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Die Widerstandsgruppe um Franz Zielasko

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Widerstand im Ruhrgebiet

Die Kommunistische Partei Deutschlands hatte sich bereits vor dem Verbot 1933 auf die Illegalität vorbereitet. Sie war bemüht, den organisatorischen Aufbau der Partei auch in der Illegalität beizubehalten und die Verbindungen zwischen Gruppen, Leitungen und Zentralkomitee nie abreißen zu lassen. Die hohen Opfer in den ersten Jahren der NS-Herrschaft zeigen, daß die Brutalität des Systems vielfach unterschätzt wurde. Obwohl jedoch die Gruppen und Gruppenleitungen immer wieder von der Gestapo aufgespürt wurden, schafften es die Nationalsozialisten nicht, die illegale KPD vollkommen auszuschalten. Mitten im Krieg unternahm die KPD 1943 im Ruhrgebiet einen letzten größeren Versuch, den Widerstandskampf in diesem für Hitlers Kriegsrüstung so wichtigen Industriegebiet wieder zu intensivieren, indem sie die weitgehend zerstörte Bezirksleitung wieder aufzubauen versuchte.

Über Franz Zielasko

Franz Zielasko, geboren 1896, war Bergmann in Gladbeck-Zweckel und dort Mitglied des Arbeiterradfahrerbundes "Solidarität". Seine politische Karriere in der Zeit der Weimarer Republik und sein späterer Lebensweg stellten sich recht bewegt dar:
Ende 1918 Eintritt in die USPD, 1920 kämpfte er in den Gladbecker Verbänden der "Roten Ruhrarmee", 1922 erfolgte nach der Selbstauflösung der USPD der Anschluss an die SPD, 1926 oder 1927 schließlich der Beitritt in die KPD, in der er als Literaturobmann tätig wurde.

Franz Zielasko

Franz Zielasko 1937 als Angehöriger der Internationalen Brigaden in Spanien (sitzend in der Mitte)

Als die Weltwirtschaftskrise auch das Ruhrgebiet erreichte, verlor Zielasko Ende 1929 seinen Arbeitsplatz. Nach mehr als zweijähriger Arbeitslosigkeit meldete er sich am 8. April 1932 in Gladbeck ab. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit emigrierte er 1932 in die Sowjetunion und arbeitete dort in einer Schachtanlage im Tulaer Kohlenrevier. Als 1936 der spanische General Franco gegen die Volksfrontregierung putschte, gehörte Zielasko zu den 5000 Deutschen, die im Rahmen der "Internationalen Brigaden" auf der Seite der Republikaner gegen die Putschisten kämpften. Bis 1939 kämpfte er in Spanien gegen Franco und kehrte danach in die Sowjetunion zurück.

Während des Zweiten Weltkrieges, der kurze Zeit später von Hitler ausgelöst wurde, durchlief Zielasko in Absprache mit dem im Moskauer Exil agierenden ZK der KPD eine 18-monatige Ausbildung und Schulung, bevor er im März 1943 mit dem Fallschirm in der Nähe von Warschau, das heißt im damals von den Deutschen besetzten Polen, absprang. Sein Auftrag lautete, als Instrukteur eine regionale Widerstandsorganisation im Ruhrgebiet aufzubauen, die wahrscheinlich der illegalen KPD-Gebietsleitung Rhein-Ruhr angegliedert werden sollte.
Als Grundausstattung erhielt Zielasko gefälschte Personalpapiere, die auf den Namen seines Schwagers Willi Guske ausgestellt waren,Geld und gefälschte Lebensmittelkarten. Seine Möglichkeiten, als kommunistischer Instrukteur im Ruhrgebiet des Kriegsjahres 1943 längere Zeit unerkannt und erfolgreich arbeiten zu können, waren jedoch sehr gering:

- Einerseits hatte die Gestapo seit Januar 1943 in einer Massenverhaftungsaktion sämtliche Verbindungen der illegalen KPD-Gebietsleitung Rhein-Ruhr systematisch zerschlagen, so dass Zielasko bei seiner Ankunft im März 1943 vollständig auf sich allein gestellt war.

- Andererseits besaßen die ihm mitgegebenen Lebensmittelkarten schon bald keine Gültigkeit mehr, so dass er auch hinsichtlich des täglichen überlebens erheblich auf die Unterstützung seiner ehemaligen Genossen angewiesen war.

Mit der Eisenbahn schlug sich Zielasko von Warschau ins Ruhrgebiet durch, fand hier zunächst bei Verwandten in Dortmund Unterschlupf, begab sich dann aber zu seinem früheren Wohnort Gladbeck, den er als Basis für seine künftigen Unternehmungen benutzen wollte. Hier traf er zunächst mit einem ehemaligen Mitglied des Arbeiterradfahrerbundes "Solidarität" namens Kraus zusammen, der ihm die Anschriften weiterer Mitglieder der Organisation vermittelte. In Gelsenkirchen arbeitete er mit Widerstandsgruppen auf den Zechen zusammen. Zielasko knüpfte bis zu seiner Verhaftung am 7. August 1943 Kontakte zu vielen früheren Bekannten in Gladbeck selbst, in Gelsenkirchen, in Herne, in Essen und schließlich auch in Rheine und Hamm. Die Vorgehensweise war dabei jeweils sehr ähnlich: Zielasko ging bei der Kontaktaufnahme sehr behutsam vor; er führte sich oft zunächst als zufällig vorbei kommender Urlauber ein und offenbarte sich seinen Kontaktpersonen meist erst beim zweiten oder dritten Treffen.

Verhaftung der Zielasko - Gruppe

Wie kam es nun zur Verhaftung Zielaskos und der von ihm kontaktierten Personen?

Spätestens im Juli 1943 hatte die Gestapo erste Informationen über die Tätigkeit Zielaskos. In einem Telegramm der StapoleitstelleMünster, die für den gesamten Regierungsbezirk und damit auch für Gladbeck zuständig war, vom 22. Juli 1943 hieß es: "Zielasko ist hier wieder in Erscheinung getreten und versucht eine illegale KPD-Gruppe zu gründen." Unbekannt ist bis heute, woher die Gestapo ihre Informationen hatte.

Ein Zeitzeuge berichtete später in einem Interview: "Ich fragte mich immer wieder, wie konnte sich der Franz Zielasko 1943 hier am Tunneleingang (d.h. am Eingang zur Zeche Zweckel in Gladbeck, seiner früheren Arbeitsstätte) sehen lassen? Die Leute kannten ihn doch! Es hieß auf einmal unten in der Grube: Man hat am Tunnel den Franz Zielasko gesehen... Dadurch sind sie wohl dahintergekommen und irgendeiner muß gemeldet haben, er hätte den Franz Zielasko gesehen. Dann ging die Jagd auf ihn los." Anfang August 1943 kam die Gestapo der Arbeit Zielaskos auf die Spur. Er wurde zusammen mit 44 anderen Widerstandskämpfern verhaftet.

Die Verhaftung Zielaskos erfolgte am 7. August 1943 in der Wohnung seines Quartiergebers Heinrich Poßner in Gladbeck. Zielasko wurde in das Polizeigefängnis Gladbeck eingeliefert. Ein Telegramm der Leitstelle Münster vom 10. August 1943 verdeutlicht die weitere Vorgehensweise der Gestapo. Hier hieß es:

"Zielasko ist sowjetrussischer Fallschirmagent. Er wurde am 7.8.1943 in Gladbeck festgenommen. In seiner Vernehmung, die äußerst schwierig verläuft, gibt er lediglich nur das zu, was ihm durch Ermittlungen oder durch Vernehmungen anderer Personen vorgehalten werden kann. Es wird um Erfassung sämtlicher führender Personen des ehemaligen Radfahrerklubs "Solidarität" und Russlandrückkehrer, die heute noch im Verdacht stehen, Anhänger der KPD zu sein, gebeten, und diese der hiesigen Dienststelle zur Verfügung zu stellen, da der dringende Verdacht besteht, daß Zielasko mit diesen in Verbindung getreten ist."

Franz Zielasko wird nach grausamer Folterung am 18.August 1943 ermordet.

Was wir uns darunter vorzustellen haben, wenn berichtet wird, dass die Verhaftung Zielaskos "äußerst schwierig verläuft", wird vielleicht deutlich aus der Aussage eines Gladbecker Verwaltungssekretärs vom Jahre 1947:

"So wurden alle die im Prozeß Zielasko angeschuldigten Personen, wenn sie misshandelt worden sind, von den fremden Gestapobeamten des Reichssicherheitshauptamtes Berlin gefoltert. Ich selbst, der Vernehmungsführer, habe an einem Tage, als der Fall Zylasko hier bei der Gestapo bearbeitet wurde, es war gerade Fliegeralarm, gesehen, wie zwei fremde Gestapobeamte vor der Haupteingangstür des hiesigen Polizeigefängnisses standen und ganz offen Folterwerkzeuge, Daumenschrauben, Handpressen, Beinpressen, Ketten mit Widerhaken usw. in den Händen hielten. Diese Wahrnehmung haben etwa noch 30-50 Beamte und Angestellte der im Polizeiamt befindlichen staatlichen Behörden gemacht."

Gnadengesuch

Die mitverhaftete Ehefrau des Quartiergebers Poßner gab nach dem Kriege zu Protokoll: "Zur selben Zeit war ... Franz Zielasko zwei Zellen von uns in Haft. Dieser Mann ist von der Gestapo so geschlagen worden, dass wir sein Jammern Tag und Nacht gehört haben." Franz Zielasko verstarb am 18. August 1943. Als offizielle Todesursache wurde angegeben, er sei infolge "hochgradiger Blutarmut und Gelbsucht" gestorben. über den Verbleib der Leiche, die mit einem PKW vom Polizeigefängnis Gladbeck weggeschafft wurde, ist bisher nichts bekannt.

Die Bilanz der Prozesse vor "Volksgerichtshof" gegen die von Zielasko aufgesuchten Personen stellte sich bis zum Ende der Nazi-Herrschaft folgendermaßen dar: Zehn Gladbecker erhielten Freiheitsstrafen von 3 Jahren Gefängnis bis zu 10 Jahren Zuchthaus; wobei fast alle in der Haft ums Leben kamen. Aus Gladbeck wurden zwei Personen zum Tode verurteilt und hingerichtet, ebenso aus Gelsenkirchen sieben Personen, je eine Person aus Herne, Hamm und Essen und zwei Personen aus Rheine. Zu den vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilten und hingerichteten aus Gelsenkirchen gehörten auch Paul Bukowski, Fritz Rahkob sowie Andreas Schillack. Dem am 10. November 1907 in Gelsenkirchen geborenen Andreas Schillack wurde im Gerichtsverfahren vor dem "Volksgerichtshof" vorgeworfen, er habe Franz Zielasko mit Brotmarken für 600 g, einer Dose Schuhcreme und einer Tube Zahnpasta unterstützt. Aufgrund dieses "Verbrechens" wird Schillack zum Tode verurteilt und am 20. Oktober 1944 in München-Stadelheim hingerichtet.

Karte aus dem Gefängnis Gelsenkirchen 

Vorder- und Rückseite einer NS-Propaganda-Postkarte, mit der die im Gefängnis Gelsenkirchen einsitzenden Mitglieder der Zielasko-Gruppe dem Sohn von Karl Lomberg am 4. Februar 1944 zur Vermählung gratulieren.

Postkarte mit NS-Propaganda

Postkarte mit NS-Propaganda

Ein Stolperstein erinnert in Gladbeck, Redenstrasse 34 an Franz Zielasko. An die Gelsenkirchener Mitglieder der Widerstandsgruppe Andreas Schillack jun., Fritz Rahkob und Paul Bukowski erinnern mittlerweile ebenfalls Stolpersteine.

Stolperstein für Franz Zielasko in Gladbeck



Quellen: Angeklagt wegen Hochverrat, Beispiele der Verfolgung und des Widerstandes; Gelsenkirchen 1933-1945. Arbeitsergebnisse eines Volkshochschul-Kurses von Hartmut Hering und Marianne Kaiser, Gelsenkirchen.
Edition "Widerstand als Hochverrat"; MF 187, 450, 635 (9J 64/44, 2H 27/37, 9J 64/44, 2H 80/44). Bundesarchiv Berlin. NJ 1390, NJ 1392.
Irene Stuiber. Hingerichtet in München-Stadelheim. München 2004.
Dokumente: Bundesarchiv.
Ernst Schmidt: Lichter in der Finsternis, Widerstand und Verfolgung in Essen 1933-1945. Frankfurt/Main 1980

Abschiedsbrief von Paul Bukowski Seite 1

Abschiedsbrief des Paul Bukowski 



Absender:
Paul Bukowski, Untersuchungshaftanstalt Stuttgart, Urbanstraße 18

Empfänger:
Frau Anna Bukowski, Gelsenkirchen 7, Zollvereinstr. Nr. 4



Stuttgart, den 23. August 1944

Liebe Frau !


Die letzten Grüße sendet Dir Dein Paul. Werde Deiner gedenken bis zum letzten Atemzug. Grüße Bernhart und Jule, Johann und Maria nebst Tante Tine und Kinder, Peter, Maria und Kinder, Trautchen, Jupp und die Kleinen. Auch Anna Krauth grüße

Abschiedsbrief von Paul Bukowski Seite 2

von mir. Ich nehme die Hoffnung mit, daß Ihr Lieben meiner nie vergessen werdet. Liebe Anne, mit der Lebensversicherung mußt Du zusehen, wie es damit wird. Sonst weiß ich Dir nichts neues zu schreiben und verbleibe unter vielen Grüßen und Küssen Dein Dich bis über den Tod liebender Mann.
Auf nimmer Wiedersehen! ! !

Grüße auch alle Bekannten und die Nachbarn. Die letzten Grüße sendet Friedrich Rahkob.

Meine liebe Tochter Paula!
Auch Dir sendet Dein Papa den letzten Gruß. Wünsche Dir für Deine Zukunft das Beste. Hatte ja gut mit Euch meinen Kindern vor, aber es sollt nicht sollen sein. Sei stark, bleibe gesund und halte Deine liebe Mutter in Ehren.
Auf nimmer Wiedersehen!

Abschiedsbrief von Paul Bukowski Seite 3



Mein lieber Sohn!
Die letzten Grüßen sendet Dir Dein Vater. Ich danke Dir nochmals für Deine Mühe, die Du mir während meiner Haft erwiesen hast, kann es Dir nicht mehr belohnen, aber denken werde ich an Dich, bis es mit mir zu Ende ist. Ich weiß, daß auch Deine Gedanken immer bei mir waren. Hatt ja immer noch Hoffnung, aber es war alles vergebens. Wünsche Dir alles Gute und daß Du gesund und munter zu Deiner lieben Mutter zurückkehrst. Wenn der Krieg beendet ist, so nehme Maria als Deine Frau heim, denn sie hat es verdient. Auch Maria und ihren Eltern und Hannelore schicke ich die letzten Grüße. Sollte ich in meinen letzten Zeilen einen nicht genannt haben, so ist es nicht mit Absicht geschehen. Wünsche Dir für die

Abschiedsbrief von Paul Bukowski Seite 4


Zukunft alles Gute und gedenke meiner, wenn ich nicht mehr bei Euch bin. Nimm als Erbteil von meinen Sachen, was Dir paßt. Mehr kann ich Dir ja jetzt nicht geben und vergesse Deine liebe Mutter nicht. Mein lieber Sohn als letzten Gruß rufe ich Dir zu: Auf nimmer Wiedersehen!
Sei stark und überwinde auch diesen Schmerz. (letzter Satz nicht zu entziffern)


Das Todesurteil, verhängt vom "Volksgerichtshof": 

Das Todesurteil

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Andreas Jordan, Mai 2007. Nachtrag August 2013

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