich gestehen, daß wir uns noch nicht davon haben ansprechen lassen. Einige Schüler/innen überzeugten uns, daß Denkmäler trotzdem nicht einfach sinn- und nutzlos sind, sondern die Erinnerung an Vergangenes durchaus anregen und durch Form oder Schrift die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken vermögen, was sonst nicht beachtet worden wäre. Zwar sind wir, wie die obigen Beispiele zeigen, nicht darüber traurig geworden, was damals los war, aber wir sind ja noch jung und können vieles Sxoch nicht richtig einschätzen. Andere, vor allem ältere Personen, werden sicher nicht einfach an solchen Gedenktafeln oder Denkmälern vorbeigehen, erst recht nicht, wenn sie Betroffene sind oder kennen. Auch wir werden ja künftig manches mit anderen Augen sehen.

Aussehen der Gedenktafel

Um das Problem noch konkreter anzugehen, überlegten wir uns an dieser Stelle, wie eine Gedenktafel für die Hasseler Zwangsarbeiter aussehen könnte, denn wir wollen ja schließlich die Leute dazu bringen, die Gedenktafel auch wirklich anzusehen. Wir griffen dazu auf Abbildungen bestehender Gedenktafeln aus ganz Deutschland zurück die an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft erinnern. (1)

Die Klasse war einstimmig der Meinung, die Gedenktafel solle möglichst einen knappen, aber gut verständlichen Text haben und durch einen Lagerplan ergänzt werden. Damit war der Vorschlag verbunden, die Gedenktafel dort zu errichten, wo eines der größten Lager war, das Lager Wiebringhaushof. Das Gelände ist heute völlig neu bebaut mit Altenwohnungen, modernen Wohnhäusern, einem Jugendheim, einem Supermarkt und einer Moschee. Die Inschrift könnte lauten: Durch diese Gedenktafel soll an die ausländischen Zwangsarbeiter in Hassel während des 2. Weltkrieges erinnert werden. Sie waren in mehreren Lagern untergebracht. Das größte Lager stand auf diesem Gelände. Die über 2.000 Zwangsarbeiter, die hier unter unmenschlichen Bedingungen leben und arbeiten mußten, waren hauptsächlich Russen. Solche Unmenschlichkeiten dürfen nicht noch einmal geschehen.

Standort der Gedenktafel

Der rechte Standort wollte uns erst nicht einfallen, weil die Gebäude von viel Grün umgeben sind, so daß eine Gedenktafel an einer Häuserwand nicht auffällig genug wäre. Darum entschieden wir uns für einen Sockel im Rasen im Eingangsbereich des früheren Lagers, also an der Ecke Am Freistuhl/Femestraße. Fußgängern muß er auffallen. Der Sockel könnte gemauert und etwa 50 bis 70 cm hoch, die Gedenktafel hingegen sollte aus Metall sein, damit sie haltbar ist. An sich schien es uns notwendig, noch weitere Informationen aufzunehmen, um eine genauere Vorstellung zu ermöglichen. Aber wegen der Befürchtung, daß lange Texte nicht gelesen werden, verzichteten wir darauf.

Sinn einer Gedenktafel

Vor diesem Hintergrund warfen wir erneut die Frage auf, ob solche Gedenktafeln helfen, die Geschichte zu verstehen. Wir sagten, die Errichtung wird auf jeden Fall Anstoß sein, sich Gedanken zu machen und sich zu informieren. Auch danach werden immer wieder Leute darauf stoßen, sich erinnern, vielleicht Fragen stellen, in einigen Fällen sich ärgern. Das kann schon helfen, die Fremdarbeiter in Hassel vor der völligen Vergessenheit zu bewahren und ist schon deshalb wichtig, weil es in Hassel keinerlei Hinweis auf sie gibt und die Ehrenstätten/Mahnmale außerhalb nicht reichen, denn was bemerken die Menschen in Hassel davon, wenn in Buer, Horst usw. Denkmäler oder Gedenksteine stehen?

Daß wir eine Gedenktafel in Hassel brauchen, ergibt sich weiterhin daraus, daß schon heute nicht mehr viele Zeitzeugen leben bzw. bei guter Gesundheit sind. Folglich ist doch klar, daß bald ganz vergessen ist, daß auch in Hassel Lager standen. Wir haben bei unserer Umfrage selbst festgestellt, daß die weitaus meisten nichts davon wußten.

Ein politisches Zeichen

Uns wurde klar, daß die Errichtung einer solchen Gedenktafel auch ein politisches Zeichen sein würde, daß gerade in unserer Zeit, in der in manchen Orten die Ausländerfeindlichkeit stark anwächst, diese Leiden von Ausländern nicht vergessen werden sollen. Damit sollen Deutschland oder "die" Deutschen nicht einfach schlecht gemacht werden, aber daß durch den Nationalsozialismus Krieg und Unterdrückung von eutschland ausgegangen sind und unzählige Menschen, Deutschen wie Ausländem, schlimmes Leid gebracht haben, kann nicht bestritten und darf nicht verdrängt werden; schon gar nicht heute, wo wieder rechtsradikale Parolen und Gewalttaten Angst und Schrecken verbreiten. Die Frage, ob es sich lohnt, für solche Projekte Geld auszugeben, beantworteten wir deshalb so, daß man auch etwas tun muß, damit man die früheren Zeiten nicht einfach verfälscht oder verschweigt.

Alternativen

Wir beschäftigten uns darüber hinaus mit der Überlegung, ob es nicht besser wäre, andere Formen der Erinnerung wie der politischen Stellungnahme anzuwenden, z. B. Theaterstücke vorzuführen, ein Geschichtsheft bzw. -buch zu schreiben, Informationstage zu veranstalten, Flugblätter zu verteilen usw. Wir sahen in allem wichtige Aktionen, die ergänzend hinzutreten sollen und immer wieder aufgegriffen werden müssen. Wir waren aber fest entschlossen, die Errichtung einer Gedenktafel weiter zu betreiben, weil wir darin etwas Bleibendes sehen. Die erfreuliche Unterstützung des Projektes durch die lokalen Politiker, die Stadtverwaltung, die Pfarrer, von Zeitzeugen und die Mehrheit der von uns befragten Hasseler Bürger hat uns darin bestärkt.

Finanzielle Unterstützung

Wir waren schließlich der Meinung, daß finanzielle Unterstützung von den großen Firmen kommen sollte, wo die Fremdarbeiter während des 2. Weltkrieges gearbeitet haben, also der heutigen Veba bzw. Ruhrkohle. Deshalb baten wir diese um eine Stellungnahme, haben aber leider bis zur Fertigstellung dieses Textes keine erhalten. Wir hoffen weiter darauf, denn wir wissen ja, daß die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter trotz ihres harten Schicksals nach dem Kriege keine Entschädigung erhalten haben. Eine Gedenktafel ist zwar ebenfalls keine Wiedergutmachung und vielleicht nicht einmal ein Trost für sie, aber doch so etwas wie eine Geste der Anerkennung ihrer Leiden und des an ihnen verübten Unrechts. Daß dies so gesehen wird, wissen wir aus den Fragen einer Delegation aus der Gelsenkirchener Patenstadt Schachty nach den russischen Ehrenstätten. (2)

Farbe bekennen

Etwas überraschend haben vor allem zwei unserer türkischen Klassenkameraden folgendes gesagt: Ist es nicht problematisch, eine Gedenktafel für ausländische Zwangsarbeiter zu errichten, solange das nicht auch für die Leiden der Deutschen im Ausland geschieht? Daß viele Deutsche ebenfalls im und nach dem 2. Weltkrieg ein schlimmes Schicksal hatten, ist uns bekannt. Wir finden, daß es zur Versöhnung beiträgt, wenn daran gedacht wird, wie z. B. vor kurzem im ehemaligen Stalingrad. Aber wir glauben, daß wir dennoch nicht auf die anderen warten sollten, sondern allen Grund haben, selber anzufangen. Das wird vielleicht mancher Deutscher nicht verstehen wollen. Einige werden solch eine Gedenktafel sogar als Provokation sehen. Die soll es nicht sein. Aber es wäre in unseren Augen nicht richtig, wegen solcher Leute, die ein falsches Bild haben, auf eine Gedenktafel zu verzichten. Möglicherweise werden sie sie zerstören oder beschädigen, doch gerade deshalb ist es jetzt wichtig, "Farbe zu bekennen". Denn vor einer gewalttätigen Minderheit darf man nicht noch einmal ducken.

Unsere Bemühungen um die Aufstellung der Gedenktafel

Als wir durch unsere Befragungen herauszufinden begannen, daß es auch in Hassel viele Zwangsarbeiter mit dem gleichen schrecklichen Schicksal wie überall in Deutschland gegeben hat, haben wir uns an die führenden Politiker und Verwaltungsleute im Gelsenkirchener Rathaus und an die SPD- und CDU-Ortsvereinsvorsitzenden in Hassel gewendet. (1) Wir wollten wissen, ob sie wie wir der Meinung sind, daß eine Gedenktafel sinnvoll und möglich ist.

Zustimmung bei den Politikern

Wir haben ein sehr positives Echo bekommen. Der Oberbürgermeister, Herr Bartlewski, fand unser Anliegen sehr erfreulich. (2) Er lobte unser "selbständiges überlegen und Handeln" und sprach davon, daß unser Vorschlag "Gemeingut aller Bürger Ihres Ortsteils werden sollte". Offenbar in Absprache mit Herrn Bürgermeister Rehberg, zugleich Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Hassel-Nord, schrieb er weiter, daß dieser es übernommen habe, unser Vorhaben unmittelbar zu begleiten. Und genau das tat Herr Rehberg dann auch vorbildlich.

Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und Grünen schickten uns ebenfalls anerkennende Briefe. Herr Schulte (CDU) unterstützte unser Vorhaben, weil er fand, daß eine Mahntafel auch heute eine geeignete Möglichkeit ist, an Ereignisse zu erinnern, die nicht vergessen werden sollten. (3). Herr Henke von den Grünen formulierte besonders deutlich: "Selbstverständlich habt Ihr recht, wenn Ihr eine Gedenkstätte auch für Hassel vorschlagt (warum ist eigentlich niemand, wir eingeschlossen, in all den Jahren darauf gekommen?)." Und weiter: "Euch ist es zu verdanken, daß dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus dem Dunkel des Schweigens hervorgezerrt und uns allen in Erinnerung zurückgerufen worden ist." Er betonte außerdem, daß unsere Aktion gerade in dieser Zeit der Ausländerfeindlichkeit wichtig sei, und beglückwünschte uns zu unserer Forschungsarbeit. (4) Wir haben uns natürlich sehr über so viel Aufmunterung gefreut.

Herr Draeger, der Bezirksvorsteher, konnte zwar nicht beurteilen, ob unsere Sache zu realisieren sei, begrüßte es aber, daß wir uns "mit den damaligen Ereignissen befassen". (5) Herr Rose, Schul- und Kulturdezernent, sprach für die Stadtverwaltung und den Oberstadtdirektor. Er zeigte sich bereit, unsere Initiative von seiner Seite aus zu unterstützen und bot uns ein Gespräch an. (6)

Nur 100 Russen und Polen?

Einen Sonderfall stellte der Brief des Herrn Krieger, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Hassel, dar. (7) Er wollte noch keine endgültige Stellungnahme abgeben und berief sich auf eine telefonische Erkundigung bei "einigen Mitgliedern des Ortsverbandes". Danach erscheint alles umgedreht, als wir es durch die Befragung von Zeitzeugen herausgefunden haben. So schrieb er, daß in Hassel nur "ca. 100 Russen und Polen" waren. Er schrieb auch, wie gut die Hasseler die Zwangsarbeiter unterstützt hätten, die Zwangsarbeiter jedoch seien "nach dem Ende des Krieges raubend und plündernd durch den Stadtteil gezogen" und seien "auch vor Schlimmeren nicht" zurückgeschreckt.

Herr Krieger machte zwar eine Einschränkung, indem er sagte: "Diese Aussage kann eine Einzelaussage mit entsprechender Wertung sein." Aber er fragt an keiner Stelle, warum die Zwangsarbeiter in Deutschland waren, was sie erlitten haben, ob sie vielleicht verständliche Rachegefühle hatten, ob sie wirklich so wahllos und schrecklich geplündert haben usw. Er als Politiker müßte doch wissen, wie bestimmte Menschen durch die Nationalsozialisten damals behandelt wurden. Wir waren jedenfalls über seine Darstellung sehr erstaunt und sogar empört.

Patenschaft

Das angekündigte Gespräch mit dem Bürgermeister, Herrn Rehberg, und dem Schul- und Kulturdezernenten, Herrn Rose, über den Standort und die Art der Gedenktafel fand am 24. Februar 1993 statt. Die beiden Herren schienen nicht abgeneigt, unsere Vorschläge aufzugreifen, ohne sich festzulegen. Herr Rose sagte sinngemäß, für ihn sei zunächst einmal wichtig, daß wir uns bemüht hätten, etwas über die Zwangsarbeiter herauszufinden, denn über die Lager in Hassel sei bislang noch nicht geschrieben worden. Eine Gedenktafel sei sicher sinnvoll; aber sie dürfe nicht zu einem Alibi werden, um sich nicht mehr um diesen Punkt der Vergangenheit kümmern zu müssen. Er betonte deshalb, daß die ganze Arbeit nicht einfach mit der Gedenktafel beendet sein sollte, sondern schlug eine Patenschaft der Schule für die Gedenktafel und die weitere Erkundung des Schicksals der Zwangsarbeiter in Hassel vor. Wir fanden die Idee gut, und unser Geschichtslehrer, der zugleich Rektor ist, willigte ebenfalls sofort ein.

Uber den ungefähren Standort vor dem Altenwohnheim am ehemaligen Lagereingang wurde schnell Einigkeit erzielt. Herr Rehberg teilte mit, daß er bereits ein Vorgespräch mit dem Grundstückseigentümer, der Veba Wohnstätten AG, geführt habe und das Einverständnis zu erwarten sei. Er kündigte auch an, sich bei privaten Spendern um eine finanzielle Unterstützung zu bemühen.

Herr Rose empfahl, keine (zu) teure Gestaltung zu wünschen. Er verwies auf recht preiswerte Lösungen in der Stadt. Beide Herren stimmten jedoch unserem Gestaltungsvorschlag im Grundsatz zu, wenn sie auch gewisse abweichende Ideen (z. B. einen Betonsockel) mit in die Diskussion einbrachten, über die endgültige Gestaltung kann und soll sowieso erst geredet werden, wenn es an die Verwirklichung geht. Herr Rose war auch der Meinung, daß der Text möglichst informativ sein und keine Appelle enthalten sollte.

Wir blieben bei einer späteren Abstimmung jedoch bei unserem Vorschlag und fanden uns dabei unterstützt von den Pfarrern. Dennoch glauben wir, daß bei der späteren Realisierung mit den Künstlern, Handwerkern usw. erneut über diesen Punkt geredet werden sollte, ja sogar über den gesamten Text.

Viel bedeutender ist für uns die Frage, ob und wann es wirklich zu der Gedenktafel kommen wird. Wir sind aber inzwischen sehr optimistisch, denn Herr Rehberg konnte uns bereits am 26. Februar 1993 mitteilen, daß die Firma Herz (Gartenbauunternehmen und Steinbildhauerei) zur Hilfe bereit ist. Am 3. März wird es deshalb einen Ortstermin geben.

Unterstützung von den Kirchen

Wir haben eine sehr starke Unterstützung von Seiten der Kirchen in diesem Stadtteil bekommen. Ohne sie wären wir z. B. an viele Zeitzeugen nicht herangekommen. Eine Ausnahme machte lediglich der Pfarrer der Theresienkirche. Der wollte die Vergangenheit lieber ruhen lassen. Die anderen vier Pfarrer und die Gemeindeangestellten aber standen voll hinter unserer Aktion. Sie fanden auch am Ende unseren Standort- und Gestaltungsvorschlag für die Gedenktafel gut. (8)

Umfrage

Wir haben einen kleinen Teil der Bevölkerung in Hassel auf dem Markt sowie auf den Staßen nach dem Zufallsprinzip befragt. (9) Von den 302 Personen (davon 161 Frauen), die uns antworteten, waren die meisten (85 Männer und 108 Frauen gegenüber 56 bzw. 53 Ablehnungen) für eine Gedenktafel. Die wenigsten wußten allerdings etwas über die Zwangsarbeiter, so daß wir sie erst aufklären mußten. Viele sagten, eine Gedenktafel habe habe keinen hohe Stellenwert für sie, aber selbst unter diesen Leuten waren etliche, die es für notwendig ansahen, etwas gegen das Vergessen zu machen. Wir fühlen uns durch die Befragungsergebnisse bestätigt. Uns ist jedoch auch klar, daß eine Gedenktafel allein die Erinnerung nicht wachhalten wird.

Mitverantwortung der Firmen

Weil wir der Meinung waren, daß auch die Nachfolgegesellschaften der damaligen Unternehmen mitverantwortlich für das Geschehene sind, haben wir die Veba bzw. Ruhrkohle AG als frühere Arbeitgeber der Zwangsarbeiter angeschrieben, wie sie darüber denken und ob sie sich an der Finanzierung beteiligen würden. (10) Wir haben bisher leider noch keine Antwort bekommen, da wir die Briefe erst relativ kurz vor Fertigstellung dieser Dokumentation abgeschickt haben.

Veröffentlichung im der Presse

Zum vorläufigen Abschluß unseres Projektes haben wir die Presse über dieses Vorhaben und einige unserer Ergebnisse informiert, und die WAZ berichtete bereits recht ausführlich darüber. Wir hoffen jetzt auf ein reges Echo und sind gespannt, wie es weitergeht.

WAZ-Artikel vom 26. Februar 1993

Abb.: WAZ-Artikel vom 26. Februar 1993

Wir haben uns viele Gedanken über die Zwangsarbeiter in Hassel und die Aufstellung einer Gedenktafel gemacht und wünschen uns sehr, daß wir unser Ziel bald erreichen werden. Das schließt ein, daß sich auch nach uns Schüler und Erwachsene finden, die Anteil am Schicksal der Zwangsarbeiter nehmen und sie nicht ganz vergessen. Genug aufzuklären gibt es ja ohnehin noch.

Wie wir abschließend unsere Bemühungen und Erfahrungen einschätzen

Was uns besondere Mühe gemacht hat

Im Endeffekt waren wir froh, an diesem Wettbewerb teilgenommen und vieles herausgefunden zu haben. Bei einem Gedankenaustausch, wie wir unsere Bemühungen und Erfahrungen einschätzen, kamen für uns alle interessante Erkenntnisse hervor. Am Anfang konnten wir uns noch gar nicht vorstellen, was uns bei diesem Projekt erwartet. Erst langsam bekamen wir einen Einblick und konnten erste Vorstellungen entwickeln, wie wir überhaupt vorgehen sollten. Es war zunächst auch eine große Überwindung, zu fremden Menschen zu gehen, ein Gespräch zu beginnen und persönliche Fragen zu stellen. Wir mußten für unsere Aufgabe viel Freizeit opfern, denn oft konnten wir Termine erst am Nachmittag wahrnehmen.

Besonders schwierig war es, systematisch vorzugehen, denn hier fehlte uns allen die nötige Erfahrung. Das gleiche galt für selbständiges und zuverlässiges Arbeiten. Oft mußten Arbeitsschritte wiederholt oder ergänzt werden, weil wir nicht genau genug vorgegangen waren. Niemand von uns hätte gedacht, daß einmal der Bürgermeister und der Schuldezernent in unserer Klasse sitzen würden. Unsere vorherigen Erwartungen wurden bei weitem übertroffen, als wir merkten, daß Politiker verschiedener Parteien und auch die Presse unsere Sache wirklich Ernst nahmen.

Was besonders erfreulich war

Besonders erfreulich war. daß viele Zeitzeugen so selbstverständlich und ehrlich Auskünfte bzw. Informationen gaben. Es hat uns erstaunt, wie groß die Bereitschaft vieler war, uns zu unterstützen, denn wir hatten erwartet, vielen zu begegnen, die heute noch starke Rachegefühle hegen und uns zum willkommenen Anlaß nehmen könnten, diese abzureagieren, unsere Ängste waren vielfach unnötig. Im großen und ganzen hat die Arbeit Spaß gemacht. Am Ende hatten wir alle das gute Gefühl, viel erreicht zu haben. Unsere Aktion hat uns gezeigt, daß sich auch heute noch einiges in Bewegung bringen läßt. Besonders gut tat es uns zu erfahren, daß unsere Initiative wirklich ernst genommen wurde.

Was besonders Überraschend oder beeindruckend war

Beeindruckend waren auch die Erlebnisse einzelner Personen aus der damaligen Zeit. Wir haben erfahren, daß eben nicht alle Bürger und Bürgerinnen die "dummen, folgsamen, nationalsozialistischen Deutschen" waren, sondern daß es auch Leute gab, die trotz strenger Verbote Kontakte zu Fremdarbeitern aufnahmen, sie unterstützten und ihnen Hilfe zukommen ließen. In einzelnen Fällen entstanden sogar unter diesen schweren Bedingungen Freundschaften.

Was es uns gebracht hat

Wir haben bei dieser harten Arbeit natürlich auch sehr viel gelernt und waren einstimmig der Meinung, daß wir letztendlich mehr Selbständigkeit erworben haben. Darüber hinaus sind wir nun über dieses (heimat=)geschichtlich wichtige Thema viel genauer informiert. Unser erworbenes Wissen hat uns für Probleme wie Krieg, Nationalsozialismus, Unterdrückung, Verschleppung, Verachtung anderer Gruppen aufgeschlossener gemacht. Dabei merkten wir, daß es nicht einfach "die" Wahrheit über die damaligen Ereignisse gibt, sondern daß man sie nur mühsam und teilweise aus der Dunkelheit holen kann. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, daß Gespräche mit älteren Menschen wichtig und lohnenswert sind.

Abschließend bleibt das Gefühl, wirklich etwas erreicht zu haben. Wenn wir mit unserer Aktion Erfolg haben, dürfen wir sicher behaupten, ein Werk für die Allgemeinheit geschaffen zu haben.

Anmerkungen zum Wettbewerbsbeitrag:

Zu Kapitel 1: Warum wir dieses Projektthema gewählt haben
1) Das Heimweh des Walerjan Wrobel. Ein Sondergerichtsverfahren 1941/42, aufgezeichnet von C. U. Schminck-Gustavus, Berlin/Bonn 1986.
2) Für uns begann harte Arbeit. Gelsenkirchener Nachkriegslesebuch, herausgegeben von Hartmut Hering / Hugo-Ernst Käufer / Michael Klaus, Oberhausen 1986, S. 90 und 100.
Zu Kapitel 2: Wie wir unser Projekt durchführten
1) Die sogenannten Fremdarbeiter werden hier der Deutlichkeit wegen zumeist als Zwangsarbeiter bezeichnet.
2) Der etwas mehr als dreiseitige Text stellte eine knappe Zusammenfassung des Kapitels IV (Arbeit als Beute, 1933 - 1945) aus Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880 bis 1980. Saisonarbeiter - Zwangsarbeiter - Gastarbeiter, Berlin/Bonn 1986, S. 120 - 178, dar.
Zu Kapitel 3: Was wir über das Schicksal der Fremdarbeiter in Hassel herausfanden
3.1. Wann und woher kamen die Zwangsaarbeiter nach Hassel?
1) Die Aufstellung, die wir von Herr Kopatz und Herrn Vöge erhielten, konnten wir nicht im Original sehen, da uns die Akten OXVIII 937 im Stadtarchiv Gelsenkirchen nicht zur Verfügung gestellt werden konnten, weil sie nicht auffindbar waren.
2) Information durch Herrn Wiegard am 21.2.1993.
3) Die Aufstellung, die wir von Herrn Kopatz und Herrn VÖge für 1941 erhielten, führte sogar 13 Nationalitäten auf.
4) Aussage von Frau Heselmann (TK 2).
5) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8)
3.2. Welche Zwangsarbeiterlager gab es in Hassel?
1) Das hier Zechensportplatz genannte Lager ist identisch mit dem Lager Marler Straße in der von Herrn Kopatz und Herrn Wiegard erhaltenen Aufstellung.
2) Dies wurde von Herrn Wiegard auf Grund eigener Nachfragen bei ihm bekannten älteren Hasselern noch einmal ausdrücklich am 25.2.1993 bestätigt.
3) Aussagen von Herrn Kopatz und Herrn Wiegard (TK 8), belegt durch Archivunterlagen der Stadt Gelsenkirchen.
4) Herr Wiegard sieht in dem Lager Zechensportplatz das eigentliche Lager Sammelbahnhof (TK 8).
5) Ob die Zahlen bis 1944 noch weiter anstiegen, ist nicht bekannt. Die Chronik der Stadt Gelsenkirchen nennt für das gesamte Stadtgebiet für Juni 1943 21.442 Zwangsarbeiter, für November 1943 bereits 30.621. Der außerordentliche Anstieg wird mit dem Bedarf im Bergbau begründet. (Anlage)
6) Die Pläne stellte und Herr Kopatz zur Verfügung.
7) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
3.3. Wie waren die Unterkünfte in den Lagern?
1) Die Zeitungen bestätigten dies und ergänzten, daß die Baracken auf einem Steinsockel standen, so z.B. Herr Vöge (TK 7) und Herr Wiegard (TK 8).
2) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
3) Aussage von Herrn Vöge (TK 7).
4) Aussagen von Frau Pauellek und Herrn Reinholz (TK 3) sowie Herrn Wiegard (TK 8).
5) Aussagen des Ehepaars Heselmann (TK 2).
3.4. Wie wurden die Zwangsarbeiter verpflegt?
1) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
2) Aussage von Herrn Kopatz (TK 9).
3) Aussagen von Herrn Schiwek (TK 5 und TK 6).
4) Aussage von Herrn Vöge (TK 7). Daß es aber auch echte Freundschaft und Zuneigung ohne sexuelle Kontakte gab, berichtete uns Herr Reichholz (TK 3).
5) Aussage von Frau Heselmann (TK 2).
3.5. Wie war des mit dem Aussehen und der Kleidung der Fremdarbeiter?
1) Aussage von Frau Samsel (TK 4).
2) Aussage von Frau Heselmann (TK 2).
3) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
4) Aussage von Herrn Kopatz (TK 9).
3.6. Wo wurden die Zwangsarbeiter eingesetzt?
1) Ein Beispiel dafür gab uns Herr Heselmann: Sie waren zu fünf Brüdern, die alle als Soldat eingezogen wurden (TK 2).
2) Aussagen von Herrn Reinholz (TK 3) und Herrn Schiwek (TK 6).
3) Aussagen des Ehepaars Heselmann (TK 2) und von Herrn Vöge (TK 7).
4) Aussage von Herrn Schiwek (TK 5 und TK 6)
5) Aussagen von Herrn Reinholz (TK 3) und Herrn Schiwek (TK 5 und TK 6).
6) Aussage von Herrn Wiegard (TK Q).
7) Der erste Ehemann der Frau Pawellek übte diese Tätigkeit aus (TK 3).
8) Aussage von Herrn Reinholz (TK 3).
9) Aussage von Herrn Reinholz (TK 3).
10) Aussage von Herrn Reinholz (TK 3)
11) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
12) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
13) Aussage von Herrn Wagner (TK 1).
14) Aussage von Frau Heselmann (TK 2).
15) Aussage von Herrn Dellmann (TK 1).
16) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
17) Aussagen von von Herrn Wiegard (TK 8).
3.7. Wie wurden die Zwangsarbeiter behandelt?
1) Die Zeitzeugen berichteten aber auch, daß sie selbst ebenfalls sehr hart angepackt wurden, vor allem in der Schule.
2) Herr Reinholz erlebte selbst Beispiele dafür (TK 3).
3) Frau Sansel erzählte ein Beispiel (TK 4).
4) Herr Schiwek erhielt dafür selbst einmal einen Tritt von einem Aufseher (TK 5/6); Herr Wagner wurde verprügelt (TK 1).
5) Aussage von Herrn Schiwek (TK 5/6).
6) Dies teilte Herr Goch vom Institut für Stadtgeschichte in Gelsenkirchen mit.
7) Herr Wiegard berichtete, daß eine russische Ärztin als Zwangsarbeiterin in der Landwirtschaft von Haus Lüttinghof eingesetzt war. (TK 8)
8) Die Mehrzahl der Zeitzeugen war allerdings der Meinung, daß die sowjetischen Zwangsarbeiter nicht in die Bunker durften.
9) Aussage von Herrn Schiwek (TK 5/6).
10) Dies gilt vor allem für Herrn Schiwek (TK 5/6).
11) Aussage von Herrn Wiegard (TK 8).
12) Aussagen von Frau Heselmann (TK 2).
3.8. Wie verhielt sich die Hasseler Bevölkerung zu den Zwangsarbe it ern ?
1) Herr Reinholz. (TK 3)
2) Aussage von Frau Heselmann. (TK 2)
3.9. Was geschah mit den Zwangs- und Fremdarbeitern nach dem Krieg?
1) Uber die Rache an einem "Rutschmann" berichteten fast alle Zeitzeugen.
2) Aussage von Frau Heselmann. (TK 2)
3) Uns ist allerdings kein Name bekannt. In der Bußmannstr. 1 wohnt nach Aussage von Pfarrer Hüttermann eine gebürtige Russin, die wohl Zwangsarbeiterin war. Sie wollte aber nicht mit uns sprechen.
4) Aussagen von Herrn Vöge (TK 7) und Herrn Kopatz (TK 10).
5) Dies teilte Herr Goch vom Institut für Stadtgeschichte in Gelsenkirchen mit.
6) Siehe Literaturliste.
7) Aussage von Herrn Schiwek. (TK 5/6)
8) Aussage von Herrn Wiegard. (TK 8)
9) Mitteilung von Herrn Ulrich vom Grünflächenamt.
10) Mitteilung von Herrn Ulrich vom Grünflächenamt.
11) Aussage von Herrn Schiwek. (TK 5/6)
12) Beispiele der Verfolgung und des Widerstandes in Gelsenkirchen 1933-45. Arbeitsergebnisse aus einem Kursus der Volkshochschule der Stadt Gelsenkirchen.
Herausgegeben vom Schul- und Kulturdezernat der Stadt Gelsenkirchen, o. J.
13) Aussage von Herrn Wiegard. (TK 8)

Quelle: Beitrag für den Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten. Wettbewerb 1993: "Denkmal: Erinnerung, Mahnung, Ärgernis..."
Titel: Sie sollen nicht vergessen sein - Ausländische Zwangsarbeiter in Gelsenkirchen-Hassel während des 2. Weltkrieges
Schule: 10. Klasse, Hauptschule am Eppmannsweg, 45896 Gelsenkirchen-Hassel (Nordrhein-Westfalen)
Tutor: Helmut Niemeier
Autoren: Galip Kulan und weitere 13 Verfasser

Hier wird eine verkürzte Version des Wettbewerbsbeitrags vorgestellt. Der vollständige und reichhaltig bebilderte Beitrag enthält u.a. weitere Anmerkungen, Aussagen von Zeitzeugen auf Tonkassetten, zeithistorische Dokumente in Kopie, umfangreicher Schriftverkehr mit der Stadtverwaltung, mit Lokalpolitikern und Firmen, eine Liste der benutzten Literatur und div. begleitende Materialien. Das Orginal der Schülerarbeit befindet sich im Archiv der Körber-Stiftung, Hamburg (Nr. 1993-1214). Die hier verwendeten Fotos sind, soweit nicht anders angegeben, Bestandteil der Arbeit.

Fotos Gedenkstätte und Erinnerungstafel: Heike Jordan, 2010.

Neuere Forschungsergebnisse bestätigten die Arbeitsergebnisse der Schülergruppe

Zwangsarbeiterlager in Gelsenkirchen-Hassel

Im Bereich des ehemaligen Sammelbahnhofs in Hassel (heute Kokerei Hassel) lassen sich insgesamt vier Lagerstandorte identifizieren, die unter verschiedenen Bezeichnungen geführt wurden: Am Sammelbahnhof, Wiebringhaushof, Heifhoffshof und Oberfeldingen. Bauherr aller vier Lager war die Bergwerksgesellschaft Hibernia AG, die für die auf ihren Schachtanlagen Bergmannsglück und Westerholt angelegten Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter Unterkünfte brauchte.

Zwangsarbeiterlager in Gelsenkirchen-Hassel

Abb.: Luftbild vom 21. Juli 1942 - Zwangsarbeiterlager in Gelsenkirchen-Hassel

Nach den Bauakten der Stadtverwaltung befand sich das eigentliche Lager Am Sammelbahnhof (1) links der Marler Straße über den Gleisanlagen, wo bereits im Ersten Weltkrieg ein Lager für Kriegsgefangene errichtet worden war. Später lag dort der Sportplatz der Zeche Westerholt, der auf dem Luftbild von März 1945 links neben der Marler Straße noch in Teilen zu erkennen ist. Von 1940 bis 1943 wurden an diesem Standort zwölf Wohnbaracken, eine Wirtschaftsbaracke sowie Wasch- und Abortbaracken gebaut. Vier weitere Baracken, die nach 1943 errichtet worden sein müssen - die Überlieferung des Bauamtes bricht hier ab - lagen über der ursprünglich geplanten Lagergrenze, womit sich der gesamte Bereich weit in Richtung Valentinstraße ausdehnte. Südlich des Schienennetzes lagen auf Höhe des Lagers Am Sammelbahnhof weitere Unterkünfte, die zum Lager Heihoffshof gehören. Wie viele Baracken beziehungsweise bereits bestehende Gebäudeunterkünfte dieses Lager umfasste, kann aufgrund fehlender Bauunterlagen nicht eindeutig verifiziert werden. Nach Aufzeichnungen der Hibernia Bergbau AG war jedoch mindestens eine Gebäudeunterkunft vorhanden.

Lageplan Zwangsarbeiterlager Wiebringhaushof in Gelsenkirchen-Hassel

Abb.: Lageplan Zwangsarbeiterlager Wiebringhaushof in Gelsenkirchen-Hassel

Der dritte Standort, das Lager Wiebringhaushof (3), befand sich rechts der Polsumer Straße auf dem Grundstück des ehemaligen Wiebring-haushofes und bestand aus rund 15 Baracken. Damit entspricht die Gesamtzahl aller Baracken im Bereich des Sammelbahnhofs in etwa Aufzeichnungen des Bauamtes der Stadt Gelsenkirchen, das im September 1942 von insgesamt 28 Baracken spricht. Äußerst bruchstückhaft ist hingegen die Uberlieferung für das Lager Oberfeldingen. So kann nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob die Bezeichnung daher rührt, dass das Lager direkt am heute noch bestehenden Haus Oberfeldingen lag - zumal auch in diesem Fall eine feste Gebäudeunterkunft zur Verfügung stand - oder nur in unmittelbarer Nähe des Hauses. Bei einer Belegung mit insgesamt 251 Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern dürfte jedoch eine entsprechend große Gebäudeunterkunft ausgereicht haben.

Kriegsgefangenen- und Zivilarbeiterlager Am Sammelbahnhof in Gelsenkirchen-Hassel

Tabelle: Kriegsgefangenen- und Zivilarbeiterlager Am Sammelbahnhof. Berechnet nach Angaben des Einwohnermeldeamtes ("Ostarbeiterkartei") 1940-1945. Alle anderen Angaben nach Bergbau-Archiv, BBA 32/769 (Nicht berücksichtigt wurde die Belegung durch fremde Firmen u. sog. freie Arbeitskräfte).

Mit 3.614 ausländischen Arbeitskräften, die allein auf den Zechen Westerholt und Bergmannsglück angelegt waren — hinzu kamen 1.344 Arbeitskräfte der Zeche Wilhelmine Victoria in Heßler sowie die der Zeche Scholven, die 1944 bei rund 1.957 Arbeitskräften lag und zu großen Teilen in Gladbeck untergebracht waren - gehörte die Bergbau Hibernia AG zu den Industrieunternehmen Gelsenkirchens, die in besonders großem Umfang Kriegsgefangene und Zivilarbeiter beschäftigten. So lag beispielsweise der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte bei der Zeche Bergmannsglück Ende 1944 bei 47,7 % der Gesamtbelegschaft.

"Zwangsarbeiterlager in Gelsenkirchen-Hassel" aus: Roland Schlenker, "Ihre Arbeitskraft ist auf das schärfste anzuspannen" - Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterlager in Gelsenkirchen 1940-1945. Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen - Materialien, Bd. 6. Klartext Essen, 2003. ISBN 3-89861-155-8

Walerjan Wróbel

Walerjan Wróbel wurde am 2. April 1925 in dem polnischen Dorf Fałków geboren. Er hatte noch zwei jüngere Geschwister. Im September 1939, mit dem Überfall der Deutschen auf Polen, endete seine bis dahin unbekümmerte Kindheit.

→ Die Geschichte des Walerjan Wróbel

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Andreas Jordan, August 2010

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