Einsatzgruppenprozess vor dem Münchener Schwurgericht gegen Dr. Otto Bradfisch u.a.
INHALTSVERZEICHNIS
I. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten
1. Dr. Otto Bradfisch
2. Wilhelm Schulz
3. Oskar Winkler
4. R.
5. S.
II. Aufgaben und Aufstellung der Einsatzgruppen
1. Entrechtung der Juden in Deutschland
2. Planung der Vernichtung der Juden
3. Organisation der EK
4. Bekanntgabe der Aufgaben der EK
III. Marschweg des Einsatzkommandos 8
IV. Art und Weise der vom EK 8 und seinen Teiltrupps durchgeführten Erschiessungen; Ereignismeldungen
1. Durchführung der Erschiessungen
2. Die "Ereignismeldungen UdSSR"
V. Die vom Einsatzkommando 8 durchgeführten Exekutionen im einzelnen und die Mitwirkung der Angeklagten
A. Erschiessungen unter der Leitung des Angeklagten Dr. Bradfisch oder seines Stellvertreters
1. Die Exekutionen in Bialystok
2. Die Exekutionen in Baranowicze
3. Die Exekutionen in Minsk
4. Die Exekutionen in Mogilew
5. Die Massenexekution in Bobruisk
B. Erschiessungen, die von den Teiltrupps des Einsatzkommandos 8 selbständig vorgenommen wurden
1. Die Exekutionen in Borissow und Umgebung
2. Die Exekution in Gorki
3. Die Exekutionen in Orscha und Umgebung
4. Erschiessungen des Teiltrupps R. in Sluzk und Bobruisk
a. Die Exekutionen in Sluzk
b. Die Exekutionen in Bobruisk
5. Erschiessungen des Teiltrupps Winkler in Nowogrodek und Gomel
a. Die Exekution in Nowogrodek
b. Die Exekution in Gomel
6. Exekutionen, die vom Teiltrupp Schulz in Gomel und im näheren und weiteren Umkreis dieser Stadt durchgeführt wurden
a. Die Erschiessungen in Gomel
b. Die Exekution in Rogatschew
c. Die Exekution in Klienci
d. Die Exekution in Rjetschiza
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VI. Das Verhalten der Angeklagten während des Einsatzes in Russland; ihre Einstellung zu den ihnen anbefohlenen Erschiessungen
1. Dr. Bradfisch
2. Schulz
3. Winkler
4. R.
5. S.
VII. Beweiswürdigung
1. Beweismittel
a. Die Ereignismeldungen und ihr Beweiswert
b. Die Beweisgrundlagen für die Feststellungen über die einzelnen Exekutionen
- Bialystok
- Baranowicze
- Minsk
- Mogilew
- Bobruisk-Grossaktion
- Borissow und Umgebung
- Gorki
- Orscha
- Sluzk
- Bobruisk
- Nowogrodek
- Gomel
- Rogatschew
- Klienci
- Rjetschiza
2. Das Verhalten der Angeklagten zu den Erschiessungsaktionen und ihr Verteidigungsvorbringen
a. Dr. Bradfisch
b. Schulz
c. Winkler
d. R.
e. S.
VIII. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten
IX. Rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts
A. Die Haupttäter
B. Die Beteiligung der Angeklagten
1. Art der Beteiligung
a. Dr. Bradfisch
b. Schulz
c. Winkler
d. R.
e. S.
2. Handeln auf Befehl
3. Befehlsnotstand
a. Kein Putativnötigungsstand bei Dr. Bradfisch, Schulz und Winkler
b. Freispruch des R.
c. Freispruch des S.
4. Schuldspruch bezüglich Dr. Bradfisch, Schulz und Winkler
X. Strafzumessung
1. Dr. Bradfisch
2. Schulz
3. Winkler
XI. Kostenentscheidung
22 Ks 1/61
Im Namen des Volkes
Das Schwurgericht bei dem Landgericht München I erlässt in der Strafsache gegen
Dr. Bradfisch Otto u.a. wegen Beihilfe zum Mord
in der öffentlichen Sitzung vom 21.Juli 1961, auf Grund der Hauptverhandlung vom 3., 4., 5., 6., 7., 10., 11.,
12., 13., 14., 17., 19., 20. und 21.Juli 1961 folgendes Urteil:
Dr. Bradfisch Otto, geb. 10.5.1903 in Zweibrücken, verheirateter Versicherungskaufmann in Kaiserslautern,
z.Zt. in Untersuchungshaft in den Strafanstalten München, wird wegen eines in Mittäterschaft begangenen Verbrechens der Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 15.000 Fällen zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.
Schulz Wilhelm, geb. 14.10.1909 in Recklinghausen, verheirateter Handelsvertreter in Recklinghausen, z.Zt. in
Untersuchungshaft in den Strafanstalten München, wird wegen eines in Mittäterschaft begangenen Verbrechens der Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 1.100 Fällen zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.
Winkler Oskar, geb. 17.12.1910 in Jscherei, Kreis Lüben, lediger Versicherungskaufmann in Ravensburg, z.Zt. in
Untersuchungshaft in den Strafanstalten München, wird wegen eines in Mittäterschaft begangenen Verbrechens der
Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 650 Fällen zu drei Jahren sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.
Die Untersuchungshaft wird den verurteilten Angeklagten angerechnet.
Die bürgerlichen Ehrenrechte werden den Angeklagten Dr. Bradfisch und Schulz auf die Dauer von sechs Jahren und dem Angeklagten Winkler auf die Dauer von drei Jahren aberkannt. Die Angeklagten R. und S. werden freigesprochen. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit sie verurteilt wurden. Im Umfange der Freisprechung der Angeklagten R. und S. fallen die auf sie treffenden ausscheidbaren Kosten der Staatskasse zur Last.
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GRÜNDE
I. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten
1. Der heute 58jährige Angeklagte Dr. Otto Bradfisch wurde in Zweibrücken als zweites von vier Kindern des Lebensmittelkaufmanns Karl Bradfisch geboren. Er wuchs im elterlichen Haushalt auf und besuchte in Kaiserslautern vier Jahre die Volksschule. Anschliessend trat er in das dortige humanistische Gymnasium über, wo er im Jahre 1922 die Reifeprüfung ablegte.
In den folgenden Jahren widmete sich Bradfisch an den Universitäten Freiburg i.Br., Leipzig, Heidelberg und Innsbruck dem volkswirtschaftlichen Studium, das er im Jahre 1926 mit der Promotion zum Dr.rer.pol. an der Universität Innsbruck abschloss. Trotz dieser abgeschlossenen Berufsausbildung entschloss er sich sodann unter dem Eindruck der Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse, Rechtswissenschaft zu studieren und auf diese Weise seine Möglichkeiten zur Berufsausübung zu erweitern. Am 17.Februar 1932 legte er nach rechtswissenschaftlichem Studium an den Universitäten Erlangen und München die 1. juristische Staatsprüfung ab. Nach Ableistung des vorgeschriebenen Vorbereitungsdienstes bestand er am 20.9.1935 die 2. juristische Staatsprüfung und war zunächst als Assessor bei der Regierung von Oberbayern tätig, bis er einige Zeit später als Regierungsassessor in das Bayerische Staatsministerium des Innern versetzt wurde.
Während seiner Tätigkeit im Innenministerium erhielt der Angeklagte von einem Bekannten die Anregung, in den Dienst der Geheimen Staatspolizei einzutreten. Auf sein Gesuch hin wurde er am 15.3.1937 in den polizeilichen Dienst übernommen und mit der Vertretung des Leiters der Staatspolizeistelle Saarbrücken beauftragt. Noch im Laufe des Jahres 1937 wurde ihm dann die Leitung der Staatspolizeistelle in Neustadt a.d.Weinstrasse übertragen. Auf dieser Stelle verblieb Bradfisch auch nach seiner Ernennung zum Regierungsrat, die am 4.11.1938 erfolgte, bis er im Frühjahr 1941 für den Einsatz in Russland ausersehen und mit der Führung eines Einsatzkommandos (=EK) betraut wurde.
Im April 1942 wurde der Angeklagte als Leiter der Staatspolizeistelle nach Litzmannstadt (Lodz) versetzt und im darauffolgenden Herbst zum kommissarischen Oberbürgermeister dieser Stadt bestellt. Während dieser Tätigkeit erfolgte am 25.1.1943 seine Ernennung zum Oberregierungsrat. Zu Beginn des Jahres 1945 wurde Lodz wegen der Annäherung der Front von den deutschen Behörden geräumt. Während der letzten Kriegsmonate war der Angeklagte Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes in Potsdam. In dieser Eigenschaft unterstand er mit seinen Leuten schliesslich beim Heranrücken der sowjetischen Truppen dem Kampfkommandanten von Potsdam. Es gelang ihm schliesslich, sich mit seiner Einheit in Richtung Elbe abzusetzen und sich ein Wehrmachtssoldbuch zu beschaffen, das auf einen Unteroffizier namens Karl Evers ausgestellt war. Er geriet dann zunächst in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Von den Amerikanern wurde er bald darauf in englischen Gewahrsam übergeben und im August 1945 entlassen.
Nach dem Krieg lebte Dr. Bradfisch bis zum Jahre 1953 unter dem Namen Karl Evers und war zunächst in der Landwirtschaft und anschliessend im Bergbau beschäftigt. Als er schliesslich wieder seinen richtigen Namen angenommen hatte, gelang es ihm, als Angestellter im Versicherungsfach unterzukommen. Er war im Werbeaussendienst, zuletzt bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung, tätig. Dieses Beschäftigungsverhältnis fand seine Beendigung durch die vorläufige Festnahme des Angeklagten, die am 21.4.1958 erfolgte. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft. Der Angeklagte Dr. Bradfisch war am 1.1.1931 der NSDAP beigetreten. Während seines Studienaufenthaltes in München fungierte er einige Zeit als stellvertretender Ortsgruppenleiter der NSDAP in München-Freimann. Im Herbst 1938 wurde er unter gleichzeitiger Ernennung zum Obersturmführer in die SS aufgenommen, nachdem er in den Jahren 1936 bis 1938 vorübergehend dem NSKK angehört und bei dieser Gliederung den Dienstgrad eines Scharführers erreicht hatte. Mit seiner Ernennung zum Regierungsrat wurde Bradfisch zum SS-Hauptsturmführer befördert. Am 20.4.1939 rückte er zum SS-Sturmbannführer und am 20.4.1943 - nach seiner Ernennung zum Oberregierungsrat - zum SS-Obersturmbannführer auf. Der Angeklagte schloss am 23.11.1932 mit Hel. die Ehe. Aus dieser Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, von denen das jüngste - ein Mädchen, das in Lodz geboren wurde - infolge der auf der Flucht vor den russischen Truppen erlittenen Entbehrungen verstorben ist.
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2. Der Angeklagte Wilhelm Schulz wurde am 14.Oktober 1909 in Recklinghausen geboren. Er wuchs zusammen mit einem jüngeren Bruder im elterlichen Haushalt auf. Bis zum 12. Lebensjahr lebte er - sein Vater war damals Angehöriger der Kaiserlichen Kriegsmarine - in Wilhelmshaven. Später war die Familie in Recklinghausen ansässig, wo der Angeklagte die Oberrealschule besuchte und im Jahre 1923 die Reifeprüfung ablegte. Nach Ableistung eines halbjährigen Praktikums studierte Schulz an der Technischen Hochschule in Danzig, musste aber sein Studium vorzeitig abbrechen, da er wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr in der Lage war, sich die zur Fortsetzung des Studiums erforderlichen Mittel zu beschaffen.
Während seines Aufenthalts in Danzig war Schulz am 1.5.1931 der NSDAP und der SA beigetreten. Nach seiner Rückkehr nach Recklinghausen, die im Herbst 1931 erfolgte, war er zunächst arbeitslos und verrichtete bei der dortigen SA-Dienststelle Schreibarbeiten. Später wurde er dann bei dieser Dienststelle hauptamtlich angestellt und zum Adjutanten des SA-Sturmbannes Recklinghausen ernannt. Im Jahre 1934 rückte Schulz zum Adjutanten der SA-Brigade Bernkastel/Mosel auf und übernahm wenig später die Führung des SA-Sturmbannes Mayen/Eifel. Nach seiner Versetzung zum SA-Gruppenstab in Koblenz wurde er Referent für Weltanschauung und Kultur. Diese Stelle hatte er jedoch nur kurze Zeit inne, da er, angeblich wegen verschiedener innerhalb der Partei und der SA aufgetretener Missstände, aus dem hauptamtlichen Dienst ausschied und sich um Einstellung bei der Kriminalpolizei bewarb. Am 15.2.1937 wurde er zur Kriminalpolizeistelle Recklinghausen als Kriminalkommissaranwärter einberufen. Nach Teilnahme an einem Kriminalkommissar-Lehrgang in Berlin wurde er im Jahre 1939 zum Kriminalkommissar befördert und am 1.5.1940 mit der Leitung einer Dienststelle der Kriminalpolizei in Buer beauftragt.
Im Oktober 1941 wurde er zum Zwecke seiner Abstellung zu dem in Russland verwendeten Einsatzkommando 8 (EK 8) nach Berlin einberufen und vom Reichssicherheitshauptamt nach Smolensk, wo damals der Stab der Einsatzgruppe B stationiert war, in Marsch gesetzt. Schulz war von Beginn seiner Zugehörigkeit zum EK 8 an Führer eines Teiltrupps, der mit der Durchführung sicherheitspolizeilicher Aufgaben in Gomel und Umgebung beauftragt war. Wenige Wochen vor der Räumung Gomels, die im Rahmen der Rückzugskämpfe der deutschen Truppen etwa Anfang September 1943 erfolgte, wurde er nach Recklinghausen zurückversetzt und leistete in der Folgezeit wiederum bei der Kriminalpolizei Dienst. Nachdem er im Jahre 1944 zur Kriminalpolizei in Halle versetzt worden war, geriet er bei Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft, aus der er in Internierungshaft überführt wurde.
In der Nacht zum 1.1.1947 gelang es ihm, aus dem Internierungslager Darmstadt zu entfliehen. Er lebte zunächst unter dem Namen Wilhelm Schröder und verdiente seinen Lebensunterhalt an verschiedenen Orten als Hilfsarbeiter. Nach der Währungsreform liess er sich neue Arbeitspapiere auf seinen richtigen Namen ausstellen und kehrte nach Recklinghausen zurück. Er legte dort die Prüfung als Kaufmannsgehilfe ab und arbeitete anschliessend als Vertreter. Etwa ab 1951 war Schulz dann bis zu seiner Verhaftung in dieser Sache als Handelsvertreter für die Rheinische Wellpappenfabrik in Kreuzau bei Düren tätig. Seit 29.11.1959 befindet er sich in Untersuchungshaft. Schulz bekleidete in der SA zuletzt den Rang eines Sturmbannführers, gehörte jedoch nicht der allgemeinen SS an. Anlässlich seines Einsatzes in Russland wurde ihm aber der seiner Dienststellung in der Kriminalpolizei entsprechende Angleichungsdienstgrad eines SS-Obersturmführers verliehen; später wurde er noch zum SS-Hauptsturmführer befördert. Die erste Ehe des Angeklagten Schulz, die er im Jahre 1940 eingegangen war, wurde nach dem Krieg geschieden. Seit 1948 ist er in zweiter Ehe mit Gus. verheiratet. Beide Ehen sind kinderlos geblieben.
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3. Der heute 50jährige Oskar Winkler ist der Sohn eines Bauern. Er wuchs zunächst in seinem Geburtsort Jscherei/Krs.Lüben auf und besuchte dort auch die Volksschule. Mit 13 Jahren kam er in die Internatsoberschule in Steinau/Oder und legte dort im Jahre 1929 die Reifeprüfung ab. Anschliessend war er drei Jahre bei der Kreisverwaltung in Lüben als Volontär beschäftigt. Da sein Vorhaben, Naturwissenschaften zu studieren, aus wirtschaftlichen Gründen gescheitert war, wandte er sich dem Versicherungsfach zu und war von 1933 bis 1940 im Aussendienst für verschiedene Versicherungen tätig. Während dieser Zeit genügte er vom 1.11.1935 bis zum 30.9.1936 seiner Wehrdienstpflicht und wurde nach Ableistung einer Übung im Sommer 1939 zum Wachtmeister und Reserveoffiziersanwärter ernannt.
Winkler hatte sich während seiner Versicherungstätigkeit einige Ersparnisse geschaffen und entschloss sich daher im Jahre 1940, Rechtswissenschaft zu studieren und sich dadurch bessere Berufsmöglichkeiten zu sichern. Sein Studium an der Universität Breslau wurde durch seine Abordnung zum EK 8 im Mai 1941 unterbrochen.
Nach seiner Rückkehr aus Russland im Oktober 1941 hatte er Gelegenheit, sein Studium an der Universität Berlin fortzusetzen und im Jahre 1942 die 1. juristische Staatsprüfung abzulegen. Anschliessend leistete er den Vorbereitungsdienst für den höheren Verwaltungsdienst bei der Regierung in Königsberg ab und bestand im Sommer 1943 in Berlin die 2. juristische Staatsprüfung. Anschliessend wurde er als Regierungsassessor zum Kommandeur der Sicherheitspolizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes (SD) nach Bergen (Norwegen) abgeordnet. Dort war er bis zum Kriegsende stellvertretender Dienststellenleiter und zugleich Referent der Abteilung III (SD). Anlässlich des Zusammenbruchs des deutschen Reiches im Mai 1945 geriet er in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er im weiteren Verlauf in Internierungshaft überführt wurde.
Nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager Ludwigsburg im Sommer 1948 begab er sich zunächst in den Landkreis Ravensburg und verdiente dort seinen Lebensunterhalt als Hilfsarbeiter. 1950 siedelte er nach Ravensburg über und war seit dieser Zeit bis zu seiner Festnahme in dieser Sache (26.November 1959) als Vertreter für mehrere Versicherungen tätig.
Winkler trat als junger Mann im Jahre 1933 der allgemeinen SS bei und war ab 1936 auch freier Mitarbeiter des SD. Am 20.3.1939 wurde er zum SS-Untersturmführer befördert und erreichte schliesslich den Dienstgrad eines SS-Hauptsturmführers. Während seiner Zugehörigkeit zum EK 8 war er SS-Obersturmführer.
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4. Der Angeklagte R. wurde am 22.5.1914 als Sohn des Stahlkaufmanns Carl Eugen R. in München geboren. Er besuchte in Düsseldorf, wohin seine Eltern kurz nach seiner Geburt verzogen waren, die Volksschule und anschliessend die Oberrealschule. Im Frühjahr 1934 legte er die Reifeprüfung ab. Am 20.4.1934 trat er in den freiwilligen Arbeitsdienst ein, dem er etwa ein halbes Jahr angehörte. Anschliessend wurde er auf Grund einer Freiwilligenmeldung zur damaligen Reichswehr einberufen und diente bis zum Herbst 1935 bei einem Reiterregiment. Später leistete er noch einige Reserveübungen ab und wurde schliesslich zum Wachtmeister der Reserve und Reserveoffiziersanwärter befördert.
Mit Rücksicht auf die noch immer schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse und die dadurch bedingten schlechten Berufsaussichten, insbesondere im kaufmännischen Beruf, bewarb sich der Angeklagte nach seinem Ausscheiden aus der Wehrmacht um eine Anstellung im Polizeidienst und wurde am 1.12.1935 bei der Staatspolizeistelle Düsseldorf als Kriminalangestellter aufgenommen. Im Jahre 1937 wurde er zum Kriminalkommissaranwärter ernannt und im Jahre 1939 zu einem Kriminalkommissar-Lehrgang an der damaligen Führerschule der Sipo und des SD in Berlin-Charlottenburg abgeordnet. Anschliessend wurde er zum Kriminalkommissar befördert.
R. leistete dann in der Folgezeit kurzfristig Dienst bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Düsseldorf und Koblenz und wurde schliesslich von Koblenz aus als Leiter eines Schutzdienstsonderkommandos zum Hauptquartier des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, des damaligen Reichsmarschalls Göring, abkommandiert. Diesem Kommando gehörte er in der Zeit vom 15.Mai bis 4.Oktober 1940 an. Schon während des genannten Zeitraumes wurde er auf Grund eines Auswahllehrganges für begabte Polizeiangehörige zum Studium der Rechtswissenschaften zugelassen. Er studierte zunächst an der Universität Bonn, später in Frankfurt und Berlin. Durch die Abkommandierung zum EK 8 in der zweiten Hälfte des Mai 1941 wurde das Studium des Angeklagten unterbrochen. Nach seiner Rückkehr aus Russland, die Mitte oder Ende Oktober 1941 erfolgte, studierte R. an der Universität Berlin weiter und legte im Jahre 1942 die 1. juristische Staatsprüfung ab. Anschliessend leistete er den Vorbereitungsdienst für den höheren Verwaltungsdienst bei der Regierung in Königsberg ab. Im Sommer 1944 bestand er das 2. Staatsexamen. In der Folgezeit war er dann kurz zur Dienstleistung beim Reichssicherheitshauptamt abgeordnet und anschliessend während der letzten Kriegsmonate als persönlicher Referent beim Inspekteur der Sipo und des SD in Königsberg und Nürnberg tätig.
Nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches, den er in Niederbayern erlebte, verdiente R. seinen Lebensunterhalt zunächst als Waldarbeiter, nachdem er sich im Anschluss an die Kapitulation der deutschen Wehrmacht nach Gronau bei Hannover begeben hatte. Er eröffnete dann noch im Jahre 1945 ein selbständiges Holzbearbeitungsunternehmen, das jedoch bald nach der Währungsreform seinen Geschäftsbetrieb einstellen musste. R. arbeitete dann bei verschiedenen Firmen als Vertreter oder kaufmännischer Angestellter und war zuletzt seit September 1956 als Zeitangestellter beim Statistischen Landesamt Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Er wurde am 8.5.1959 im Rahmen des vorliegenden Verfahrens in Untersuchungshaft genommen.
Die Ehe des Angeklagten R., die am 1.5.1945 geschlossen wurde und aus der eine Tochter hervorgegangen war, wurde am 13.1.1956 geschieden. Ausser diesem ehelichen Kind, das im Jahre 1953 geboren wurde, hat der Angeklagte noch eine aussereheliche Tochter, die bereits 19 Jahre alt ist, ferner einen Adoptivsohn, der aus der ersten Ehe seiner geschiedenen Ehefrau stammt.
R. ist im Mai 1937 der NSDAP als Mitglied beigetreten. Zu Beginn des genannten Jahres war er bereits in die SS eingetreten. Die Zugehörigkeit zur NSDAP und insbesondere die Mitgliedschaft bei der SS war ihm im Zusammenhang mit seiner Bewerbung um Aufnahme in den Polizeidienst nahegelegt worden. Zu Beginn des Jahres 1941 wurde er zum SS-Untersturmführer befördert. Diesen Dienstgrad hatte er auch während seiner Zugehörigkeit zum EK 8 inne. Im Jahre 1942 erfolgte seine Beförderung zum SS-Obersturmführer.
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5. Der 50jährige Angeklagte S. wurde als jüngstes von 9 Kindern der Lehrerseheleute Fritz und Anna S. in Elmshorn/Holstein geboren. Er wuchs im elterlichen Haushalt auf und besuchte in seinem Geburtsort die Volksschule und trat anschliessend in das Realgymnasium über, wo seine Leistungen jedoch unzureichend waren, so dass er noch vor Erlangung der mittleren Reife ausscheiden musste. Aus diesem Grund wandte er sich dem kaufmännischen Beruf zu, konnte aber nach erfolgreicher Ablegung der Gehilfenprüfung im Jahre 1929 wegen der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit keine Stellung finden. Er erlernte daher das Schriftsetzerhandwerk und bestand im Jahre 1933 auch in diesem Handwerk die Gehilfenprüfung. Nachdem er etwa 1 bis 2 Jahre als Schriftsetzergehilfe tätig gewesen war, meldete er sich zum Wachdienst des damals im Aufbau befindlichen Fliegerhorstes Uetersen und gehörte schliesslich bis zum Jahre 1940 der Fliegerhorstfeuerwehr an. Er meldete sich dann zur Schutzpolizei. Er wurde zunächst für einige Monate dem Schutzpolizeiausbildungsbataillon Itzehoe zugeteilt und nahm dann an einer mehrmonatigen Ausbildung auf der Grenzpolizeischule in Pretzsch teil. Anschliessend wurde er als ausserplanmässiger Kriminalassistent zum Grenzpolizeikommissariat Cuxhaven versetzt, wo er bis zu seiner Abordnung zum EK 8, die im Mai 1941 angeordnet wurde, seinen Dienst verrichtete. Dem EK 8 gehörte er bis zum September 1943 an. S. wurde dann zur Staatspolizeistelle Bremen versetzt. Dort verblieb er bis zum Kriegsende. Seit diesem Zeitpunkt lebt er in Hamburg und verdient seinen Lebensunterhalt wieder als Schriftsetzer.
Die erste Ehe des Angeklagten S., die kinderlos geblieben war, wurde im Jahre 1946 geschieden. Seit 1947 ist S. erneut verheiratet; aus dieser Ehe ist ein Sohn hervorgegangen, der gegenwärtig etwa 3 Jahre alt ist.
S. war seit März 1933 Mitglied der NSDAP und der SS, ohne sich jedoch in irgendeiner Weise politisch zu betätigen oder hervorzutun. Aus diesem Grund blieb er auch einfacher SS-Mann, bis er im Jahre 1940 im Zusammenhang mit seiner Ernennung zum ausserplanmässigen Kriminalassistenten den Angleichungsdienstgrad eines SS-Oberscharführers erhielt. Im Laufe des Krieges rückte er dann schliesslich noch bis zum SS-Hauptscharführer auf.
Der Angeklagte wurde auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 20.10.1959 in Untersuchungshaft genommen. Er befindet sich seit 20.12.1960 infolge Ausservollzugsetzung des Haftbefehls wieder auf freiem Fuss.
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II. Aufgaben und Aufstellung der Einsatzgruppen
1. Entsprechend dem Parteiprogramm der NSDAP, nach dessen Punkt 4 ein Jude niemals ein Volksgenosse und damit Staatsbürger sein konnte, begann schon bald nach der sogenannten Machtübernahme am 30.1.1933 die Diskriminierung und Entrechtung der in Deutschland lebenden Juden. Dies geschah zunächst durch eine Reihe gesetzgeberischer Massnahmen, die darauf abzielten, die Juden aus dem öffentlichen Leben und aus dem Wirtschaftsleben zu eliminieren und auf diese Weise zur Auswanderung unter Zurücklassung grosser Teile ihres Vermögens zu veranlassen (vgl. z.B. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933; Reichsbürgergesetz vom 15.9.1935 und dessen Verordnungen). Das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15.9.1935, das die Eheschliessung von Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes sowie den Geschlechtsverkehr zwischen Personen der genannten Bevölkerungskreise verbot und Zuwiderhandlungen unter schwere Strafe stellte, und einige Verordnungen (z.B. die 3. Bekanntmachung über den Kennkartenzwang vom 23.7.1938; 2. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17.8.1938) dienten der Isolierung der Juden innerhalb des Volkskörpers.
Man scheute auch nicht davor zurück, den gesetzlichen Verfolgungsmassnahmen durch Gewaltakte gegen die jüdische Bevölkerung besonderen Nachdruck zu verleihen. Die Tötung des deutschen Legationssekretärs vom Rath durch den Juden Hershel Grynspan war ein willkommener Anlass, in der Nacht vom 9. zum 10.November 1938 im gesamten Reichsgebiet unter der Führung örtlicher Parteiführer und sonstiger Funktionäre zu Willkür- und Terrorakten gegenüber den Juden zu schreiten. In dieser "Reichskristallnacht" wurden durch den gelenkten Pöbel zahlreiche Angehörige der jüdischen Bevölkerung ermordet und misshandelt und ihre Geschäfte und Wohnungen demoliert und geplündert. Das genannte Attentat bot der nationalsozialistischen Reichsregierung auch Gelegenheit, die Entrechtung der Juden durch weitere gesetzgeberische Massnahmen zu vervollständigen und ihre Vertreibung aus dem Reichsgebiet zu beschleunigen (z.B. 10. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 4.7.1939, RGBl. I S.1097 ff.). Nach dem Beginn des 2.Weltkrieges wurden die Juden in ihrer Bewegungsfreiheit innerhalb des Reichsgebietes beschränkt und dazu gezwungen, vom 6. Lebensjahr ab in der Öffentlichkeit den Judenstern zu tragen (vgl. Polizeiverordnung vom 1.9.1941, RGBl. I S.547 ff.). Ihre Arbeitsverhältnisse wurden in Beschäftigungsverhältnisse besonderer Art umgewandelt (Verordnung vom 31.10.1941, RGBl. I S.681 ff.). Ferner wurde ihnen verboten, öffentliche Fernsprechzellen, öffentliche Verkehrsmittel, elektrische Geräte, Fahrräder, Schreibmaschinen usw. zu benutzen. In Strafsachen wurde ihnen die Einlegung von Rechtsmitteln untersagt. Schliesslich wurde durch die 13. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 1.7.1943 (RGBl. I S.372) bestimmt, dass strafbare Handlungen von Juden nicht mehr durch die ordentlichen Gerichte, sondern durch die Polizei geahndet wurden und dass nach dem Tode eines Juden sein gesamtes Vermögen dem Reich verfiel.
2. Während zunächst lediglich die Entrechtung und die Vertreibung der Juden aus Deutschland angestrebt worden war, wurde mit Rücksicht auf die Anfangserfolge des Deutschen Reiches im Kriege, die zur Unterwerfung eines grossen Teiles Europas führten, von den NS-Gewalthabern die radikale Vernichtung der Juden innerhalb ihres Machtbereiches ernsthaft in Erwägung gezogen.
Der Feldzug gegen die Sowjetunion gab Hitler und seiner näheren, gleichgesinnten Umgebung, im besonderen Himmler und Heydrich, die Gelegenheit, zur Durchführung der geplanten "Endlösung der Judenfrage", d.h. zur physischen Vernichtung des Judentums, zu schreiten und zunächst die Ausrottung der jüdischen Bevölkerung Osteuropas zu verwirklichen. Dieser Plan wurde jedoch zunächst noch geheim gehalten, wie auch seine spätere Ausführung und die dazu erforderlichen Anordnungen als "Geheime Reichssache" behandelt wurden. Für die Ausführung dieser von Hitler befohlenen Massenvernichtung sah man die bereits bei der Besetzung der Tschechoslowakei und im Feldzug gegen Polen bewährten Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD vor, die allerdings in den genannten Einsatzräumen mit anderen Aufgaben vorwiegend sicherheitspolizeilicher Natur betraut gewesen waren. Im Verlaufe der Vorbereitungen des Russlandfeldzuges, für den die Tarnbezeichung "Unternehmen Barbarossa" gewählt worden war, wurde seitens des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes mit der Wehrmacht eine Vereinbarung getroffen, durch welche die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den Einsatzgruppen und ihren Einsatz- und Sonderkommandos einerseits und den Verbänden der Wehrmacht andererseits geregelt wurde. Den Einsatzkommandos wurde als Operationsgebiet das rückwärtige Heeresgebiet zugewiesen, während die Sonderkommandos unmittelbar hinter der kämpfenden Truppe im rückwärtigen Armeegebiet zum Einsatz gelangen sollten und später auch verwendet wurden. Diese Regelung fand ihren Niederschlag in einem Befehl des Oberbefehlshaber des Heeres vom 28.4.1941, in dem das Heer auf das Bestehen der Einsatzgruppen und auf deren Aufgaben im rückwärtigen Armeegebiet und im rückwärtigen Heeresgebiet, insbesondere die Berechtigung dieser Einheiten, im Rahmen ihres Auftrages Exekutivmassnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung in eigener Verantwortung zu treffen, hingewiesen wurde. Durch Führererlass wurden die Angehörigen der Zivilbevölkerung im besetzten russischen Gebiet der Militärgerichtsbarkeit entzogen.
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3. Im Mai 1941 wurden bei der Grenzpolizeischule Pretzsch/Elbe und in den benachbarten Städten Düben und Bad Schmiedeberg die zur Verwendung in Russland vorgesehenen Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD aufgestellt, die unmittelbar dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, unterstellt waren. Die Angehörigen dieser Einsatzgruppen wurden aus dem gesamten Reichsgebiet zusammengezogen und rekrutierten sich aus den Reihen der Gestapo, des SD, der Kriminalpolizei und der Schutzpolizei.
Entsprechend der Gliederung des deutschen Ostheeres wurden vier Einsatzgruppen (A, B, C, D) gebildet. Mit der Führung der Einsatzgruppe B, die für Operationen im rückwärtigen Gebiet der Heeresgruppe Mitte vorgesehen war, wurde der damalige Reichskriminaldirektor und Leiter des Amtes V des Reichssicherheitshauptamtes SS-Brigadeführer Arthur Nebe beauftragt. Die Einsatzgruppe gliederte sich in mehrere Unterabteilungen, die Sonderkommandos 7a und 7b und die Einsatzkommandos 8 und 9. Das EK 8 war in 6 Teiltrupps untergegliedert, die einem SS-Führer unterstellt waren und deren jeweilige Stärke von den näheren Umständen des ihnen von der Führung des EK anbefohlenen Einsatzes abhing.
Führer des EK 8 war von Beginn des Russlandeinsatzes bis zum 1.April 1942 der Angeklagte Dr. Bradfisch, der dann bei seiner Versetzung zur Staatspolizeistelle Litzmannstadt (Lodz) durch den damaligen Regierungsrat SS-Sturmbannführer Dr. Richter abgelöst wurde. Bradfisch, der zur Zeit seiner Abstellung zur Einsatzgruppe als Regierungsrat Leiter der Staatspolizeistelle in Neustadt a.d.Weinstrasse mit dem Rang eines SS-Sturmbannführers war, wurde zunächst für die Stelle eines Stabsreferenten im Stab der Einsatzgruppe B vorgesehen, wurde aber noch vor Abrücken der Einsatzgruppe nach Polen gegen den Zeugen E., der ebenfalls als Leiter einer Staatspolizeistelle tätig gewesen und entsprechend seiner Dienststellung als Regierungsrat SS-Sturmbannführer war, ausgetauscht. Stellvertreter des Angeklagten Dr. Bradfisch war zunächst der Kriminalkommissar SS-Obersturmführer Oskar Koch, der Ende Oktober oder Anfang November durch den SS-Hauptsturmführer Hasse abgelöst und ersetzt wurde. Dem Stab des EK 8 gehörten ausser den genannten Personen noch drei weitere SS-Obersturmführer an.
Neben diesen zum Stab des EK gehörigen SS-Führern befanden sich noch weitere 6 SS-Führer im Offiziersrang bei der Einheit, denen die Führung der Teiltrupps übertragen war, nämlich die SS-Obersturmführer Oskar Winkler und Werner Schönemann sowie die SS-Untersturmführer R., Egon Schönpflug, Georg Pape und ein Führer, dessen Name Graf, Grave oder ähnlich lautete. Schönpflug wurde am 29.Juni 1961 wegen der während seiner Zugehörigkeit zum EK 8 begangenen Straftaten durch das Schwurgericht in Wels/Österreich zu 9 Jahren schweren Kerker verurteilt.
Die Angeklagten R. und Winkler wurden Mitte oder Ende Oktober 1941 abgelöst. Die Führung des Teiltrupps Winkler übernahm der Angeklagte Wilhelm Schulz, der den Dienstgrad eines SS-Obersturmführers hatte, während die Führung des Teiltrupps R. offenbar dem etwa zur gleichen Zeit zum EK 8 versetzten SS-Obersturmführer Döring übertragen wurde. Dem EK 8 gehörten ferner eine grössere Anzahl von Beamten des mittleren Dienstes der Geheimen Staatspolizei und der Kriminalpolizei sowie Leute des SD an, die nach Bedarf auf die einzelnen Teiltrupps aufgeteilt waren. Die gesamte Stärke des EK 8, einschliesslich der zugeteilten Kraftfahrer und Dolmetscher, betrug etwa 60-80 Mann.
Für die Durchführung ihrer Aufgaben im rückwärtigen Heeresgebiet wurden der Einsatzgruppe B wie auch den übrigen Einsatzgruppen Einheiten der Schutzpolizei und der Waffen-SS beigegeben. Zu diesem Zweck wurde das in Berlin stationierte Polizeireservebataillon 9 kompanieweise auf die Einsatzgruppen aufgeteilt. Dabei wurde die 2. Kompanie der Einsatzgruppe B zugeteilt. Es handelte sich um ein Unterstellungsverhältnis militärischer Art, so dass die volle Befehlsgewalt auf den Führer der Einsatzgruppe und die Führer der Einsatzkommandos überging. Der 1. Zug der 2. Kompanie unter Führung des Leutnants der Schutzpolizei D. und im weiteren Verlauf des Einsatzes auch der 3. Zug unter Führung des Hauptwachtmeisters Ne., der während der ersten Wochen des Russlandfeldzuges dem von SS-Sturmbannführer Dr. Filbert geführten Einsatzkommando 9 zugeteilt war, wurden dem EK 8 unterstellt. Dem Führer der 2. Kompanie, Hauptmann der Schutzpolizei Helmut Gantz, war, von Personalangelegenheiten abgesehen, die Befehlsgewalt über seine Einheit entzogen, deren Züge zumeist auch räumlich von ihm getrennt waren und in einem ausgedehnten Einsatzraum Verwendung fanden.
Anfangs Dezember 1941 wurde das Polizeireservebataillon 9 aus Russland abgelöst und durch das Polizeireservebataillon 3 ersetzt, dessen 1. Kompanie unter Führung des Hauptmanns der Schutzpolizei Si. wiederum der Einsatzgruppe B unterstellt wurde. Zwei Züge dieser Einheit wurden dem EK 8 zugeteilt. Im Bedarfsfalle, d.h. zur Durchführung grösserer Aktionen, wurden den Einsatzgruppen und Einsatzkommandos auch andere Polizeieinheiten zugewiesen und vorübergehend unterstellt. So wurde das Polizeibataillon 316, das dem Verband des Polizeiregiments Mitte angehörte und im Rahmen dieser Einheit dem Höheren SS- und Polizeiführer Russland-Mitte, SS-Obergruppenführer von dem Bac., unterstand, dem von Dr. Bradfisch geführten EK 8 wiederholt zur Durchführung von Massenerschiessungen im Raum Mogilew und Bobruisk unterstellt. Ferner wurde vom EK 8 auch eine weissruthenische Milizeinheit, die gleichfalls dem Höheren SS- und Polizeiführer unterstand, zur Unterstützung einer Grossaktion in Mogilew herangezogen.
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4. Kurz vor Beginn des Ostfeldzuges fand in der Grenzpolizeischule in Pretzsch eine Dienstbesprechung statt, zu der einige höhere SS-Führer aus dem Reichssicherheitshauptamt, unter ihnen Heydrich, der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, und der Leiter des Amtes IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes Müller erschienen. An dieser Besprechung nahmen die Führer der Einsatzgruppen, die Stabsreferenten und die Führer der Einsatzkommandos teil. Im Verlauf der Besprechung gab Heydrich bekannt, dass der Einmarsch in die Sowjetunion unmittelbar bevorstehe und die Einsatzgruppen die Aufgabe hätten, im Rahmen der Befriedung des rückwärtigen Heeresgebietes die "Sonderbehandlung", d.h. die Tötung, "potentieller Gegner" durchzuführen. Zu diesem Personenkreis rechnete man, entsprechend dem Vernichtungsbefehl Hitlers, vor allem die jüdische Bevölkerung der zu besetzenden Gebiete, aber auch andere "rassisch minderwertige Elemente" (z.B. Zigeuner, Mongolen und dgl.), sowie Funktionäre und Mitglieder der kommunistischen Partei. Heydrich sprach in diesem Zusammenhang auch davon, dass Hitler selbst den Befehl zur Vernichtung der jüdischen Ostbevölkerung erteilt habe und durch eine Vereinbarung mit den zuständigen Wehrmachtsstellen eine Regelung der Zuständigkeiten zwischen den Einsatzgruppen und den Verbänden des Heeres getroffen worden sei.
Unter dem Eindruck der Bekanntgabe dieser den Einsatzgruppen bevorstehenden Aufgaben fasste der bis zu diesem Zeitpunkt als Führer des EK 8 vorgesehene Regierungsrat und SS-Sturmbannführer E. den Entschluss, den Versuch zu unternehmen, von der ihm zugedachten Stellung loszukommen. Er wandte sich an den Führer der Einsatzgruppe B, Nebe, und bat ihn mit der Begründung, er sei auf Grund seines Berufes zum Aussendienst wenig geeignet, um Entbindung von der Führung des EK 8. Nebe entsprach diesem Wunsch und bestimmte an Stelle von E. den Angeklagten Bradfisch zum Führer des EK 8, während er E. als Stabsreferenten in seinen Gruppenstab nahm. Bradfisch, dem zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass die Ausführung des von Hitler gegebenen Ausrottungsbefehls den Einsatzgruppen und ihren Kommandos übertragen war, erhob gegen seine Versetzung zum EK 8 keinen Widerspruch.
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III. Marschweg des Einsatzkommandos 8
Etwa bei Beginn des Russlandfeldzuges (22.Juni 1941) rückte die Einsatzgruppe B aus Deutschland ab, sammelte sich in Posen und trat den Weitermarsch nach Warschau an. Dort stiess die 2. Kompanie des Pol.Res.Batl. 9 zur Gruppe und es erfolgte die Aufteilung dieser Einheit auf die Einsatzkommandos. Dr. Bradfisch stellte sich den seinem Kommando unterstellten Polizeiangehörigen als Führer des EK 8 kurz vor und eröffnete ihnen, dass sie von nun an seiner Befehlsgewalt unterstanden. Von Warschau aus wurden die Einsatzkommandos und Sonderkommandos selbständig eingesetzt. Sie rückten im Gefolge der kämpfenden Verbände der Heeresgruppe Mitte vor. Das EK 8 marschierte zunächst nach Bialystok, wo es Ende Juni oder Anfang Juli 1941 eintraf und etwa eine Woche verblieb. Auf dem weiteren Weg nach Osten bezog es dann für 1 bis 2 Wochen in Baranowicze Quartier und traf schliesslich in der zweiten Julihälfte in Minsk ein, wo es etwa bis Ende August 1941 seinen Standort hatte. Am 9.9.1941 erreichte das EK 8, das bei seinem weiteren Vorrücken die Orte Borissow und Orscha berührt hatte, Mogilew. Da die deutsche Offensive zunächst zum Stehen kam und schliesslich nach dem missglückten Vorstoss auf Moskau die Front im Mittelabschnitt erstarrte, verblieb das EK 8, das ursprünglich zusammen mit dem EK 9 für die Durchführung sicherheitspolizeilicher Aufgaben in Moskau vorgesehen war, in Mogilew und richtete sich dort, auch mit Rücksicht auf den früh hereinbrechenden Winter, auf einen längeren Aufenthalt ein.
In die nördlich und südlich des beschriebenen Marschweges gelegenen Orte wie Nowogrodek, Sluzk, Bobruisk, Gomel und Gorki wurden Teiltrupps des EK 8 entsandt. Dies geschah auch bei Orten, die durch das EK 8 auf seinem Marsch nach Mogilew nur kurz berührt wurden (z.B. Borissow, Orscha). Nachdem das EK 8 in Mogilew endgültig Quartier bezogen hatte, wurden nach Gomel, Roslawl und weiteren nicht mehr feststellbaren Orten Teiltrupps verlegt, die dort längere Zeit - der in Gomel stationierte, unter Führung des Angeklagten Schulz stehende Teiltrupp sogar bis zum Rückzug der deutschen Truppen im Spätsommer 1943 - verblieben.
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IV. Art und Weise der vom EK 8 und seinen Teiltrupps durchgeführten Erschiessungen; Ereignismeldungen
1. In Ausführung des Befehls zur Vernichtung der jüdischen Ostbevölkerung sowie anderer gleichfalls als rassisch minderwertig angesehener Bevölkerungsgruppen und der Funktionäre der russischen KP führte das EK 8 nach Überschreitung der im Jahre 1939 zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion festgelegten Demarkationslinie laufend Erschiessungsaktionen durch, bei denen hauptsächlich Juden getötet wurden. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Tötung von Partisanen, sonstigen Widerstandskämpfern oder Personen, die gegen die von der deutschen Besatzungsmacht erlassenen Anordnungen verstossen oder kriminelles Unrecht begangen hatten, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, mag auch in einer Reihe von Fällen eine genaue Nachprüfung der gegen diese Personen erhobenen Vorwürfe, soweit sie nicht auf frischer Tat betroffen worden waren, nicht erfolgt sein. Die Erfassung der Juden in den jeweils betroffenen Orten - im damaligen Sprachgebrauch als "Überholung" bezeichnet - geschah in der Weise, dass die Ortschaften oder Strassenzüge von einem Teil der Angehörigen des Einsatzkommandos umstellt wurden und anschliessend die Opfer durch andere Kommandoangehörige aus ihren Häusern und Wohnungen wahllos zusammengetrieben wurden. Die Opfer wurden dann entweder im unmittelbaren Anschluss an ihre Gefangennahme mit Hilfe von Lastkraftwagen an die vorher bereits festgelegten und vorbereiteten Erschiessungsstätten transportiert oder in dafür geeigneten Gebäuden (Schulen, Fabrikgebäuden) oder an sonstigen Örtlichkeiten gefangen gehalten, bis sie dann am nächsten Tag oder einige Tage später erschossen wurden. Schon bei diesen sogenannten "Durchkämmungsaktionen" kam es zu körperlichen Misshandlungen und in einzelnen Fällen auch zur Tötung alter und kranker Leute, die nicht mehr gehfähig waren und infolgedessen in ihren Behausungen oder deren unmittelbarer Nähe erschossen wurden.
Die Massenerschiessungen fanden jeweils ausserhalb der "überholten" Stadt oder Ortschaft statt, wobei entweder natürliche Bodenvertiefungen, verlassene Infanterie- und Artilleriestellungen und vor allem Panzergräben oder von den Opfern selbst geschaufelte Massengräber als Exekutionsorte dienten. Bei den Exekutionen, die während der ersten Wochen des Russlandfeldzuges erfolgten, wurden nur Männer etwa im Alter zwischen 18 und 65 Jahren getötet, während man Frauen und Kinder offenbar zunächst noch verschonte. Spätestens ab August 1941 jedoch - bereits bei den Erschiessungen in Minsk - ging man dazu über, Männer und Frauen jeder Altersstufe und auch Kinder zu töten. Nach Abschluss der Vorbereitungen wurden die Opfer, die in unmittelbarer Nähe der Erschiessungsgrube von den Lastkraftwagen abgeladen wurden und auf dem Boden sitzend auf die weiteren Ereignisse warten mussten, entweder durch Angehörige des EK 8 an die Gruben herangeführt oder durch Gassen, die von Kommandoangehörigen gebildet wurden, an die Gruben, notfalls mit Hilfe von Stockschlägen herangetrieben. Nachdem sie zunächst ihre Wertsachen und die gut erhaltenen Kleidungsstücke abgegeben hatten, sofern dies nicht bereits bei der Gefangennahme geschehen war, hatten sie sich mit dem Gesicht zum Boden in die Grube zu legen und wurden dann durch Schüsse in den Hinterkopf getötet. Bei den anfänglichen Erschiessungsaktionen (Bialystok, Baranowicze, Minsk), aber auch gelegentlich noch später anlässlich von Grossaktionen, wurden aus den Angehörigen der Einsatzkommandos und den zugeteilten Polizisten Hinrichtungspelotons zusammengestellt, die in ihrer Stärke der Zahl der jeweils zur Erschiessungsgrube getriebenen Menschengruppen entsprachen oder in einzelnen Fällen auch die doppelte Stärke besassen, so dass jeweils ein Schütze oder zwei Schützen auf ein Opfer zu schiessen hatten. Diese Erschiessungskommandos, die mit Karabinern ausgerüstet waren, wurden zumeist aus Polizeiangehörigen zusammengestellt und von einem Zugführer der unterstellten Polizeieinheit entsprechend den ihm von der Führung des EK 8 erteilten Anordnungen befehligt. Bei diesen von Erschiessungspelotons vorgenommenen Exekutionen kam es gelegentlich auch vor, dass die Opfer sich am Grubenrand aufstellen mussten, um anschliessend in die Gruben "hineingeschossen" zu werden.
Im Laufe des Einsatzes ging man jedoch immer mehr dazu über, die Erschiessung durch Gewehrsalven abzustellen und die zur Exekution bestimmten Menschen durch Einzelfeuer aus Maschinenpistolen zu töten. Der Grund hierfür lag einmal darin, dass die Erschiessung mittels Gewehrsalven verhältnismässig lange Zeit in Anspruch nahm, zum anderen, dass die Wirkung der aus kürzester Entfernung abgegebenen Schüsse so heftig war, dass das Erschiessungskommando und sonstige an den Aktionen beteiligten Personen von Blut und von Gehirnteilen der Getöteten bespritzt wurden, ein Umstand, der die ohnehin schon ausserordentliche seelische Belastung der zu den Hinrichtungskommandos eingeteilten Männer so sehr steigerte, dass häufig Fehlschüsse vorkamen und dadurch eine Verlängerung der Leiden der Opfer eintrat.
Die Erschiessungen mittels Maschinenpistolen gingen in aller Regel so vor sich, dass die zur Durchführung der Hinrichtung ausersehenen Angehörigen des Einsatzkommandos in der Grube an der Reihe der zu erschiessenden Personen entlang gingen und ein Opfer nach dem anderen durch Schüsse in den Hinterkopf töteten. Diese Art der Exekution führte allerdings zwangsläufig dazu, dass ein Teil der Opfer, auf den schlecht oder überhaupt nicht abgedeckten Leichen liegend und den sicheren Tod vor Augen, längere Zeit warten mussten, bis sie selbst den Todesschuss erhielten. In einigen Fällen wurde die Tötung der Opfer in der Weise durchgeführt, dass diese im Laufschritt an die Erschiessungsstätte herangetrieben, in die Grube gestossen und dann im Fallen erschossen wurden. Während bei den Erschiessungen in Bialystok und Baranowicze, zum Teil auch noch bei den Exekutionen in Minsk, die Leichen mit Sand oder Erde mehr oder weniger gut abgedeckt worden waren, bevor die nächste Gruppe an die Grube herangetrieben oder herangeführt wurde, fand eine solche Abdeckung bei den späteren Erschiessungsaktionen nur noch selten statt, so dass die nachfolgenden Opfer, soweit sie in der Grube erschossen wurden, sich jeweils auf die Leichen der unmittelbar vorher Getöteten zu legen hatten. Aber auch in den Fällen, in denen die Leichen flüchtig mit Sand oder Erde zugeworfen worden waren, spürten die nachfolgenden Opfer die Körper ihrer getöteten Schicksalsgenossen, deren Körperteile häufig noch aus der dünnen Erd- oder Sandschicht herausragten. Ein Arzt wurde zu den Exekutionen nicht hinzugezogen. Falls eines der Opfer noch Lebenszeichen von sich gab, wurde ihm von einem Angehörigen des Kommandos, zumeist einem Führer, mit der Pistole ein Nachschuss verabreicht.
Die Exekutionsstätten wurden jeweils durch Angehörige des Einsatzkommandos oder diesem unterstellte Polizeibeamte abgeriegelt, so dass für die in unmittelbarer Nähe der Erschiessungsgruben auf ihren Tod wartenden Menschen keine Möglichkeit bestand, ihrem Schicksal zu entrinnen. Vielmehr hatten sie Gelegenheit - dieser Umstand stellt eine besondere Verschärfung ihrer Leiden dar -, das Krachen der Gewehrsalven oder der Maschinenpistolenschüsse zu hören und in einzelnen Fällen sogar die Erschiessungen, denen Nachbarn, Freunde und Verwandte zum Opfer fielen, zu beobachten.
Angesichts dieses grausigen Geschicks brachen die Opfer häufig in lautes Weinen und Wehklagen aus, beteten laut und versuchten, ihre Unschuld zu beteuern. Zum Teil aber gingen sie ruhig und gefasst in den Tod.
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2. Die Einsatzkommandos hatten über ihre Tätigkeit an die Einsatzgruppen, denen sie unmittelbar unterstanden, zu berichten. Bei den Einsatzgruppen wurde dann auf der Grundlage der von den einzelnen Kommandos eingelaufenen Meldungen ein eigener Bericht zusammengestellt und an das Reichssicherheitshauptamt weitergeleitet, in dessen Amt IV (Gestapo) sie dann zu den sogenannten "Ereignismeldungen UdSSR des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes" verarbeitet wurden.
Beim EK 8 wurden die von den Teiltrupps einlaufenden Meldungen, die in der Regel von den Führern dieser Trupps verfasst wurden, verwertet und von dem Angeklagten Dr. Bradfisch oder dessen Stellvertreter auf dem Kurierwege an den Stab der Einsatzgruppe weitergegeben. Dort wurden die von den Kommandos gegebenen Berichte von dem für die Berichterstattung zuständigen Stabsreferenten E. und nach dessen Ablösung von seinem Nachfolger SS-Sturmbannführer Holste bearbeitet und dann als Tätigkeitsbericht der Einsatzgruppe B nach Berlin zum Reichssicherheitshauptamt weitergeleitet.
In den meisten Berichten der Ereignismeldungen über Judenerschiessungen wurden für die Exekutionen fadenscheinige Begründungen (z.B. Nichttragen des vorgeschriebenen Kennzeichens; Verbreitung deutschfeindlicher Gerüchte; renitentes Verhalten und Aufenthalt ausserhalb des Ghettos u.ä.) angeführt, um den Eindruck zu erwecken, als seien die Massnahmen durch das Verhalten der getöteten Menschen ausgelöst worden.
V. Die vom Einsatzkommando 8 durchgeführten Exekutionen im einzelnen und die Mitwirkung der Angeklagten
Die in diesem Abschnitt enthaltene Aufzählung der Orte, an denen nachweisbar Erschiessungsaktionen stattgefunden haben, erhebt nicht den Anspruch, eine vollständige Wiedergabe der Tätigkeit des EK 8 in dem Zeitraum vom Beginn des Russlandfeldzuges bis Anfang Dezember 1941 zu sein. Wenn eine erhebliche Anzahl weiterer Exekutionen im Rahmen dieses Verfahrens unberücksichtigt bleiben musste, obgleich sie in den Ereignismeldungen Erwähnung gefunden hatten, so deshalb, weil infolge des aussergewöhnlich grossen Zeitabstandes von den damaligen Ereignissen ausreichende Feststellungen hinsichtlich dieser Aktionen nicht mehr getroffen werden konnten, und auch die Tatbeteiligung der einzelnen Angeklagten insoweit nicht mehr in der erforderlichen Weise aufzuklären war.
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A. Erschiessungen unter der Leitung des Angeklagten Dr. Bradfisch oder seines Stellvertreters
1. Die Exekutionen in Bialystok
In Bialystok traf das EK 8 Ende Juni oder Anfang Juli 1941 - nach der Ereignismeldung Nr.17 am 1.Juli - ein. Die Angehörigen des Kommandos mit Ausnahme des Angeklagten Dr. Bradfisch hatten bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von dem den Einsatzgruppen erteilten Vernichtungsbefehl. Sie waren der Meinung, im Rahmen des bevorstehenden Einsatzes sicherheitspolizeiliche Aufgaben erfüllen zu müssen. Erst kurz vor den Vorbereitungen zur ersten Massenexekution in Bialystok gab der Angeklagte Dr. Bradfisch den Führern seines Kommandos bekannt, dass nach einem Befehl Hitlers das ganze besetzte Russland judenfrei zu machen sei und auch andere rassisch minderwertige Elemente sowie KP-Funktionäre zu liquidieren seien. Bradfisch wies bei dieser Gelegenheit auch darauf hin, dass es sich um einen Führerbefehl handle, der unbedingt auszuführen sei, und dass die Angehörigen des Einsatzkommandos der SS- und Polizeigerichtsbarkeit unterständen.
Das EK 8 hat in Bialystok in den ersten Julitagen 1941 zwei Erschiessungsaktionen durchgeführt, bei denen eine nicht mehr genau feststellbare Zahl von Juden männlichen Geschlechts im Alter von etwa 18-65 Jahren, mindestens jedoch einmal 800 und einmal 100, getötet wurden. Auf Seite 12 der Ereignismeldung Nr.21 vom 13.Juli 1941 ist davon die Rede, dass in Bialystok 215 jüdische und bolschewistische Funktionäre erschossen worden seien und die Exekutionen in gleicher Stärke laufend fortgesetzt würden. Die zeitliche Reihenfolge der beiden genannten Exekutionen liess sich nicht mehr feststellen. Zum Zwecke der Ergreifung der Opfer wurden die einzelnen Stadtviertel systematisch durchsucht. Während die dem EK 8 zugeteilten Polizeireservisten die Strassenzüge abriegelten, holten die Kommandoangehörigen die Juden aus ihren Häusern und trieben sie auf die Strasse. Dort wurden sie gesammelt und anschliessend in eine Schule gebracht, wo sie bis zu ihrer Erschiessung untergebracht und von Polizisten bewacht wurden. Am nächsten Tag verbrachte man sie dann mit Hilfe von Lastkraftwagen in ein Waldgelände ausserhalb der Stadt, wo bereits die Erschiessungsgruben vorbereitet waren. Bei der grösseren der beiden Aktionen wurden dann aus den Angehörigen des EK 8 und der zugeteilten Polizeieinheit Hinrichtungskommandos zu je 40 Mann gebildet, die von dem SS-Obersturmführer Schönemann und dem Polizeileutnant D. befehligt wurden. Die Leute waren mit Karabinern ausgestattet; es wurde in Salven geschossen.
Die Opfer lagen in einigem Abstand von der Erschiessungsstätte auf dem Boden und konnten das Krachen der Schüsse mitanhören. Sie wurden in Gruppen von je 20 Mann zur Grube geführt, mussten sich dann mit dem Gesicht zur Erde hineinlegen und wurden anschliessend durch Gewehrschüsse in den Hinterkopf getötet. Nach Beendigung der Exekution wurden die Gruben zugeschüttet.
Zumindest die Grossaktion wurde von dem Angeklagten Dr. Bradfisch, der am Erschiessungsort anwesend war, geleitet. Jedoch auch die andere Exekution wurde von Dr. Bradfisch befohlen. Sie wurde allein von Angehörigen des EK durchgeführt, während die Polizei absperrte, und stand vermutlich unter Leitung des Stellvertreters des Angeklagten Bradfisch, SS-Obersturmführer Koch. Bei einer dieser Aktionen in Bialystok oder bei einer späteren Exekution in Minsk hat Dr. Bradfisch vom Grubenrand aus mit einer Maschinenpistole oder einer Pistole auf die in der Grube liegenden Menschen geschossen.
Der Angeklagte Winkler hat an der kleineren Exekution mitgewirkt, indem er an der Durchkämmung der Strassenzüge teilnahm und am Exekutionsort seinem Teiltrupp Feuerbefehle erteilte.
Dem Angeklagten R. war es in Bialystok zunächst gelungen, sich von den Erschiessungen fernzuhalten. Er wurde dann aber von Obersturmführer Koch aus seinem Quartier geholt und zum Erschiessungsort gebracht, wo er auf ausdrücklichen Befehl des Angeklagten Bradfisch oder Koch bis zur Beendigung der bereits in Gang befindlichen Erschiessungsaktion anwesend bleiben musste.
Der Angeklagte S. war im Rahmen des von Obersturmführer Schönemann kommandierten Teiltrupps an der grossen Exekution in Bialystok beteiligt. Er wurde insgesamt dreimal zum Erschiessungskommando eingeteilt. Dabei wurden mindestens jeweils 10 Gewehrsalven abgefeuert. An der vorausgegangenen Erfassung der Juden war S. nicht beteiligt. Er hat jedoch bei der Aushebung der Erschiessungsgruben mitgewirkt.
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2. Die Exekutionen in Baranowicze
Das EK 8 erreichte Baranowicze etwa Mitte Juli 1941 (vgl. Ereignismeldung Nr.27, S.4). In diesem Ort fanden mindestens 2 Aktionen statt, die sich gegen die dort ansässige jüdische Bevölkerung richteten. Bei diesen vom EK 8 durchgeführten Exekutionen wurden jeweils mindestens 100 männliche Juden erschossen. Aus der Ereignismeldung Nr.32 vom 24.7.1941 (S.4) ist ersichtlich, dass damals die Liquidierung von mindestens 381 Juden gemeldet worden war. Die Opfer wurden nach ihrer Ergreifung in einer Baracke untergebracht und am nächsten Tag in einem Waldstück ausserhalb des Ortes, wohin sie mit Lastkraftwagen transportiert worden waren, erschossen. Die Erschiessungen wurden von Angehörigen des EK und den dem Kommando unterstellten Polizisten durchgeführt. Nähere Einzelheiten konnten nicht mehr festgestellt werden. Auch in Baranowicze hat Dr. Bradfisch mindestens eine der Erschiessungsaktionen beaufsichtigt und geleitet. Die Vorbereitung und Durchführung beider Exekutionen gehen auf seine Anordnung zurück.
Winkler hat an einer dieser in Baranowicze durchgeführten Erschiessungen mitgewirkt. Seine Teilnahme bestand darin, dass er mit seinem Trupp bei der Durchsuchung der Häuser, beim Transport der Gefangenen und schliesslich bei der Hinrichtung derselben eingesetzt war.
Der Angeklagte R. hat in Baranowicze gleichfalls an einer Erschiessungsaktion teilgenommen. Er musste sich, nachdem es ihm zunächst gelungen war, sich etwas abseits zu halten, auf ausdrückliche Anordnung und unter der persönlichen Aufsicht des Angeklagten Bradfisch an der Exekution beteiligen und hatte zeitweise ein Erschiessungskommando zu befehligen. Danach entfernte er sich sofort wieder etwas vom Erschiessungsort, weil er den furchtbaren Anblick nicht mehr zu ertragen vermochte und befürchtete, weitere Schiessbefehle geben zu müssen.
3. Die Exekutionen in Minsk
Während seiner Stationierung in Minsk (Juli/August 1941) hat das EK 8 oder Teile desselben mindestens 7 Judenerschiessungen durchgeführt, bei denen erstmals auch Frauen und Kinder unter den Opfern waren. Bei einer dieser Massenexekutionen, bei der mindestens 300 Juden getötet wurden, war der damalige Reichsführer-SS Himmler zugegen. Im Anschluss an die Erschiessung hielt er, im Kraftwagen stehend, eine Ansprache an die Angehörigen des EK 8 und die ihm unterstellten Polizeireservisten, in der er sinngemäss ausführte, bei dem Befehl zur Vernichtung der Juden in Osteuropa handelte es sich um eine Anordnung des Führers, die unter allen Umständen, notfalls unter Ergreifung harter Massnahmen, durchzuführen sei; die Verantwortung für die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, die er für seine historische Aufgabe halte, trage allein er.
Weiteren in Minsk vom EK 8 durchgeführten 6 Vernichtungsaktionen fielen insgesamt wenigstens 800 jüdische Menschen zum Opfer. Es handelte sich um eine grosse Exekution, bei der mindestens 400 Juden getötet wurden, und um 5 kleinere Erschiessungsaktionen, bei denen jeweils mindestens 80 Personen jüdischer Abstammung den Tod fanden. Der Ereignismeldung Nr.36 vom 28.Juli 1941 (S.2) zufolge wurden in Minsk täglich etwa 200 Personen liquidiert, die man aus einem Zivilgefangenenlager aussortierte. Die Ereignismeldung Nr.50 berichtet auf Seite 8 davon, dass in Minsk die Durchkämmung des Zivilgefangenenlagers und die Liquidierungen weitergehen. Konkrete Zahlenangaben enthalten die Ereignismeldungen Nr.67 (S.25) und Nr.73 (S.27/28), in denen von der Liquidierung weiterer 615 rassisch minderwertiger Elemente und einer Sonderaktion gegen die Minsker Juden, bei der 214 Personen erschossen wurden, die Rede ist. Die Exekutionen in Minsk gingen im wesentlichen genau so vor sich wie die früheren Aktionen. Die Opfer wurden mit Hilfe von "Durchkämmungsaktionen" in der bereits geschilderten Weise aus ihren Wohnvierteln geholt und an Sammelstellen verbracht. Von dort aus transportierte man sie in Lastwagen oder brachte sie im Fussmarsch in ein ausserhalb der Stadt gelegenes, zum Teil abgeholztes Waldgelände - es soll sich um ehemaliges Militärgelände gehandelt haben -, das schon für die geplanten Erschiessungen vorbereitet war. Die Exekutionen wurden von Angehörigen des EK 8 und den unterstellten Polizisten durchgeführt, aus denen bei den beiden grösseren Aktionen jeweils mehrere Erschiessungskommandos gebildet wurden, die von dem Polizeileutnant D. und den zum EK 8 gehörigen SS-Führern befehligt wurden.
Die in Minsk durchgeführten Massenerschiessungen, insbesondere die beiden grossen Exekutionen, wurden zumeist von Dr. Bradfisch geleitet. Soweit dies nicht der Fall war, befand sich sein Stellvertreter Koch als Einsatzleiter an der Erschiessungsstätte, um die von dem Angeklagten Bradfisch angeordneten Erschiessungen zu überwachen. Wie bereits unter Ziffer 1 (Exekutionen in Bialystok) ausgeführt, hat Dr. Bradfisch in Bialystok oder bei einer der Erschiessungen in Minsk eigenhändig mit einer Maschinenpistole oder einer Pistole auf die in der Grube liegenden Opfer geschossen. Der Angeklagte Winkler war an der Exekution, die im Beisein Himmlers stattfand, beteiligt. Er hat einem Erschiessungskommando mehrfach den Feuerbefehl erteilt. Ausserdem hat er auf die ausdrückliche Anordnung des Angeklagten Dr. Bradfisch hin und unter dessen Aufsicht einmal mit seiner Maschinenpistole auf einen der in der Grube liegenden Menschen geschossen.
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4. Die Exekutionen in Mogilew
Das EK 8 erreichte Mogilew am 9.September 1941 (vgl. Ereignismeldung Nr.90 vom 21.9.1941). Dort hat das EK 8 in mindestens 8 Erschiessungsaktionen insgesamt wenigstens 4100 jüdische Männer, Frauen und Kinder sowie russische Kriegsgefangene getötet.
Allein bei einer dieser Aktionen - sie wird in der Ereignismeldung Nr.133 vom 14.11.1941 (S.24) als Sonderaktion gegen die Juden erwähnt -, die am 19.Oktober 1941 mit Unterstützung des zum Verband des Polizeiregiments Mitte gehörigen Polizeireservebataillons 316 stattfand, wurden mindestens 3600 Juden beiderlei Geschlechts und jeden Alters erschossen. An dieser Massenerschiessung, die an einem in der Nähe der Stadt von den Russen angelegten Panzergraben zur Durchführung kam, nahm auch eine weissruthenische Milizeinheit teil. Zu dem genannten Zeitpunkt wohnten die in Mogilew lebenden Juden bereits in einem besonderen Stadtviertel (Ghetto) abgesondert von der übrigen Bevölkerung. Die von den Juden bewohnten Strassenzüge wurden zu Beginn der Aktion von Angehörigen des Pol.Batl. 316 abgeriegelt. Die Durchsuchung der einzelnen Häuser innerhalb des Absperrungsringes und das Zusammentreiben der aufgestöberten Juden hatten im wesentlichen die Angehörigen der weissruthenischen Miliz übernommen, da sie die örtlichen Verhältnisse besser kannten und sich mit den festzunehmenden Leuten besser verständigen konnten. Die festgenommenen Juden wurden in einem Fabrikgebäude untergebracht und von dort aus an den nächsten zwei Tagen mit Hilfe von Lastkraftwagen zu den Erschiessungsstätten gebracht, die ausserhalb der Stadt an einem Panzergraben gelegen waren. Die Exekutionen wurden an mehreren Stellen dieses Grabens, der sich über mehrere Kilometer erstreckte, von Angehörigen des EK 8 und der unterstellten Polizeizüge, von Einheiten des Pol.Batl. 316 und von Angehörigen der weissruthenischen Miliz vollzogen. Während die aus den Einheiten des Pol.Batl. 316 aufgestellten Erschiessungskommandos und auch die Leute der russischen Miliz mit ihren Karabinern auf die im Panzergraben liegenden Opfer feuerten, erfolgten die durch die Angehörigen des EK 8 und der zugeteilten Polizeizüge vorgenommenen Erschiessungen in der Weise, dass besonders eingeteilte SS-Führer oder Polizeiangehörige innerhalb des Grabens die vor ihnen auf dem Boden oder auf den bereits Erschossenen liegenden Menschen durch Genickschüsse, die sie aus ihren Maschinenpistolen abgaben, töteten.
Der Umfang dieser Aktion brachte es zwangsläufig mit sich, dass zumindest zeitweise von einem geregelten Ablauf der Exekutionen nicht mehr gesprochen werden konnte. Für viele der Polizisten des Pol.Batl. 316 war es überdies der erste Einsatz dieser Art. Sie waren verständlicherweise dieser ihnen zugemuteten Tätigkeit seelisch grossenteils nicht gewachsen; einige erlitten sogar Schwächeanfälle. Diese seelische Belastung und Überforderung wirkte sich naturgemäss auf ihre Treffsicherheit aus, zumal sie immerhin aus einer Entfernung von etwa 7-8 m auf die Opfer zu schiessen hatten. Die grosse Zahl der erforderlichen Nachschüsse verzögerte den Ablauf der Exekutionen erheblich und hatte natürlich auch zur Folge, dass die Qualen der in geringer Entfernung vom Panzergraben auf ihre Erschiessung wartenden Menschen verlängert wurden. Nach dieser Grossaktion meldete das EK 8, dass das in Mogilew eingerichtete Ghetto zum grossen Teil der Stadtverwaltung wieder zur Verfügung gestellt werden konnte, da die Stadt nahezu als judenfrei bezeichnet werden dürfe (vgl. Ereignismeldung Nr.133 vom 14.11.1941, S.26
Vor und nach dieser Grossaktion gegen die Juden in Mogilew hat das EK 8 mindestens 6 weitere Exekutionen geringeren Umfangs durchgeführt, die sich gegen die jüdische Bevölkerung richteten. Bei diesen Erschiessungen, bei denen jeweils mindestens 50 Personen beiderlei Geschlechts und jeden Alters den Tod fanden, waren im Gegensatz zu der vorstehend beschriebenen Massenerschiessung nur Angehörige des EK 8 und der unterstellten Polizeieinheit beteiligt. Die Tötung der Opfer erfolgte durch Schüsse aus der Maschinenpistole, die von einzelnen hierzu eingeteilten Leuten auf die in der Grube liegenden Juden abgefeuert wurden. Nähere Einzelheiten waren bezüglich dieser Erschiessungsaktionen, die in den Ereignismeldungen Nr.106 vom 7.10.1941 (S.15), Nr.124 vom 25.10.1941 (S.2) und Nr.133 vom 14.11.1941 (S.25) mit Angabe von erheblich höheren Erschiessungszahlen Erwähnung fanden, nicht mehr zu ermitteln. Eine dieser Exekutionen wurde nach Ablösung des Pol.Res.Batl. 9 durch das Pol.Res.Batl. 3, also bereits etwa Anfang Dezember 1941, durchgeführt. Bei dieser Aktion, bei der Angehörige der dem EK 8 unterstellten Polizeieinheit Absperrungsdienste leisteten, wurden in der Mehrzahl ältere Leute erschossen.
Eine weitere Aktion, die im September oder Oktober 1941 stattfand, richtete sich gegen 200 kriegsgefangene Russen mongolischer Abstammung, die aus dem Kriegsgefangenenlager in Mogilew ausgesondert und wegen ihrer Rassezugehörigkeit (sog. "rassisch minderwertige Elemente") erschossen wurden.
Sämtliche in Mogilew vom EK 8 durchgeführten Erschiessungen wurden von dem Angeklagten Dr. Bradfisch in Ausführung des ihm und seinen Untergebenen bekannten Vernichtungsbefehls Hitlers angeordnet und von ihm persönlich oder von seinem Stellvertreter Obersturmführer Koch geleitet. Er hat ferner die für die Durchführung der Grossaktion erforderlichen Polizeikräfte angefordert und deren vorübergehende Unterstellung veranlasst.
Bei einer der Aktionen in Mogilew, die unter seiner persönlichen Leitung abliefen, hat Dr. Bradfisch auch eigenhändig auf die im Panzergraben liegenden Opfer geschossen. Er trat mit einigen SS-Führern zu Beginn der Exekution an die Stirnseite des Panzergrabens heran und gab 2 oder 3 Pistolenschüsse in Richtung auf die mit dem Gesicht nach unten im Graben liegenden Personen ab. Die bereits am Graben stehenden, zur Durchführung der Exekution eingeteilten Polizeiangehörigen zogen sich daraufhin zurück, weil sie glaubten, nicht mehr benötigt zu werden und sich durch die von Bradfisch und den übrigen SS-Führern abgegebenen Schüsse selbst gefährdet fühlten.
Der Angeklagte Winkler hat bei mindestens einer der kleineren Erschiessungsaktionen in Mogilew mitgewirkt, indem er am Exekutionsort zeitweise die Aufsicht führte.
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5. Die Massenexekution in Bobruisk
Im November 1941 führte das EK 8 von Mogilew aus eine Grossaktion gegen die in Bobruisk ansässige jüdische Bevölkerung durch, bei der insgesamt mindestens 5000 Männer, Frauen und Kinder erschossen wurden. In Bobruisk war, wie noch auszuführen sein wird, bis etwa Mitte Oktober 1941 ein Teiltrupp des EK 8 unter der Führung des Angeklagten R. stationiert, mit dem Auftrag, in Bobruisk und Umgebung selbständig Judenerschiessungen vorzunehmen.
Zur Durchführung dieser Grossaktion wurde das gesamte EK 8 mit den ihm ständig unterstellten Polizeizügen und Einheiten des Pol.Res.Batl. 316 mittels Lastkraftwagen nach Bobruisk gebracht. Die zur Erschiessung vorgesehenen Menschen, bei denen es sich wiederum in der überwiegenden Mehrzahl um Personen jüdischer Abstammung handelte, wurden, wie bereits bei den vorausgegangenen Aktionen, nach Absperrung ihres Wohnviertels aus ihren Behausungen geholt und in einem für diesen Zweck geeigneten Fabrikgebäude gesammelt. Zum Teil geschah dies, offenbar um leichteres Spiel zu haben, unter dem Vorwand, es handle sich lediglich um eine Registrierung. Am darauffolgenden Tag wurden die Opfer dann im Lastwagentransport zum Exekutionsort gebracht, der ausserhalb der Stadt lag. Die Erschiessungen fanden an etwa 4-5 verschiedenen Stellen statt und wurden teils von Erschiessungskommandos, die mit Karabinern ausgerüstet waren, teils von mit Maschinenpistolen ausgestatteten Einzelschützen durchgeführt. Die Exekutionen dauerten den ganzen Tag über an, so dass die Schützen mehrfach abgelöst werden mussten. Über diese Massenerschiessung wurde in der Ereignismeldung Nr.147 vom 19.12.1941 (S.8) berichtet. Danach hat das EK 8 nach Zurückziehung des Teilkommandos eine Sonderaktion durchgeführt und anschliessend die Stadt Bobruisk und ihre nähere Umgebung als judenfrei gemeldet.
Der Angeklagte Bradfisch hat die Aktion gegen die in Bobruisk lebenden Juden befohlen. Er hat sich zu diesem Zeitpunkt dort aufgehalten, wenngleich nicht festgestellt werden konnte, dass er sich zur Leitung der Exekutionen an den Erschiessungsstätten eingefunden hat. Sein Stellvertreter Obersturmführer Koch hat zumindest zeitweise die Exekutionen beaufsichtigt.
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B. Erschiessungen, die von den Teiltrupps des Einsatzkommandos 8 selbständig vorgenommen wurden
1. Die Exekutionen in Borissow und Umgebung
Etwa in der Zeit von Anfang September bis Mitte Oktober 1941 war in Borissow ein Trupp des EK 8 unter der Führung des SS-Obersturmführers Schönemann stationiert. Er führte dort und in der Umgebung mindestens 9 Erschiessungsaktionen durch, bei denen insgesamt wenigstens 1160 Juden beiderlei Geschlechts und jeglichen Alters getötet wurden. Drei dieser Exekutionen fanden in Borissow selbst statt. Dabei wurden in einem Fall mindestens 1000 jüdische Männer, Frauen und Kinder erschossen. Den beiden weiteren Aktionen fielen jeweils mindestens 20 Juden zum Opfer. Schliesslich kamen bei den wenigstens 6 im Raum Borissow, darunter in Zembin durchgeführten Erschiessungsaktionen je mindestens 20 jüdische Menschen um das Leben.
Der Teiltrupp Schönemann führte die ihm von der Führung des EK 8 befohlenen Erschiessungsaktionen ohne Unterstützung durch Angehörige der dem Einsatzkommando unterstellten Polizeieinheit durch. Bei der grossen Aktion in Borissow wurden die Juden von den Angehörigen des EK 8 und Angehörigen des von der Wehrmacht eingesetzten örtlichen Ordnungsdienstes, der sich aus Russen zusammensetzte, zunächst aus den Häusern geholt und angewiesen, sich auf der Strasse zu versammeln. Sie wurden anschliessend im Fussmarsch zu einem Panzergraben am Ortsrand von Borissow gebracht. Dort mussten sie sich, nachdem ihnen die guten Kleidungsstücke und das noch brauchbare Schuhwerk zum Zwecke der Verteilung an den russischen Ordnungsdienst abgenommen worden waren, in Gruppen von je 10 Menschen in den als Exekutionsstätte vorgesehenen Graben legen und wurden von einem mit einer Maschinenpistole ausgerüsteten Angehörigen des Teiltrupps Schönemann durch Genickschüsse getötet. Die Leichen wurden hin und wieder mit Sand abgedeckt, bevor die nächste Gruppe in die Erschiessungsgrube zu steigen hatte und sich auf die bereits getöteten Opfer legen musste. Die Kinder wurden von ihren Angehörigen getrennt und zuerst erschossen. Die übrigen Erschiessungen spielten sich in ähnlicher Weise wie die vorstehend beschriebene Massenexekution ab. Sämtliche Aktionen, die in den Ereignismeldungen Nr.92 vom 23.9.1941 (S.36) und Nr.108 vom 9.10.1941 (S.16) Erwähnung fanden, wurden von dem SS-Obersturmführer Schönemann befohlen und geleitet. Der Angeklagte S. war bei der in Borissow durchgeführten Grossaktion mindestens dreimal als Schütze eingeteilt und hat demzufolge bei dieser Exekution wenigstens 30 Menschen getötet. S. tötete ausserdem bei einer Durchkämmungsaktion in Borissow auf Befehl des Teilkommandoführers Schönemann ein jüdisches Ehepaar, das infolge seiner altersbedingten Gebrechlichkeit nicht mehr marschfähig war, in einer in der Nähe des Hauses gelegenen Grube, wohin es durch Angehörige des russischen Ordnungsdienstes gebracht worden war, durch Schüsse aus seiner Maschinenpistole.
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2. Die Exekution in Gorki
Ein Teilkommando des EK 8 führte im Herbst 1941 in Gorki eine Judenaktion durch, bei der mindestens 50 Männer und Frauen erschossen wurden. Nähere Feststellungen über den Ablauf dieser Erschiessungsaktion konnten nicht getroffen werden. Die Ereignismeldung Nr.133 vom 14.11.1941 berichtete auf Seite 24 davon, dass bei einer "Überholung" von 8 Ortschaften im Raum Gorki insgesamt 2200 Juden aller Altersklassen liquidiert wurden.
3. Die Exekutionen in Orscha und Umgebung
Im Spätherbst 1941 führte das in Orscha eingesetzte Teilkommando des EK 8 mindestens zwei Massenerschiessungen durch. Dabei fanden in einem Fall wenigstens 600 und bei der weiteren Aktion mindestens 200 Menschen jüdischer Abstammung (Männer, Frauen und Kinder) den Tod. An diesen Exekutionen, von denen die grössere in Orscha selbst, die andere in der näheren Umgebung dieses Ortes stattfand, waren auch Angehörige der dem EK 8 unterstellten Züge des Pol.Res.Batl. 9 beteiligt. Vorbereitung und Ablauf dieser Erschiessungsaktionen entsprachen dem Vorgehen bei den bereits geschilderten Exekutionen. Die Opfer wurden durch Schüsse aus Maschinenpistolen getötet.
4. Erschiessungen des Teiltrupps R. in Sluzk und Bobruisk
Der Angeklagte R. hatte sich mit seinem Trupp in Baranowicze auf Weisung des Angeklagten Dr. Bradfisch vom Verband des EK 8 getrennt und rückte südlich des von diesem eingeschlagenen Marschweges selbständig über Ljachowicze, Sluzk und Osipowicze nach Bobruisk vor.
a. Die Exekutionen in Sluzk
R. führte mit seinem Teiltrupp, dessen Stärke etwa 12 bis 15 Mann betrug, in Sluzk in der 2.Julihälfte 1941 zwei Erschiessungsaktionen durch, bei denen insgesamt mindestens 60 jüdische Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren getötet wurden. Die bei der Durchsuchung des Judenviertels festgenommenen Männer waren zunächst in einem Gebäude, vermutlich in einem Schulhaus, untergebracht worden. Sie wurden dann mit einem Lastkraftwagen zur Erschiessungsstätte, bei der es sich um einige ehemalige Panzerfallen ausserhalb des Ortes handelte, gefahren. Dort wurden sie in kleinen Gruppen zur Erschiessungsgrube geführt, mussten sich dort mit dem Gesicht zum Boden hinlegen und wurden dann von 6 hierzu eingeteilten Leuten durch Einzelfeuer aus der Maschinenpistole, das auf den Hinterkopf gezielt war, erschossen. Die Leitung dieser Aktion hatte R.; er teilte seinen Untergebenen die jeweiligen Funktionen zu. Über die Tätigkeit des Trupps R. in Sluzk wurde in der Ereignismeldung Nr.73 vom 4.9.1941 (S.27) berichtet.
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b. Die Exekutionen in Bobruisk
Während der Monate September und Oktober 1941 war das Teilkommando R. in Bobruisk stationiert. Dort unternahm das Kommando entsprechend den von der Führung des EK 8 erteilten Weisungen mindestens 2 Erschiessungsaktionen, die von dem Angeklagten R. angeordnet und auch geleitet wurden. Die erste dieser Aktionen, die vermutlich im September 1941 stattfand, richtete sich gegen die jüdische Bevölkerung, die damals bereits in einem besonderen Ortsteil konzentriert war. Bei der Durchkämmung des Ghettos - R. hatte für diese Aktion zur Verstärkung seines Trupps von Dr. Bradfisch Schutzpolizisten zugeteilt erhalten - wurden mindestens 400 Männer, Frauen und Kinder ergriffen und anschliessend mit Hilfe von Lastkraftwagen abtransportiert. Einzelheiten über die Durchführung der Exekution, bei der in Salven geschossen wurde, liessen sich nicht mehr feststellen. Einer weiteren Exekution fielen 30 Zigeuner, die ausschliesslich wegen ihrer Rassezugehörigkeit getötet wurden, zum Opfer. Die vorstehend geschilderte Judenaktion wurde in der Ereignismeldung Nr.92 vom 23.9.1941 (S.36) erwähnt. Dort ist von der Liquidierung von 407 Personen die Rede, bei denen es sich vorwiegend um Juden handelte.
5. Erschiessungen des Teiltrupps Winkler in Nowogrodek und Gomel
a. Die Exekution in Nowogrodek
In der ersten Hälfte des Juli 1941 wurde von der Führung des EK 8 für einige Tage ein Teiltrupp unter Führung des Angeklagten Winkler von Baranowicze nach dem nördlich gelegenen Nowogrodek entsandt, mit dem Auftrag, dort Judenaktionen durchzuführen. In Nowogrodek fand unter der Leitung Winklers eine Exekution statt, bei der mindestens 40 Juden den Tod fanden. Einzelheiten waren nicht mehr feststellbar.
b. Die Exekution in Gomel
Von Mogilew aus, wo das EK 8 seinen Standort hatte, hatte der von Winkler geführte Teiltrupp zusammen mit einem oder zwei weiteren Teilkommandos in Gomel eine Aktion durchzuführen, bei der mindestens 60 Juden durch Erschiessen getötet wurden. Nähere Feststellungen über die Vorbereitung und Durchführung dieser Erschiessung, die in der Zeit zwischen Mitte September und Mitte Oktober erfolgte, konnten nicht getroffen werden.
6. Exekutionen, die vom Teiltrupp Schulz in Gomel und im näheren und weiteren Umkreis dieser Stadt durchgeführt wurden
Der Angeklagte Wilhelm Schulz traf im Laufe der ersten Hälfte des Oktober 1941 beim EK 8 in Mogilew ein. Er meldete sich bei dem Führer des EK 8, dem Angeklagten Dr. Bradfisch, und wurde von diesem über die Aufgaben und die Tätigkeit des Einsatzkommandos unterrichtet. Gleichzeitig wurde ihm eröffnet, dass ein Teiltrupp unter seiner Führung für längere Zeit nach Gomel verlegt werde und dort sicherheitspolizeiliche Aufgaben zu erfüllen und Exekutivmassnahmen durchzuführen haben werde.
Schulz rückte dann am nächsten Tag mit seinem Teilkommando, das vorher unter der Führung des abgelösten und in die Heimat zurückgekehrten Angeklagten Winkler gestanden hatte, befehlsgemäss nach Gomel ab. In der Folgezeit, d.h. im Laufe des Herbstes und Spätherbstes 1941 führte das Teilkommando Schulz entsprechend den Weisungen der Führung des EK 8 in Gomel sowie in der näheren und weiteren Umgebung dieser Stadt eine Reihe von Erschiessungsaktionen durch, die sich ausschliesslich gegen die jüdische Bevölkerung richteten und denen insgesamt mindestens 1100 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen.
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a. Die Erschiessungen in Gomel
In Gomel selbst und im näheren Umkreis der Stadt fanden mindestens zwei Massenerschiessungen statt. Dabei wurden jeweils wenigstens 200 Juden beiderlei Geschlechts und jeden Alters getötet. Beide Aktionen erfolgten in kurzem zeitlichen Abstand voneinander, wobei einmal der nördlich der Strasse nach Orel und das andere Mal der südlich dieser Strasse gelegene Teil des Judenviertels von Angehörigen des Kommandos durchsucht wurde. Die aus den Häusern geholten Juden - es handelte sich um Männer, Frauen und Kinder - wurden auf den Strassen gesammelt und anschliessend zum Gefängnis geschafft, wo sie bis zum nächsten Tag verwahrt wurden. Vom Gefängnis aus wurden sie schliesslich am darauffolgenden Tag und am nächsten Tag mit Lastkraftwagen zur Exekutionsstätte gefahren, die ausserhalb der Stadt auf einer bewaldeten Anhöhe gelegen war. Die Erschiessung der Opfer ging in der gewohnten Weise vor sich. Es waren jeweils mehrere Einzelschützen eingeteilt, die abwechselnd innerhalb der Exekutionsgrube mit ihren Maschinenpistolen die vor ihnen mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden oder auf den bereits Erschossenen liegenden Menschen, die in Gruppen an die Grube herangetrieben worden waren, durch Schüsse in den Hinterkopf töteten. Bei diesen Exekutionen kam es vor, dass Mütter, um ihre Kleinkinder zu schützen, diese unter ihrem eigenen Körper begruben, wenn sie sich in die Erschiessungsgrube legen mussten. In diesen Fällen wurden dann mehrere Schüsse auf den Rücken der betreffenden Frau abgegeben, damit auch die Kinder zu Tode kamen. Eine Nachprüfung, ob die Kinder auch tatsächlich tödlich getroffen waren, erfolgte nicht. Die Leichen wurden nur dann leicht mit Erde oder Sand abgedeckt, wenn sich zwischen dem Eintreffen der einzelnen Lastkraftwagen Verzögerungen ergaben und aus diesem Grund Zeit für diese Massnahme zur Verfügung stand. Bei diesen Aktionen mussten sich die Männer völlig und die Frauen teilweise entkleiden. Die Kleider wurden nach jeder Exekution gesammelt und dem Bürgermeister von Gomel zur Verteilung an die russische Bevölkerung übergeben.
b. Die Exekution in Rogatschew
Ferner unternahm das Teilkommando Schulz im Laufe des November 1941 von Gomel aus eine Erschiessungsaktion in Rogatschew, das nordwestlich von Gomel am Dnjepr liegt. Von dieser Aktion ist nur bekannt, dass die Opfer aus dem bereits eingerichteten Judenviertel im Wege der bereits mehrfach beschriebenen Durchkämmung des betreffenden Ortsteils herausgeholt, auf den Strassen gesammelt und anschliessend mittels Lastkraftwagen zum Exekutionsort gebracht wurden. Dort wurden sie - es handelte sich um mindestens 400 Männer, Frauen und Kinder jüdischer Abstammung - in einiger Entfernung von der Erschiessungsgrube abgeladen, in Gruppen von etwa 10 Personen zur Grube geführt und sodann von einem in der Grube befindlichen Angehörigen des Kommandos durch Schüsse in den Hinterkopf getötet. Die Männer mussten sich vor ihrer Hinrichtung völlig entkleiden.
Diese Erschiessungsaktion in Rogatschew und die Exekutionen in Gomel selbst wurden in der Ereignismeldung Nr.148 vom 19.12.1941 (S.9) erwähnt, wobei eine Zahl von insgesamt 2365 im Rahmen einer Sonderaktion erschossenen Juden und Jüdinnen genannt wurde.
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c. Die Exekution in Klienci
Im Laufe des November oder Anfang Dezember 1941 führte der Teiltrupp Schulz in dem südöstlich von Gomel gelegenen Klienci eine Aktion gegen die dort ansässige jüdische Bevölkerung durch, bei der mindestens 200 Männer, Frauen und Kinder erschossen wurden. Nähere Einzelheiten über diese Exekution, zu deren Durchführung sich Schulz mit seinen Leuten mit der Eisenbahn nach Klienci, das mit Kraftfahrzeugen infolge der schlechten Strassenverhältnisse nur mit Schwierigkeiten zu erreichen war, begab, waren nicht mehr festzustellen.
d. Die Exekution in Rjetschiza
Auch in dem im Westen von Gomel gelegenen Rjetschiza unternahm Schulz mit seinem Kommando im Oktober oder November 1941 eine Erschiessungsaktion, der mindestens 100 Juden beiderlei Geschlechts und jeden Alters zum Opfer fielen. Auch hinsichtlich dieser Exekution, die den üblichen, eingespielten Verlauf nahm, konnten nähere Feststellungen nicht getroffen werden. Es steht lediglich fest, dass die Männer sich vor der Erschiessung völlig zu entkleiden hatten, während die Frauen ihre Unterkleider behalten durften, und dass die Opfer durch Schüsse aus Maschinenpistolen getötet wurden.
Der Angeklagte Schulz hat als Führer des in Gomel eingesetzten Teilkommandos des EK 8 die vorstehend geschilderten Massenerschiessungen angeordnet und die Durchführung derselben, einschliesslich der Durchkämmungsaktionen, geleitet. Darüberhinaus hat Schulz anlässlich dieser Exekutionen nicht nur Nachschüsse auf nicht tödlich getroffene Opfer abgegeben, sondern mehrere Male mit der Maschinenpistole oder der Pistole auch auf solche Menschen geschossen, die gerade in die Erschiessungsgrube getrieben worden waren. An welchen Orten er sich in dieser Weise persönlich an den Exekutionen beteiligt hat, war nicht mehr festzustellen.
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VI. Das Verhalten der Angeklagten während des Einsatzes in Russland; ihre Einstellung zu den ihnen anbefohlenen Erschiessungen
1. Dr. Bradfisch
Der Angeklagte Dr. Bradfisch war überzeugter Anhänger des Nationalsozialismus. Er war nicht nur Mitglied der NSDAP, des NSKK und der SS, sondern hat seine unbedingte Bejahung des damaligen Staates und der Massnahmen seiner Führung vor allem dadurch bekundet, dass er bis zum Frühjahr 1941 und ab April 1942 erneut eine leitende Stellung bei der Geheimen Staatspolizei bekleidete, einer Einrichtung, die massgeblichen Anteil an der Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hatte. Er hat die ihm zur Durchführung der von Hitler angeordneten Judenvernichtung erteilten Befehle und Weisungen ohne erkennbares Widerstreben ausgeführt und ihre Ausführung durch seine Untergebenen genauestens und mit Nachdruck überwacht. In dem Bestreben, bei seinen unmittelbaren und höheren Vorgesetzten nicht unangenehm aufzufallen und seine Laufbahn als Beamter in keiner Weise zu gefährden, hat er keine ernsthaften Versuche unternommen, sich den ihm übertragenen Aufgaben zu entziehen oder die erteilten Anordnungen in ihre Auswirkungen abzuschwächen.
Schon bei der Zusammenstellung der Einsatzgruppen in Deutschland hatte Bradfisch von deren Aufgaben Kenntnis erlangt. Trotzdem wandte er sich nicht dagegen, seiner ursprünglichen Stellung als Referent im Stab der Einsatzgruppe B enthoben und als Führer des EK 8 - als solcher musste er mit der Durchführung des Vernichtungsbefehls zwangsläufig in engste Berührung kommen - verwendet zu werden. In der Folgezeit wirkte er in seiner Eigenschaft als Führer des EK 8 zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, insbesondere seines unmittelbaren Vorgesetzten Nebe, der ihn wegen seiner unbedingten Zuverlässigkeit schätzte. Seine Untergebenen kannten ihn als einen energischen und unnachgiebigen Vorgesetzten, der auf die persönlichen Belange und Wünsche des einzelnen keine Rücksicht nehmen zu können glaubte und in jeder Beziehung bedingungslosen Gehorsam forderte. Irgendwelchen Gegenvorstellungen in bezug auf die Durchführung des Vernichtungsbefehls zeigte er sich nicht zugänglich, sondern wies bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass es sich um einen Befehl der obersten Staatsführung handle, der unbedingt zu befolgen sei, und Befehlsverweigerer vor das SS- und Polizeigericht gestellt würden.
Dieses Bestreben des Angeklagten Bradfisch, den gegebenen Anordnungen Folge zu leisten und auch seine Untergebenen in jedem Fall zu deren Befolgung anzuhalten, zeigte sich immer wieder, wenn Untergebene, welche die Tötung unschuldiger Menschen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren zu können glaubten, an ihn mit dem Wunsch um Versetzung oder anderweitige Verwendung herantraten oder auf andere Weise versuchten, den Vernichtungsaktionen zu entgehen. Der Angeklagte R. wurde während der Zeit, in der er mit seinem Teiltrupp selbständig vorrückte, mehrfach von Dr. Bradfisch aufgesucht, erstmals in Ljachowicze, später dann auch in Sluzk und Bobruisk. Bei diesen Gelegenheiten brachte er R. gegenüber zum Ausdruck, dass dieser sich bei vergleichsweiser Betrachtung der von anderen Einheiten gemeldeten Erschiessungsziffern zu wenig aktiv zeige; er wolle endlich Zahlen sehen. Den von R. wiederholt geäusserten Wunsch, man möge ihm doch militärische Aufgaben zuteilen, da er und seine Männer der seelischen Beanspruchung durch die Exekutionen nicht gewachsen seien, beantwortete Dr. Bradfisch damit, es könne sich keiner von der Durchführung des Führerbefehls drücken, er solle nicht glauben, dass er im Falle der Befehlsverweigerung zur Wehrmacht weggelobt werde; eine Meldung zur Wehrmacht komme ohnehin nicht in Betracht, eine solche Meldung werde nicht weitergegeben. Anlässlich eines Besuchs beim Teiltrupp R. in Bobruisk verlangte er mit allem Nachdruck, dass nun endlich etwas - gemeint waren naturgemäss Judenaktionen - zu geschehen habe, so dass R. schliesslich keine Möglichkeit mehr sah, die Durchführung einer Erschiessung noch länger hinauszuschieben, zumal sein Vorwand, er sei mit seinem schwachen Kommando gar nicht in der Lage, Aktionen von der befohlenen Grössenordnung zu unternehmen, von Dr. Bradfisch mit der Ankündigung entkräftet worden war, er werde ihm zur Verstärkung Schutzpolizisten schicken, was einige Tage später auch geschah. Ausserdem hatte Dr. Bradfisch gelegentlich dieses Besuchs in Bobruisk auch eine Ansprache an die Männer des Teilkommandos gehalten, bei der er die Erschiessung in Minsk in Anwesenheit Himmlers schilderte und hinzufügte, dass die Verantwortung für die Vernichtungsaktionen Hitler selbst trage und mit Rücksicht darauf, dass man sich im Kriegsgebiet befinde, jede Befehlsverweigerung durch das SS- und Polizeigericht als Feigheit vor dem Feind gewertet und dementsprechend bestraft werde.
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Eine ähnliche Haltung nahm Dr. Bradfisch dem Führer der seinem Einsatzkommando unterstellten Polizeieinheit gegenüber ein. Auch der Polizeileutnant D. stiess bei dem Angeklagten Dr.Bradfisch auf wenig Entgegenkommen, wenn er bei ihm vorstellig wurde und versuchte, die Verwendung seiner Leute bei den Erschiessungsaktionen zu verhindern, indem er geltend machte, seine Leute seien als Reservisten zu wenig geschult und nicht in der Lage, die mit den Massenexekutionen verbundenen seelischen Belastungen durchzustehen. Bradfisch wies demgegenüber immer wieder darauf hin, dass die Erschiessungszahlen des EK ohnehin viel zu gering seien und an die von den anderen Einheiten gemeldeten Ziffern nicht herankämen. Gelegentlich einer solchen Unterredung erklärte Bradfisch auch einmal, er habe den Eindruck, dass D. nicht "spuren" wolle; er habe wohl die Möglichkeit, ihn durch einen tüchtigeren Offizier ablösen zu lassen, es sei jedoch eine andere Frage, ob er dann zu Hause ankommen werde.
Die von Dr. Bradfisch entwickelte Aktivität war aber nicht der Ausdruck eines persönlichen Interesses an der Ausführung der Tötungshandlungen und damit eines eigenen, von der Befehlsgebung unabhängigen Tötungswillens; sie war vielmehr Ausfluss seiner unbedingten Befehlstreue und seiner unerschütterlichen Gefolgschaftstreue gegenüber der damaligen Staatsführung. Bradfisch hatte bereits vor dem Abrücken der Einsatzgruppe B aus Deutschland von dem Vernichtungsbefehl, entweder durch persönliche Teilnahme an der Führerbesprechung in Pretzsch oder durch Berichte von Führern, die an dieser Besprechung teilgenommen hatten, Kenntnis erlangt und anlässlich einer persönlichen Unterredung mit Himmler in Minsk, den er nach der Herkunft des Befehls befragt haben will, die Bestätigung erhalten, dass es sich um einen Führerbefehl handle, der bedingungslos zu befolgen sei. Nach seiner Auffassung lag die Willensäusserung einer legalen, vom Ausland anerkannten Staatsführung vor, die nach den damals herrschenden staatsrechtlichen Grundsätzen als Gesetz zu werten war. Ein Befehl Hitlers, also des Mannes, der als alleiniger Machthaber an der Spitze des Staates stand, wurde von ihm daher auf jeden Fall ausgeführt ohne Rücksicht darauf, ob er seinem Inhalt nach die Durchführung von Verbrechen zum Ziele hatte. Die angeordneten Erschiessungen hat er als verbrecherisch erkannt.
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2. Schulz
Auch der Angeklagte Schulz ist ein Mann, der seiner Einstellung entsprechend schon früh zu den Nationalsozialisten stiess und diese seine politische Überzeugung auch in der Folgezeit beibehielt, wenn er sich auch schliesslich vom hauptamtlichen SA-Dienst zurückzog. Schulz wurde zu Beginn seines Osteinsatzes von Dr. Bradfisch, bei dem er sich gemeldet hatte, eröffnet, dass er die Führung eines Teiltrupps zu übernehmen habe, der selbständig in Gomel eingesetzt werde. Es wurde ihm ferner bekanntgegeben, dass zur Wahrnehmung seiner sicherheitspolizeilichen Aufgaben auch die durch Führerbefehl angeordnete Vernichtung der Juden und anderer rassisch minderwertiger Elemente, die man als Gefahr für das rückwärtige Heeresgebiet ansehe, gehöre und dieser Führerbefehl unbedingt verbindlich sei.
Für Schulz war der Wille des Staatsoberhauptes Hitler, ebenso wie für Bradfisch, mit Gesetzeskraft ausgestattet. Er war infolge seiner frühzeitigen Zugehörigkeit zur Partei und insbesondere seiner hauptamtlichen Tätigkeit bei der SA längere Zeit hindurch im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie geschult worden. Diese Schulung hatte bewirkt, dass er die gegen die jüdische Ostbevölkerung ergriffenen Massnahmen zwar als sehr harte Gewaltlösung empfand, im übrigen jedoch an die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens glaubte. Er war infolgedessen damals der Überzeugung, dass der gegen die jüdische Bevölkerung und andere Personengruppen gerichtete Vernichtungsbefehl rechtmässig, weil von der legalen Staatsführung kommend, zustande gekommen sei. Nach seiner Meinung beging er mit der Ausführung des Befehls keine Taten, für deren Ausführung er einmal von einem deutschen Gericht zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Die angeordneten Erschiessungen, bei denen Tausende von Menschen ohne Rücksicht auf Geschlecht und Alter getötet wurden, hat er aber als verbrecherisch erkannt.
Entsprechend den ihm von dem Führer des EK 8 erteilten Weisungen unternahm Schulz dann in dem ihm zugewiesenen Bereich die bereits geschilderten Judenaktionen. Er verlangte von seinen Untergebenen bedingungslose Befolgung der gegebenen Anordnungen. Er war ein Vorgesetzter, der keinen Widerspruch duldete, und über alles unterrichtet war, was sich innerhalb seines Befehlsbereichs ereignete. Schulz hat sofort bei der Übernahme des vorher von Winkler geführten Teilkommandos damit begonnen, in der ihm eigenen bürokratischen und sorgfältigen Weise eine straffe Organisation einzurichten und dem für seine Begriffe schlappen Dienstbetrieb mehr Schwung zu geben. So führte er bei den Exekutionen ein besonderes System von Nachschüssen ein, durch das er der Möglichkeit begegnen wollte, dass einer der Exekutierten beim Zuschütten der Erschiessungsgruben noch am Leben sei, eine Zwangsvorstellung, die ihn angeblich häufig in Träumen plagte. Schulz entfaltete aber nicht nur bei der Straffung der Manneszucht innerhalb seines Kommandos und bei dem "Aufbau einer Justiz nach deutschem Muster" in Gomel erhebliche Aktivität. Er legte bei den Exekutionen, wie bereits ausgeführt, mehrfach selbst Hand an und nahm auch persönlich Erschiessungen von Personen vor, die sich gegen die Interessen und die Sicherheit der deutschen Besatzungsmacht vergangen hatten. Er tötete im November 1941 im Hof des Gefängnisses von Gomel den Bürgermeister dieser Stadt und mehrere andere Personen, darunter auch Juden, durch Schüsse aus seiner Maschinenpistole, weil sie der Zusammenarbeit mit Partisanengruppen verdächtig waren. Mit diesem Bürgermeister, der von der deutschen Besatzungsmacht eingesetzt worden war, hatte er vorher bei der Ausübung seiner Dienstgeschäfte mehrfach enge Berührung gehabt. Im Winter 1941 oder Frühjahr 1942 gab er einmal die telefonische Anweisung, 50 bis 60 Juden zu erschiessen, die vom russischen Ordnungsdienst in einer in der Umgebung von Gomel gelegenen Ortschaft festgehalten worden waren. Ein Angehöriger seines Trupps, der Oberscharführer Ru., hatte damals angefragt, was mit den Leuten zu geschehen habe. Die Exekution wurde von den Angehörigen des Ordnungsdienstes vorgenommen.
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3. Winkler
Der Angeklagte Winkler ist zwar erst nach der sogenannten Machtübernahme der SS beigetreten, hat aber bei dieser Gliederung keineswegs eine nur passive Rolle gespielt. Er war bereits vor Kriegsausbruch Untersturmführer. Ausserdem gehörte er dem SD an, einer Organisation, die ihrer Zweckbestimmung nach nur vertrauenswürdige und dem NS-Regime ergebene Leute in ihren Reihen brauchen konnte.
Winkler hat zwar den Befehl Hitlers, Menschen aus Gründen ihrer Rassezugehörigkeit oder ihrer politischen Überzeugung zu töten, für unrechtmässig gehalten und die ihm anbefohlene Tötung unschuldiger Menschen auch innerlich verabscheut. Er hat jedoch keine Schritte unternommen, um sich der Ausführung dieses nach seiner Auffassung verbrecherischen Befehls zu entziehen. Er war seinen Untergebenen gegenüber zurückhaltend und verschlossen, aber im Gegensatz zu seinem Nachfolger Schulz kein forscher und energischer Vorgesetzter, wenn er auch gelegentlich darauf hinwies, dass die gegebenen Anordnungen befolgt werden müssten und keiner sich ausschliessen könne.
4. R.
Der Der Angeklagte R. war im Zusammenhang mit seiner Übernahme in den Polizeidienst der NSDAP und der SS beigetreten. Zum SS-Untersturmführer wurde er in Angleichung an seinen Rang als Kriminalbeamter kurz vor seiner Abkommandierung zum EK 8 befördert. Auch R. war dem damaligen Staat gegenüber positiv eingestellt.
R. hat, ebenso wie Winkler, den Führerbefehl, mit dessen Inhalt die Unterführer des EK 8 vor der ersten Massenerschiessung in Bialystok überraschend konfrontiert wurden, als verbrecherisch erkannt. Er hat deshalb bereits bei einer der Exekutionen in Bialystok versucht, sich von der Erschiessungsstätte fernzuhalten, in dem er sich entgegen dem Befehl zur Teilnahme in seinem Quartier aufhielt; erst durch den Stellvertreter des Angeklagten Bradfisch wurde er ausdrücklich und unmissverständlich an den Exekutionsort befohlen. Auch in Baranowicze hat R. sich nur auf den ausdrücklichen, an der Exekutionsstätte erteilten Befehl Dr. Bradfischs hin an den Erschiessungen beteiligt und unter der Aufsicht des Angeklagten Bradfisch zeitweise ein Erschiessungskommando befehligt. Sein Bestreben, einen gangbaren Ausweg zu finden, zeigte sich auch darin, dass er sich mehrfach mit Angehörigen seines Teiltrupps darüber unterhielt, wie man den ergangenen Anordnungen am besten entgehen könne, ohne dabei jedoch zu einem brauchbaren Ergebnis zu gelangen.
Während R. mit seinem Trupp in Richtung von Bobruisk vorrückte, bekam er gelegentlich von Einsätzen gegen versprengte russische Truppenteile, die sich in den Wäldern verborgen hielten, und gegen Partisanen Kontakt mit dem Kommandeur der Sicherungsdivision und wurde seinem Wunsch entsprechend von diesem immer wieder zu militärischen Einsätzen herangezogen. Auf diese Weise glaubte R., sich den ihm vom EK 8 zugewiesenen Aufgaben weitgehend entziehen zu können, ohne dass man gegen ihn den Vorwurf der Untätigkeit zu erheben in der Lage war. Seine Tätigkeit war auch ziemlich erfolgreich, so dass er wegen dieser Einsätze unbehelligt geblieben war.
Bei seinem selbständigen Vorrücken nach Bobruisk wurde R., der mit Rücksicht auf die militärische Verwendung seines Trupps zu geringe Erschiessungsziffern gemeldet hatte, von Dr. Bradfisch mehrmals aufgesucht und zur Vornahme von Judenaktionen gedrängt. Dr. Bradfisch erklärte, er wolle nunmehr endlich Zahlen, gemeint waren selbstverständlich Erschiessungszahlen, sehen. R. hatte sich bei diesen Gelegenheiten wiederholt mit dem Ersuchen, man möge ihm militärische Aufgaben zuweisen, da er und seine Leute der seelischen Beanspruchung durch die Exekutionen nicht gewachsen seien, an Bradfisch gewandt, der ihm jedoch zu verstehen gab, dass er sich von der Durchführung des Führerbefehls als SS-Führer nicht drücken könne und er nicht glauben solle, er werde im Falle der Befehlsverweigerung zur Wehrmacht weggelobt. Eine Wegmeldung zur Wehrmacht, von der auch einmal die Rede war, kam nach den Worten Dr. Bradfischs überhaupt nicht in Betracht; die Weitergabe einer solchen Meldung lehnte er mit Nachdruck ab. Auch den Führer der Einsatzgruppe B, Nebe, der einmal in Begleitung des Angeklagten Bradfisch erschien, wies R. darauf hin, dass seinen Männern weitere Judenerschiessungen nicht mehr zugemutet werden könnten. Nebe erwiderte darauf nur, man müsse eben den "inneren Schweinehund" überwinden und brach das Gespräch ab. Bei einer anderen Gelegenheit bat er Nebe darum, man möge ihm andere Aufgaben zuweisen, und schlug ihm vor, er werde eine Kampfeinheit zusammenstellen und wirksame Bandenbekämpfung durchführen. Nebe erklärte hierauf, es könne keiner aus der Reihe tanzen, R. könne aber ohne weiteres einmal ein Partisanendorf zur Vergeltung niederbrennen.
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Als R. anlässlich dieser Unterredungen mit seinen Vorgesetzten festgestellt hatte, das er mit seinen Gegenvorstellungen auf wenig Verständnis stiess, sondern im Gegenteil zur Durchführung von Exekutionen gedrängt wurde, sah er den einzigen Ausweg darin, kleine Aktionen durchzuführen und auf diese Weise in der gewünschten Richtung tätig zu werden und sich nicht einer offenen Befehlsverweigerung, die seiner Vorstellung nach mit schwerwiegenden Folgen für ihn verbunden war, schuldig zu machen. Um die verhältnismässig geringen Erschiessungsziffern zu erhöhen, gab er unrichtige Meldungen an die Führung des EK 8 ab, indem er bei den gemeldeten Erschiessungszahlen, die allein über die erfolgten Liquidierungen von Juden und anderen "potentiellen Gegnern" Auskunft geben sollten, auch die im Kampf getöteten Partisanen und die an die Kriegsgefangenenlager abgeführten gefangenen russischen Soldaten einrechnete und gelegentlich diese Zahlen wesentlich erhöhte.
In Verfolgung seines Vorhabens, die von seinem Kommando durchgeführten Judenaktionen ihrem Umfang nach möglichst zu beschränken, hat R. in Sluzk nur einen geringen Teil der jüdischen Bevölkerung zur Exekution gebracht (vgl. V.B.4.). Einige Zeit später, nämlich am 27.10.1941, hat, wie sich aus einem Bericht des Gebietskommissars von Sluzk ergibt, ein litauisches Polizeibataillon in diesem Ort unter üblen Begleiterscheinungen eine Judenaktion unternommen, der eine grosse Zahl jüdischer Menschen, die inzwischen zum Teil zur Arbeit für die Wehrmacht und in lebenswichtigen Betrieben herangezogen worden waren, zum Opfer fielen.
Auch bei seinem Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung von Bobruisk hat R. Zurückhaltung geübt. Er hat zwar eine Aktion gegen die dort ansässigen Juden geführt, tat dies aber auf Drängen des Angeklagten Bradfisch, der seine Ausrede, die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte seien für die Durchführung einer grösseren Judenaktion nicht ausreichend, nicht gelten liess und ihm kurz darauf Schutzpolizisten zur Verfügung stellte (vgl. Ziff.V.B.4.b.). Von dieser Exekution wurde lediglich ein verhältnismässig geringer Teil der in Bobruisk wohnenden Juden betroffen. Das EK 8 führte dann im November 1941 eine Massenerschiessung durch, bei der 5000 Menschen jüdischer Abstammung, den Ereignismeldungen zufolge die gesamte noch verbliebene jüdische Bevölkerung, den Tod fanden.
R. hat aber auch zu Beginn seines Russlandeinsatzes den Versuch unternommen, unter Ausnutzung seiner Beziehungen zu einem früheren Vorgesetzten seine Ablösung zu erreichen. Er wandte sich an den Führer des Sicherungskommandos im Hauptquartier Görings, einen SS-Hauptsturmführer namens Heynisch, mit dem Ersuchen, dieser solle seine erneute Verwendung im Hauptquartier des Oberbefehlshabers der Luftwaffe und seine alsbaldige Versetzung dorthin ermöglichen. Es erschien ihm mehr erfolgversprechend, den vorgeschriebenen Dienstweg zu umgehen, zumal er ein Entgegenkommen seines unmittelbaren Vorgesetzten Dr. Bradfisch in dieser Richtung nicht erhoffen durfte. Er erhielt jedoch die Mitteilung, dass sein früherer Posten anderweitig besetzt sei und aus diesem Grunde seine Wiederverwendung nicht möglich sei. Nach diesem fehlgeschlagenen Versuch, den befohlenen Erschiessungen zu entgehen, sah R. mit Rücksicht auf das Ergebnis seiner Besprechungen mit Bradfisch und dessen Drängen keinen anderen Ausweg mehr, als sich den ihm erteilten Anordnungen zu beugen, um nicht wegen Befehlsverweigerung belangt zu werden und Massnahmen gegen seine eigene Person heraufzubeschwören, die seiner Vorstellung nach nur in der sofortigen Erschiessung oder der alsbaldigen Verbringung in ein Konzentrationslager, bestenfalls in einer Überstellung an das Höhere SS- und Polizeigericht mit den entsprechenden schweren Folgen, bestehen konnten. Eine gewisse Umgehung und Abschwächung der Auswirkungen der von der Führung des EK 8 gegebenen Weisungen glaubte er dadurch zu bewirken, dass er sie jeweils nur zögernd in grösseren Zeitabständen und nur in dem seiner Meinung nach unumgänglichen Umfang befolgte.
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5. S.
Der Angeklagte S. ist zwar nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten der NSDAP und der SS beigetreten, weil er als junger Mann von 23 Jahren von Freunden dazu veranlasst wurde und infolge seiner geringen Intelligenz nicht in der Lage war, die zwangsläufig vorgezeichnete Entwicklung dieser Organisationen und die ihnen zugedachten Funktionen als massgebliche Stützen des nationalsozialistischen Gewaltregimes zu erkennen. S. entwickelte offenbar auch keine erhebliche politische Aktivität. Auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Kriminalpolizei wurde er schliesslich zum EK 8 abkommandiert und in Angleichung an seine Stellung bei der Polizei zum SS-Oberscharführer ernannt. Trotz dieses Dienstgrades war er innerhalb des EK 8, das grösstenteils aus Polizeibeamten mit entsprechenden SS-Unterführerrängen bestand, eines der untersten Ausführungsorgane und eine Randfigur des furchtbaren Geschehens. Eine Befehlsgewalt stand ihm nicht zu. S. hat an den Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung in mehreren Fällen teilgenommen. Er wurde zu Durchkämmungsaktionen herangezogen und wiederholt auch als Schütze eingeteilt. Er war sich des grossen Unrechts bewusst, das mit den Vernichtungsaktionen gegen unschuldige Menschen begangen wurde, sah in seiner untergeordneten Stellung aber keine Möglichkeit, sich den Anordnungen ohne Gefährdung seiner eigenen Person zu widersetzen oder sich ihrer Ausführung auf andere Weise zu entziehen.
Die offene Befehlsverweigerung hätte für ihn nach seiner damaligen Vorstellung entweder die sofortige Erschiessung oder die Aburteilung durch ein SS- und Polizeigericht zur Folge gehabt; die Härte der Entscheidungen dieser Gerichte war ihm bekannt. Irgendeine Möglichkeit, sich von der befohlenen Teilnahme an Exekutionen stillschweigend fernzuhalten, war für den Angeklagten nicht erkennbar, da es nach seiner Überzeugung bei der geringen Stärke der Teiltrupps (12-15 Mann) auf den ersten Blick aufgefallen wäre, wenn er sich von einer Erschiessung "gedrückt" hätte. Im übrigen blieb ihm, der als unterster Befehlsempfänger in aller Regel ganz plötzlich den Befehl zum Ausrücken, zumeist mit unbekanntem Ziel, erhielt, kaum Zeit zur Überlegung, die gerade bei ihm die Voraussetzung für eine Gegenmassnahme gewesen wäre.
In seiner geistigen Unbeweglichkeit erblickte S. einen Ausweg, der ihm wenigstens die Mitwirkung an den Exekutionen selbst ersparte, darin, dass er sich zur Bewachung und zum Transport der ergriffenen Opfer meldete. Auf diese Weise glaubte er, sich der Mitverantwortung an den befohlenen Massenverbrechen entziehen zu können.
Die Ausführung des von Obersturmführer Schönemann anlässlich der Durchkämmungsaktion in Borissow erteilten Befehls zur Tötung des alten jüdischen Ehepaares glaubte S. ohne erhebliche eigene Gefährdung nicht umgehen zu können. In seiner Begleitung befanden sich ein weiterer Angehöriger des EK 8, ein Dolmetscher, der Bürgermeister des Ortes und Leute des russischen Ordnungsdienstes. Aus diesem Grund befürchtete er, eine etwaige Nichtausführung des Erschiessungsbefehls werde Schönemann zu Ohren kommen und für ihn zu den für den Fall der Befehlsverweigerung immer wieder angedrohten schweren Folgen führen.
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VII. Beweiswürdigung
1. Den Sachverhalt, wie er sich aus den vorstehenden Ziffern I. - VI. ergibt, hat das Schwurgericht auf Grund der Hauptverhandlung als erwiesen festgestellt. Die Feststellungen beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten, soweit sie Glauben verdienten und ihnen gefolgt werden konnte, auf den Angaben der im folgenden benannten und vernommenen Zeugen und auf dem Inhalt der zur Verlesung gebrachten Urkunden.
a. Die Ereignismeldungen und ihr Beweiswert
Die Ereignismeldungen UdSSR des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes wurden, soweit sie dem Schwurgericht in Fotokopie zur Verfügung standen, zum Gegenstand der Verhandlung gemacht. Sie beruhen auf den Berichten der Einsatzgruppen über ihre Tätigkeit im Einsatzgebiet und würden infolgedessen eine verhältnismässig sichere Grundlage für die Feststellung der Erschiessungsziffern darstellen, wenn die Richtigkeit der wiedergegebenen Zahlen ausser Zweifel stünde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Es kann vielmehr nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die in den Ereignismeldungen enthaltenen Erschiessungszahlen mehrfach nicht den Tatsachen entsprachen, weil von der Einsatzgruppe B und ihren Einheiten gefälschte Zahlen gemeldet worden waren, um eine grössere Aktivität bei der Durchführung der im Rahmen des auf die Vernichtung des Judentums gerichteten Führerbefehls gegebenen Anordnungen vorzutäuschen. Wenn auch der Angeklagte Dr. Bradfisch die Möglichkeit solcher Falschmeldungen für seine Person ausdrücklich ausschliesst, so muss doch davon ausgegangen werden, dass die Zahlenangaben, die von seinen Unterführern zu seinem Stab gelangten und dann zusammengefasst an den Einsatzgruppenstab weitergeleitet wurden, gelegentlich nicht zutreffend waren, wie dies z.B. beim Teiltrupp R. unwiderlegbar der Fall gewesen ist. Auch die Möglichkeit, dass der Stellvertreter Bradfischs, SS-Obersturmführer Koch, soweit er in Abwesenheit Bradfischs für die Berichte an die Einsatzgruppe B verantwortlich war, eine Erhöhung der Erschiessungszahlen vorgenommen hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Schliesslich will auch Schulz bei seinen Meldungen an das EK 8 die Erschiessungszahlen häufig aufgerundet haben. Bei dieser Sachlage ist das Schwurgericht daher bei der Feststellung der Zahl der bei den einzelnen Erschiessungsaktionen um das Leben gekommenen Menschen nur dann von den in den Ereignismeldungen wiedergegebenen Zahlen ausgegangen, wenn diese Zahlenangaben durch Zeugenaussagen zumindest annähernd - eine genaue Übereinstimmung ist ohnehin undenkbar - bestätigt wurden.
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b. Die Beweisgrundlagen für die Feststellungen über die einzelnen Exekutionen
Zwei Umstände waren es, welche die Beweisaufnahme in dem vorliegenden Verfahren ungewöhnlich schwierig gestalteten. Diese Schwierigkeiten ergaben sich vor allem aus dem Nachlassen des Erinnerungsvermögens der Zeugen - die Ereignisse, über die sie zu berichten hatten, liegen fast genau 20 Jahre zurück - und in erheblichem Masse auch aus der Zurückhaltung, die von der Mehrzahl der Zeugen bei ihren Angaben geübt wurde, eine Zurückhaltung, die dadurch verständlich wird, dass gegen einige der Zeugen wegen der nämlichen Vorgänge Strafverfahren anhängig sind oder während der Hauptverhandlung eingeleitet wurden und andere Zeugen wiederum offensichtlich die Einleitung eines Verfahrens gegen ihre eigene Person befürchteten. Die Zeugen, bei denen es sich in der Regel um ehemalige Untergebene der Angeklagten handelte, haben zwar ausnahmslos nicht von dem ihnen zustehenden Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, ihr Bestreben, nur das Notwendigste über die auch für sie belastenden Vorkommnisse zu berichten und diese ihnen unangenehmen Erinnerungen aus ihrem Bewusstsein tunlichst zu verdrängen, trat jedoch deutlich zutage.
Ein Teil der als Tatzeugen zur Verfügung stehenden ehemaligen Schutzpolizisten des Pol.Res.Batl. 9 war im Jahre 1947 wegen der den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Massentötungen durch ein sowjetisches Militärtribunal zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden, deren Verbüssung in ostzonalen Zuchthäusern unter harten Bedingungen naturgemäss vielfach erhebliche Gesundheitsschäden zur Folge hatte. Ein starkes Nachlassen der Erinnerung an die Einzelheiten der in Frage stehenden Vorgänge, bedingt durch jahrelange Entbehrungen und körperliche Leiden, erschien bei diesen Zeugen durchaus glaubhaft, soweit sie nicht im Ermittlungsverfahren konkrete Angaben zu den einzelnen Anklagepunkten gemacht hatten. Denn es kann unbedenklich von der Erfahrung ausgegangen werden, dass Vorgänge, die etwa 18 Jahre im Gedächtnis eines Menschen hafteten, auch im 20. Jahr erinnerlich sind, wenn nicht in dieser verhältnismässig kurzen Zeitspanne einschneidende Veränderungen in der geistigen Konstitution eines solchen Menschen aufgetreten sind. Unter den geschilderten Umständen begegnete die Beweisaufnahme zuweilen nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten, unter denen naturgemäss die lückenlose Aufklärung der einzelnen Vorgänge erheblich litt und in mehreren Fällen die Feststellung der Einzelheiten des Ablaufs der an sich zweifelsfrei nachgewiesenen Aktionen sich als unmöglich erwies. Allerdings wurde diese Beweisschwierigkeit dadurch weitgehend gemildert, dass die Art der Durchführung der einzelnen Erschiessungsaktionen keine wesentlichen Abweichungen erkennen liess, und aus diesem Grund unbedenklich davon ausgegangen werden konnte, dass sich die Vorbereitung und der Ablauf dieser Exekutionen von den übrigen nicht unterschied.
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Bialystok (vgl. V.A.1.)
Für die Aufklärung dieser Vorgänge, die von den beteiligten Angeklagten im wesentlichen eingeräumt wurden - Winkler bestreitet lediglich die Höhe der Erschiessungszahlen -, standen dem Gericht neben der Einlassung der Angeklagten die Angaben einer Reihe von Zeugen und der Bericht in der Ereignismeldung Nr.21 zur Verfügung
Aus den Aussagen der Zeugen B., K., Kl., G., Ru., Ra., Ko., T. und D., die selbstverständlich hinsichtlich der Zahlenangaben zum Teil erheblich voneinander abweichen, in Verbindung mit der offenen Schilderung der Tatvorgänge durch den Angeklagten S. gewann das Schwurgericht die Überzeugung, dass sich die in Frage stehenden Ereignisse im Sinn der getroffenen Feststellungen abgespielt hatten. Dabei ist der Hinweis veranlasst, dass es sich bei der Zahl der durchgeführten Massenerschiessungen und der jeweils getöteten Personen um Mindestzahlen handelt, deren Höhe zweifelsfrei feststeht. Abweichungen vom Eröffnungsbeschluss ergaben sich insofern, als bei der grösseren der beiden Erschiessungsaktionen lediglich von 800 Opfern auszugehen war.
Baranowicze (vgl. V.A.2.)
Diese Feststellungen stützen sich auf die Einlassungen der Angeklagten R. und Winkler und auf die Bekundungen der Zeugen F., Ba., B., P., Go., K., G., J., Ru., Thomanek , T. und D. sowie auf die Berichte in den Ereignismeldungen Nr.27 und 32. Auch hier wichen die Aussagen der einzelnen Zeugen, insbesondere die Angaben über die Zahl der Exekutionen und der jeweiligen Opfer, nicht unerheblich voneinander ab, ergaben aber in ihrer Gesamtwürdigung die vom Gericht als erwiesen angesehenen Mindestzahlen, die mit den Zahlenangaben im Eröffnungsbeschluss übereinstimmen.
Der Angeklagte Winkler hat auch die im Zusammenhang mit den Erschiessungsaktionen in Baranowicze genannten Erschiessungszahlen in Zweifel gezogen, war aber selbst nicht in der Lage, konkrete Zahlenangaben zu machen. Sein Vorbringen konnte demzufolge keine Berücksichtigung finden, zumal die vorgenannten Zeugen zum Teil wesentlich höhere Zahlen im Gedächtnis hatten und sich auch aus den Ereignismeldungen eine erheblich höhere Zahl von Opfern (381) ergibt.
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Minsk (vgl. V.A.3.)
An den Erschiessungen in Minsk, deren Zahl in Übereinstimmung mit dem Eröffnungsbeschluss mit mindestens sieben veranschlagt werden muss, waren zahlreiche Zeugen beteiligt, deren Bekundungen zwar teilweise erhebliche Abweichungen hinsichtlich der Erschiessungszahlen aufweisen, sich aber in der Schilderung der Tatvorgänge als solcher nicht widersprechen. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Aufklärung der Vorgänge in Minsk war die Teilnahme Himmlers an einer der dort durchgeführten Exekutionen, die naturgemäss im Gedächtnis der meisten an dieser Aktion beteiligten Zeugen haften geblieben war.
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Aussagen der Zeugen Ba., B., Ro., N., Th., W., Sc., P., Gu., K., Kl., G., J., Sch., Ru., Fu., Ra., Ne., T., M., H., dessen Angaben anlässlich seiner Vernehmungen durch die Polizei und den Staatsanwalt infolge seines während des Ermittlungsverfahrens erfolgten Ablebens verlesen wurden, Fr., L. und D., und auf die Einlassungen der Angeklagten Dr. Bradfisch und Winkler. Ferner wurden die Berichte in den Ereignismeldungen Nr.36, 50, 67 und 73 bei der Ermittlung des Sachverhalts herangezogen. Der Angeklagte Dr. Bradfisch behauptet, im allgemeinen keine Erinnerung mehr an die Vorfälle bei den einzelnen Erschiessungsaktionen und die Zahlen der dabei umgekommenen Menschen zu haben. Lediglich die Exekution in Gegenwart des Reichsführers-SS Himmler ist auch ihm noch in grossen Zügen erinnerlich. Winkler räumt ein, an der im Beisein Himmlers durchgeführten Erschiessungsaktion in Minsk beteiligt gewesen zu sein und dabei auf Befehl Bradfischs eigenhändig geschossen zu haben.
Gegenüber den im Eröffnungsbeschluss enthaltenen Erschiessungszahlen haben sich insofern Abweichungen ergeben, als die auf Grund der Hauptverhandlung für die jeweiligen Aktionen festgestellten Mindestzahlen zum Teil wesentlich niedriger lagen, eine Folge der bereits aufgezeigten Beweisschwierigkeiten.
Mogilew (vgl. V.A.4.)
Die zu den Vorgängen in Mogilew getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten Winkler, der an einer der kleinen Aktionen teilgenommen hat, auf den Bekundungen der Zeugen Sa., Ho., Ba., B., N., Th., W., Sc., P., Go., K., Kl., Rot., der während des Ermittlungsverfahrens verstorben ist und dessen polizeiliche Aussage aus diesem Grund verlesen wurde, J., Fu., Ra., Ne., Ko., T., Di., Wa., Run., Pol., Ha., Kr., St., Br., L., Si. und D. Schliesslich wurden bei der Feststellung der Erschiessungszahlen auch die Ereignismeldungen Nr.90, 106, 124 und 133 verwendet. Abweichungen gegenüber dem Eröffnungsbeschluss haben sich hinsichtlich der Zahl der Exekutionen und mehrerer Erschiessungszahlen ergeben, da die Zeugen zum Teil ihr im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben erheblich einschränkten und die Ereignismeldungen allein aus den bereits geschilderten Gründen kein ausreichendes Beweismittel darstellen. Die für die Grossaktion in der Ereignismeldung Nr.133 berichtete Zahl jedoch konnte auf Grund der diesbezüglichen Angaben der Zeugen Ho., N., W., P., Ne., St., Br. und L. mit geringen Abstrichen, die wegen der Möglichkeit, dass gleichzeitig auch Partisanen und Kriminelle erschossen wurden, veranlasst sind, als erwiesen angesehen werden.
Bezüglich der Grossaktion am 19.10.1941 hat der Angeklagte Dr. Bradfisch zu seiner Verteidigung geltend gemacht, diese Massenerschiessung sei nicht vom EK 8 durchgeführt worden. Es müsse sich, so behauptet er, um eine Aktion des Höheren SS- und Polizeiführers - diese Stellung hatte damals der Zeuge von dem Bac. inne - gehandelt haben, zu deren Durchführung das EK 8 herangezogen worden sei. Er habe die Grossaktion keinesfalls geleitet, auch seien die Polizeikräfte des Pol.Batl. 316 ihm nicht unterstellt gewesen. Es habe sich allenfalls um eine gemeinsame Aktion des EK 8 und der Ordnungspolizei gehandelt. Dieses Verteidigungsvorbringen entspricht nicht den Tatsachen. Abgesehen davon, dass in der Ereignismeldung Nr.133 vom 14.11.1941 (S.24) von einer Sonderaktion berichtet wurde, die mit Unterstützung des Polizeiregiments Mitte unternommen wurde und bei der 3726 Juden den Tod fanden, ergibt sich vor allem aus der Aussage des Zeugen Ho., der damals der Kommandeur des zum Verband des Polizeiregiments Mitte gehörigen Pol.Batl. 316 war, dass die gesamte Aktion unter Leitung des Angeklagten Dr. Bradfisch stand und die Anforderung der Polizeikräfte vom EK 8 ausgegangen war. Der Zeuge von dem Bac. hat glaubhaft bekundet, dass er von der Teilnahme des Pol.Batl. 316 an der in Mogilew durchgeführten Sonderaktion keine Kenntnis hatte. Dieser Zeuge hat darüberhinaus auch die Behauptung des Zeugen Ho. bestätigt, wonach Dr. Bradfisch sich jederzeit unmittelbar an den Kommandeur einer Schutzpolizeieinheit wenden und von ihm Unterstützung für bestimmte Einsätze erbitten durfte. Es bestand, wie beide Zeugen übereinstimmend ausführten, eine Anordnung des Reichsführers-SS und Chefs der deutschen Polizei des Inhalts, dass die Verbände der Polizei sich im Bedarfsfalle gegenseitig zu unterstützen hatten und solche Ersuchen von dem Einheitsführer der unterstützungsbedürftigen Einheit unmittelbar, d.h. ohne Beschreitung des Dienstweges, an den Führer der anderen Polizeieinheit gerichtet werden konnten. Der Einwand des Angeklagten Bradfisch, er sei zu einer Anforderung einer anderen Polizeieinheit gar nicht befugt gewesen, ist damit entkräftet. Es steht ausser Zweifel, dass er als Führer einer Einheit des SD und der Sicherheitspolizei ohne weiteres die Befugnis hatte, zur Durchführung grösserer Aufgaben, für welche die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte nicht ausreichten, um die Unterstützung von Einheiten der Schutzpolizei nachzusuchen und dass solchen Ersuchen in aller Regel auch stattgegeben werden musste.
Die Tatsache, dass Dr. Bradfisch die Grossaktion gegen die Juden in Mogilew geleitet hat, ergibt sich im übrigen auch aus den Schilderungen einer Reihe der genannten Zeugen, die den Angeklagten an der Exekutionsstätte beobachtet und den Eindruck gewonnen haben, dass der gesamte Einsatz unter seiner Leitung erfolgte.
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Bobruisk - Grossaktion (vgl. V.A.5.)
Diese zur Ausrottung der in Bobruisk ansässigen Juden durchgeführte Sonderaktion des EK 8 ist gleichfalls mit Unterstützung des Pol.Batl. 316 erfolgt. Auch für die Durchführung dieser Aktion will der Angeklagte Dr. Bradfisch nicht verantwortlich gewesen sein. Der Befehl zur Durchführung dieser Grossaktion, so behauptet Bradfisch, sei entweder von Nebe oder von dem Bac. erteilt worden; er selbst sei zu dem in Frage stehenden Zeitpunkt gar nicht in Bobruisk gewesen. Diese Darstellung des Angeklagten wird einmal widerlegt durch die Aussagen der Zeugen Go., G., J. und Fu., die als Angehörige der dem EK 8 unterstellten Polizeieinheit an der Grossaktion in Bobruisk teilgenommen und von denen Go. und Fu. den Angeklagten zu dem in Frage stehenden Zeitpunkt dort gesehen haben. Während Fu. sich nicht mit Bestimmtheit daran erinnert, Bradfisch an der Exekutionsstätte gesehen zu haben, hat G. ihn auch an dem ausserhalb der Stadt gelegenen Erschiessungsort beobachtet. Jedenfalls steht auf Grund der Aussagen der genannten Zeugen fest, dass die Leute des EK 8 und die unterstellten Schutzpolizisten, soweit verfügbar, im LKW-Transport nach Bobruisk gebracht wurden und dort die in Frage stehende Massenerschiessung vorgenommen haben. Die Möglichkeit, dass Bradfisch die Aktion nicht selbst geleitet hat, kann nicht ausgeschlossen werden. Sie wurde aber, wie sich aus der Aussage des Zeugen Fu. ergibt, der als Vertreter des Leutnants D. die Schutzpolizisten befehligte, nach einer Besprechung des EK 8 in Bobruisk, an der Bradfisch teilgenommen hat, angeordnet, wobei Fu. die näheren Anweisungen für die von ihm befehligte Polizeieinheit von Obersturmführer Koch, dem Stellvertreter des Angeklagten Bradfisch, erhielt.
Ferner steht die Einlassung des Angeklagten Bradfisch im Widerspruch zu dem Bericht, der in der Ereignismeldung Nr.148 über diese Sonderaktion in Bobruisk enthalten ist. Hier wird auf Seite 8 davon berichtet, dass sich nach Zurückziehung des Teilkommandos aus Bobruisk - gemeint ist offenbar das Teilkommando R. - die Durchführung einer Grossaktion als notwendig erwies, bei der 5281 Juden beiderlei Geschlechts erschossen wurden. Es ist um übrigen schlecht denkbar, dass eine solche Grossaktion - die umfangreichste, die das EK 8 jemals unternahm - ohne den Führer des Kommandos durchgeführt worden sein sollte, es sei denn, er wäre aus triftigen Gründen verhindert gewesen. Von einer solchen Verhinderung wusste Bradfisch aber nichts zu berichten. Die Feststellungen gründen sich ferner auf die Bekundungen der Zeugen de Hai., Schu., Neu. und Bu., die als Angehörige des Pol.Batl. 316 an der Erschiessungsaktion teilgenommen haben. Die Zahl der Opfer, wie sie aus der Ereignismeldung Nr.148 ersichtlich ist, wurde in dieser Höhe von den Zeugen Go. und Neu. bestätigt. Die Zahlenangaben der übrigen Zeugen schwanken zwischen mehreren hundert und 2000, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass die Zeugen bei solchen Grossaktionen häufig die gesamte Exekution gar nicht zu überblicken vermochten und deshalb die von ihnen genannten Erschiessungszahlen lediglich für die Hinrichtungsstätte Geltung haben, an der sie eingesetzt waren. Wenn das Gericht die in der Ereignismeldung Nr.148 enthaltene Zahl nicht in vollem Umfang als erwiesen angesehen hat, so deshalb, weil nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschliessen war, dass im Rahmen der Grossaktion auch einige der Zahl nach nicht feststellbare Partisanen und Kriminelle liquidiert wurden.
Borissow und Umgebung (vgl. V.B.1.)
Für die Feststellung dieser Vorgänge standen dem Gericht nur die Einlassung des Angeklagten S. und die Angaben in den Ereignismeldungen Nr.92 und 108 zur Verfügung. Tatzeugen sind nicht vorhanden. Es handelt sich hier um Erschiessungsaktionen des Teilkommandos Schönemann, dessen Stärke mangels Zuteilung von Schutzpolizisten verhältnismässig gering war und von dessen Angehörigen ausser S. niemand ermittelt werden konnte. Seine Schilderung der Ereignisse, die mit der Sachdarstellung im Eröffnungsbeschluss übereinstimmt, erschien dem Schwurgericht zuverlässig und konnte daher neben den genannten Ereignismeldungen, die von der Erschiessung von insgesamt 1898 Menschen berichten, unbedenklich bei der Feststellung des Sachverhalts verwendet werden.
Der Angeklagte Bradfisch stellt nicht in Abrede, dass diese Exekutionen stattgefunden haben. Er behauptet jedoch von diesen in Borissow und Umgebung durchgeführten Aktionen, ebenso wie von anderen Aktionen der Teilkommandos R. und Winkler, er habe diese Erschiessungen nicht angeordnet und sei infolgedessen auch dafür nicht verantwortlich. Den Befehl zur Durchführung dieser Aktionen müsse der Führer der Einsatzgruppe B, Brigadeführer Nebe, unmittelbar an die betreffenden Unterführer gegeben haben. Nebe sei bis Minsk mit seinem Stab zusammen mit dem EK 8 vorgerückt und habe auch des öfteren die Teilkommandos in ihrem Wirkungsbereich aufgesucht.
Diese Sachdarstellung ist jedoch unzutreffend. Der Einsatz der Teilkommandos wurde, wie die Mitangeklagten R. und Winkler sowie der Zeuge Döring , der als SS-Obersturmführer gleichfalls Führer eines solchen Teiltrupps war, übereinstimmend bekundet haben, jeweils von Bradfisch befohlen mit dem Auftrag, die in Frage stehenden Einsatzräume oder Ortschaften judenfrei zu machen. Befehle von Nebe unmittelbar unter Umgehung des Führers des EK 8 haben sie ihrer Aussage zufolge nicht erhalten. Auch der Zeuge E., der als Stabsreferent dem Einsatzgruppenstab angehörte, vermochte sich an keinen Fall zu erinnern, dass Nebe bei der Befehlsausgabe nicht den Dienstweg eingehalten und sich unmittelbar an die Führer von Teilkommandos gewandt hatte. Ein solches Verhalten widerspräche im übrigen auch den Gepflogenheiten bei militärischen oder militärähnlichen Verbänden.
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Gorki (vgl. V.B.2.)
An diese Aktion, die ein Teilkommando des EK 8 durchführte, hatten lediglich die Zeugen P. und J. noch eine Erinnerung. Die festgestellte Mindestzahl der Opfer, die von der im Eröffnungsbeschluss genannten Zahl abweicht, geht aus den Aussagen dieser beiden Zeugen hervor, die beide bestätigten, dass es sich um eine verhältnismässig kleine Erschiessungsaktion gehandelt habe. Auch aus der Ereignismeldung Nr.133 ist ersichtlich, dass im Raum Gorki Erschiessungen stattgefunden haben und die als erwiesen angesehene Zahl von Opfern keinesfalls zu hoch gegriffen ist.
Orscha (vgl. V.B.3.)
Die Feststellungen zu diesen Massenerschiessungen stützen sich auf die Aussagen der Zeugen Sc., W. und Th. W. und Th. machten im wesentlichen übereinstimmende Angaben; sie wichen nur hinsichtlich der Höhe der jeweiligen Erschiessungszahlen voneinander ab. Die im Eröffnungsbeschluss genannten Zahlen konnten jedoch als bekundete Mindestzahlen unbedenklich als erwiesen angesehen werden.
Sluzk (vgl. V.B.4.a.)
Zur Aufklärung dieser Vorgänge standen dem Schwurgericht lediglich die Einlassung des Angeklagten R., von dessen Teiltrupp die Erschiessungen ausgeführt wurden, und die Angaben des Zeugen F. sowie der in der Ereignismeldung Nr.73 wiedergegebene Bericht über die Geschehnisse zur Verfügung. In Abweichung vom Eröffnungsbeschluss wurde als erwiesen festgestellt, dass in Sluzk mindestens zwei Judenaktionen stattgefunden haben, bei denen insgesamt wenigstens 60 Menschen getötet wurden. Diese Zahl konnte ohne Bedenken zugrundegelegt werden, zumal auch aus der Ereignismeldung Nr.73 hervorgeht, dass damals von der Tötung von insgesamt 115 Juden berichtet worden war.
Bobruisk (vgl. V.B.4.b.)
Entgegen dem Inhalt des Eröffnungsbeschlusses, der von mindestens 7 Erschiessungsaktionen des Teilkommandos R. in Bobruisk und Umgebung ausgeht, konnte auf Grund des Beweisergebnisses in der Hauptverhandlung nur die Durchführung von mindestens 2 Exekutionen festgestellt werden, bei denen die Opfer allein wegen ihrer Rassezugehörigkeit erschossen wurden. Das Teilkommando R. hat während seiner Stationierung in Bobruisk allerdings noch weitere Hinrichtungen vorgenommen, ohne dass sich jedoch ausschliessen liess, dass es sich bei den zu Tode gekommenen Personen um Leute handelte, die sich als Partisanen betätigt, sich auf andere Weise gegen die Sicherheit der deutschen Wehrmacht vergangen oder sich der Begehung von Verbrechen schuldig gemacht hatten. Dies gilt im besonderen von dem Personenkreis, der vor der Erschiessung in dem Behelfsgefängnis untergebracht war und in kleineren Gruppen zur Exekution gebracht wurde. R. machte in diesem Zusammenhang geltend, die im Gefängnis festgehaltenen Leute seien nicht wahllos, sondern erst nach der Durchführung von Ermittlungen erschossen worden, sofern sich herausgestellt hatte, dass sie dem vorgenannten Personenkreis angehörten. Diese Einlassung wird von den Zeugen F. und M. im wesentlichen bestätigt.
Die Vorgänge bei einer weiteren Erschiessungsaktion, zu der das Teilkommando R. mit einem Raddampfer die Beresina aufwärts fuhr, waren nicht mehr hinreichend aufzuklären. Der Angeklagte R. behauptet in diesem Zusammenhang, es habe zunächst eine Vergeltungsaktion gegen Partisanen stattgefunden, in deren Verlauf vom russischen Ordnungsdienst auch Juden liquidiert worden seien. Als weiterer Beteiligter hatte sich lediglich der Zeuge Rot. an diesen Vorfall erinnert, der dem Gericht in der Hauptverhandlung nicht mehr zur Verfügung stand, weil er während des Ermittlungsverfahrens verstorben war. Seine Angabe anlässlich seiner Aussage vor dem Staatsanwalt, die verlesen wurde, war nicht geeignet, zur Klärung dieses Sachverhalts entscheidend beizutragen.
Neben den Angaben der bereits genannten Zeugen wurden bei der Feststellung die Aussagen der Zeugen Go., G. und H. sowie der Bericht in der Ereignismeldung Nr.92 verwendet.
An dieser Aktion des Teilkommandos Winkler haben von den vernommenen Zeugen lediglich Ba. und Ro. teilgenommen, auf deren Aussage sich die hierzu getroffenen Feststellungen gründen. Der Angeklagte Winkler hat nicht bestritten, in Nowogrodek Erschiessungen vorgenommen zu haben, sondern lediglich die Richtigkeit der im Eröffnungsbeschluss angegebenen Zahl der Opfer in Zweifel gezogen. Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass diese Zahl keineswegs überhöht ist und den Urteilsfeststellungen daher unbedenklich zugrundegelegt werden kann.
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Gomel (vgl. V.B.5.b.)
Diese Feststellungen haben lediglich die Einlassung des Angeklagten Winkler zur Grundlage, der im Ermittlungsverfahren die Zahl der Opfer selbst mit 60 bis 70 angegeben hatte und sich infolgedessen hier auf keinen Fall darauf berufen kann, die im Eröffnungsbeschluss genannte Erschiessungszahl sei zu hoch gegriffen. Die für diesen Tatkomplex in Betracht kommenden Zeugenaussagen waren nicht verwertbar, da die Möglichkeit, dass den Zeugen eine Verwechslung mit den später in Gomel unter Führung des Angeklagten Schulz durchgeführten Erschiessungsaktionen unterlaufen war, nicht ausgeschlossen werden konnte.
Gomel (vgl. V.B.6.a.)
An diesen vom Teilkommando Schulz durchgeführten Massenerschiessungen waren die Zeugen Ba., B., Ru. und Fö. beteiligt. Auf ihre Aussagen und die Einlassung des Angeklagten Schulz gründen sich die hierzu getroffenen Feststellungen. Auch in diesem Zusammenhang hielten die Zeugen hinsichtlich der Zahl der bei den Aktionen getöteten Opfer ihre ursprünglichen Angaben nicht aufrecht, so dass in Abweichung vom Eröffnungsbeschluss in beiden Fällen davon auszugehen war, dass mindestens 200 Menschen den Tod gefunden haben.
Der Angeklagte Schulz hat nicht in Abrede gestellt, dass in Gomel die geschilderten Erschiessungsaktionen durchgeführt worden sind. Er macht zu seiner Verteidigung lediglich geltend, er habe bei den von ihm an das EK 8 weitergegebenen Meldungen die Erschiessungszahlen jeweils nach oben abgerundet. Ferner wendet er sich gegen die Angaben der Zeugen Ba. und Fö., wonach die Opfer sich vor der Exekution ganz oder teilweise entkleiden mussten.
Dieses Verteidigungsvorbringen konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die Zahlenangaben der Zeugen in der Hauptverhandlung konnten bei der Feststellung des Sachverhalts unbedenklich verwertet werden, zumal Schulz die Höhe dieser Erschiessungszahlen nicht ernsthaft in Zweifel gezogen hat und in der Ereignismeldung Nr.148 vom 19.12.1941 (S.9) von der Erschiessung von 52 Juden in Gomel und von einer in Gomel, Rogatschew und einem weiteren Ort durchgeführten Sonderaktion berichtet worden ist, bei der 2365 Juden getötet wurden. Die Tatsache, dass die Opfer vor ihrer Erschiessung die Kleider ganz oder teilweise ablegen mussten, ergibt sich aus den Aussagen der genannten Zeugen. Insbesondere Fö. hat die diesbezügliche Behauptung trotz eingehender Fragen und Vorhalte des Angeklagten Schulz in vollem Umfang aufrechterhalten. Nur der Zeuge Ba. glaubt sich erinnern zu können, dass bei der ersten Aktion in Gomel ein Entkleiden der Opfer noch nicht angeordnet worden ist. Auch B. räumt die Möglichkeit ein, dass bereits bei diesen Exekutionen die Opfer ihre Kleider zumindest teilweise abzulegen hatten.
Rogatschew (vgl. V.B.6.b.)
Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten Schulz und den Bekundungen des Zeugen B. Auch hier ergaben sich gegenüber dem Inhalt des Eröffnungsbeschlusses insofern wieder Abweichungen, als der Zeuge die bei seiner Vernehmung im Laufe des Ermittlungsverfahrens genannte Zahl der bei dieser Exekution getöteten Opfer - er sprach damals von etwa 800 Menschen - nicht aufrechterhielt. Schulz selbst hat sich zum Umfang dieser in Rogatschew durchgeführten Erschiessungsaktion nicht geäussert.
Die zugrundegelegte Mindestzahl von 400 Opfern stützt sich auf die Aussage des Zeugen B., der offensichtlich zur Vermeidung einer eigenen Belastung bestrebt war, seine frühere Darstellung abzuschwächen, und auf die in der Ereignismeldung Nr.148 vom 19.12.1941 (S.9) enthaltenen Angaben, wonach im Rahmen einer in Gomel, Rogatschew und einem weiteren Ort durchgeführten Sonderaktion 2365 Juden liquidiert wurden.
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Klienci (vgl. V.B.6.c.)
Über diese Aktion, die Schulz nicht bestreitet, weiss gleichfalls nur der Zeuge B. zu berichten. Auch in diesem Fall hat er seine Angaben über die Zahl der erschossenen Opfer gegenüber seiner früheren Darstellung erheblich abgeschwächt. Wenn auch, wie bereits ausgeführt wurde, die Herabsetzung der Erschiessungszahlen weniger einem Verblassen der Erinnerung zuzuschreiben sein dürfte, die zur Zeit der Vernehmung im Ermittlungsverfahren noch bestand, sondern mit grosser Wahrscheinlichkeit zur Vermeidung eigener Belastung erfolgte, so ist das Gericht doch in Ermangelung anderer Beweismittel und Anhaltspunkte zu Gunsten der Angeklagten von der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung ausgegangen und hat in Abweichung vom Eröffnungsbeschluss die hier genannte Mindestzahl von 200 Opfern den Feststellungen zugrundegelegt.
Rjetschiza (vgl. V.B.6.d.)
Der Angeklagte Schulz stellt auch diese Erschiessungsaktion nicht in Abrede. Auch diese Vorgänge hat nur der Zeuge B. noch in Erinnerung. Allerdings hat er auch hier nur eine geringere Zahl als anlässlich seiner früheren Angaben, welche die Grundlage für die im Eröffnungsbeschluss aufgeführte Zahl gebildet hatten, in der Hauptverhandlung aufrechterhalten.
2. Das Verhalten der Angeklagten zu den Erschiessungsaktionen und ihr Verteidigungsvorbringen (vgl. Ziffer VI.)
a. Dr. Bradfisch
Der Angeklagte Dr. Bradfisch hat, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, grundsätzlich nicht in Abrede gestellt, dass das von ihm geführte EK 8 zahlreiche Exekutionen vorgenommen hat. Soweit er die Verantwortung für einzelne Erschiessungsaktionen in Abrede gestellt hat, wurde hierzu bereits Stellung genommen.
Bradfisch hat jedoch mit allem Nachdruck bestritten, anlässlich von Massenerschiessungen eigenhändig auf die zur Tötung bestimmten Menschen geschossen zu haben. Dieses Verteidigungsvorbringen wird durch die Angaben der Zeugen D., Sc., Fu., G. und Ru. widerlegt, die mit eigenen Augen beobachtet haben, dass der Angeklagte in den geschilderten Fällen (vgl. V.A.1., 3., 4.) mit einer Maschinenpistole oder Pistole auf die Opfer geschossen hat. Auch der Zeuge J. hat anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung einen Vorgang geschildert, bei dem Bradfisch - es handelte sich seiner Meinung nach um eine Erschiessungsaktion in Mogilew oder Gorki - mit einer russischen Maschinenpistole einen Feuerstoss auf die im Graben liegenden Opfer abgegeben haben sollte. In der Hauptverhandlung hat er zunächst versucht, seine frühere Sachdarstellung mit der Behauptung abzutun, er erinnere sich nicht genau daran, ob Dr. Bradfisch eigenhändig mitgeschossen habe. Das Schwurgericht hielt diese Erklärung des Zeugen jedoch für unglaubwürdig; denn es widerspricht jeglicher Erfahrung, dass die Erinnerung an Vorgänge, die man etwa 18 Jahre nach dem tatsächlichen Geschehen noch in allen Einzelheiten im Gedächtnis hat, nach Ablauf weiterer zwei Jahre völlig verblassen kann, es sei denn, es wären bei der betreffenden Auskunftsperson während des letztgenannten Zeitraumes erhebliche Veränderungen gehirnorganischer Art eingetreten, die einen solchen Gedächtnisschwund als glaubhaft erscheinen liessen. Von einer merklichen Beeinträchtigung seines geistigen Befindens wusste der Zeuge jedoch nichts zu berichten, wenn er auch geltend macht, sein Gesundheitszustand während des letzten Jahres habe mehrfach zu Klagen Anlass gegeben.
Es kann als ausgeschlossen gelten, dass sämtliche vorstehend aufgeführten Zeugen möglicherweise einer Sinnestäuschung oder einer Personenverwechslung zum Opfer gefallen sind, zumal ihre Bekundungen in den Aussagen der Zeugen P. und T. eine weitgehende Bestätigung gefunden haben. Diese Zeugen konnten zwar nicht über eigene Wahrnehmungen hinsichtlich der Schiesstätigkeit des Angeklagten berichten. Aus ihren Aussagen ergibt sich jedoch mittelbar, dass Bradfisch wiederholt eigenhändig auf Juden geschossen hat. So hat P. bekundet, er habe nach einer Erschiessungsaktion - wahrscheinlich in Minsk - von dem Zeugen D. oder unter Umständen auch von einer anderen Person erfahren, dass Bradfisch selbst mitgeschossen habe. T. erinnert sich daran, dass Bradfisch nach einer Massenexekution in Mogilew oder Bobruisk in seine Unterkunft gekommen sei und einem Polizeikameraden seine Pistole mit der Bemerkung zum Reinigen übergeben habe, er habe heute selbst auch mitgeschossen.
Wenngleich nach den Bekundungen der genannten Zeugen der Verdacht begründet ist, dass der Angeklagte Dr. Bradfisch sich nicht nur in zwei Fällen persönlich mit der Waffe an der Erschiessungen beteiligt hat, so war doch mit Rücksicht auf die Länge des seit den beschriebenen Vorfällen verstrichenen Zeitraumes die Möglichkeit nicht ganz auszuschliessen, dass Schilderungen des gleichen Vorganges in ihren Einzelheiten erheblich voneinander abwichen und dadurch der Eindruck vermittelt werden konnte, es handle sich um verschiedene Begebenheiten.
Im übrigen hat Dr. Bradfisch zu seiner Verteidigung vorgetragen, er habe die Judenerschiessungen missbilligt und sich an der Ausführung des Führerbefehls nur auf Grund der damals gegebenen Zwangslage, die ihm keinen anderen Ausweg gelassen habe, beteiligt. Er habe nicht über die erforderlichen persönlichen Beziehungen verfügt, die es ihm, wie einigen anderen SS-Führern, ermöglicht hätten, seine Ablösung als Führer des EK 8 zu erreichen. Er habe auch deswegen nichts unternommen, von seinem Posten wegzukommen, weil Nebe ihm zu Beginn des Russlandeinsatzes zugesichert habe, eine Ablösung werde ohnehin innerhalb kurzer Zeit erfolgen. Eine Meldung zum Fronteinsatz sei aussichtslos gewesen, da man eine solche als Befehlsverweigerung ausgelegt und wie Feigheit vor dem Feind bestraft haben würde. Auch die Möglichkeit, sich auf dem Wege der Krankmeldung der Beteiligung an den Erschiessungen zu entziehen, sei ihm mit Rücksicht auf seinen Dienstgrad und die Tatsache, dass er sich während seines Aufenthaltes in Russland bester Gesundheit erfreut habe, verschlossen gewesen. Kein Truppenarzt würde es gewagt haben, ihm das Vorliegen einer Erkrankung zu bescheinigen. Aber selbst wenn es ihm zunächst gelungen wäre, in die Heimat zu kommen, dann wäre dort eine solche Simulation zweifelsfrei durch die dem Reichsführer-SS zur Verfügung stehenden ärztlichen Kapazitäten aufgedeckt und ihm selbst als Drückebergerei ausgelegt worden.
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Da er keinen für ihn gangbaren Weg, sich den befohlenen Aufgaben ohne erhebliche Gefährdung seiner eigenen Person zu entziehen, gesehen habe, habe er immer wieder den Versuch unternommen, das Hauptgewicht seiner Tätigkeit auf die Bekämpfung von Partisanen und Banden zu verlegen und dadurch zumindest zeitweise den von der Einsatzgruppe geforderten Judenaktionen zu entgehen. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass er seine Untergebenen zur Durchführung von Erschiessungsaktionen gedrängt und erklärt habe, er wolle höhere Erschiessungszahlen sehen. Er habe allenfalls darauf hingewiesen, dass er selbst von Nebe in dieser Richtung bedrängt werde und die gegebenen Anordnungen an seine Unterführer weitergeben müsse. Er könne sich nicht entsinnen, dass jemals einer seiner Untergebenen an ihn herangetreten wäre mit der Frage, was man gegen den Vernichtungsbefehl unternehmen könne. Wenn dies jedoch der Fall gewesen sei, so habe er den Betreffenden sicher zu bedenken gegeben, dass es sich um einen Befehl der obersten Staatsführung handle und aus diesem Grunde höchste Vorsicht geboten sei. Eine Drohung, einen solchen Mann vor dass SS- und Polizeigericht zu bringen oder andere schwerwiegende Massnahmen gegen ihn zu ergreifen, habe er niemals ausgesprochen. Es könne sich, wie überhaupt, nur um kameradschaftliche Hinweise auf die für alle Beteiligten bestehende Zwangslage gehandelt haben. Der Vorwurf, keinen zumutbaren Ausweg gesucht zu haben, könne gegen ihn, so meint der Angeklagte Bradfisch weiterhin, nicht erhoben werden. Immerhin habe er das Risiko auf sich genommen, in Minsk den Reichsführer-SS danach zu fragen, von wem der Befehl zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im besetzten Russland stamme und wer die Verantwortung für dieses Geschehen trage. Als er dann erfahren habe, dass es sich um einen Befehl der obersten deutschen Staatsführung handelte, habe er erkannt, dass ihm und seinen Männern nichts anderes übrig bleibe, als den gegebenen Anordnungen Folge zu leisten. Er habe den Befehl, der von der legalen Staatsführung erteilt und dessen Ausführung jederzeit zwangsweise durchgesetzt werden konnte, als verbindlich angesehen und eine Verfolgung seiner Person wegen dieser auf einem verbindlichen und insoweit auch rechtmässigen Befehl beruhenden Handlungen für ausgeschlossen gehalten.
Dieses Verteidigungsvorbringen, soweit hierzu nicht eine Stellungnahme im Rahmen der rechtlichen Würdigung veranlasst ist, steht grossenteils in Widerspruch zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
Bradfisch hat, wie er selbst einräumt, keinen Versuch unternommen, sich auf irgendeine Weise den ihm und seiner Einheit übertragenen Aufgaben zu entziehen. Der Grund hierfür lag aber nicht darin, dass er sich einer ausweglosen Situation gegenüber sah, sondern in seiner ganzen Einstellung zu dem damaligen Geschehen. Seine Haltung und sein Auftreten waren nicht die eines Mannes, der die ihm erteilten Anordnungen missbilligt und sie daher nur widerwillig ausführt, weil er keine andere Möglichkeit zu haben glaubt. Es war vielmehr das Gebaren eines treuen Gefolgsmannes Hitlers, für den die Willensäusserung des Staatsoberhauptes ohne Rücksicht auf ihren Inhalt Gesetz war, das vom Staatsbürger auf jeden Fall Gehorsam erheischte. Ein Recht zur Überprüfung solcher Befehle auf ihre Rechtmässigkeit stand ihm seiner damaligen Meinung zufolge nicht zu.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Bradfisch die Tötung der Juden und anderer Bevölkerungsgruppen allein aus rassischen oder politischen Gründen nicht als Unrecht erkannt hat. Wenn er im Rahmen seiner Verteidigung ausgeführt hat, er habe nie damit gerechnet, wegen der Ausführung des ihm erteilten Befehls einmal zur Rechenschaft gezogen werden zu können, so wollte er damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass es nach seiner Auffassung ein Unding sei, einen Staatsbürger wegen der Befolgung von Anordnungen strafrechtlich zu verfolgen, die von einer legalen Staatsführung ausgingen und von dieser verantwortet wurden. In Wirklichkeit dachte der Angeklagte, ebensowenig wie der grösste Teil der übrigen an den Erschiessungen Beteiligten, damals nicht an die Möglichkeit einer Strafverfolgung, weil sie glaubten, diese Geschehnisse würden in der Fülle des Kriegsgeschehens, das, wie ihnen nicht zweifelhaft erschien, mit einem deutschen Sieg enden musste, untergehen. Allein die Tatsache, dass Bradfisch sich wiederholt eigenhändig an Erschiessungsaktionen beteiligt hat, beweist hinreichend die Unglaubwürdigkeit seiner heutigen Einlassung. Hätte er damals die ihm übertragenen Exekutionen nur unter einem unwiderstehlichen Zwang durchgeführt, so hätte er keinesfalls selbst die Waffe auf die Opfer gerichtet. Er hatte in seiner Stellung die Möglichkeit, eine so weitgehende Beteiligung seiner eigenen Person zu vermeiden. Diese eigenhändige Mitwirkung ist andererseits aber kein Anzeichen dafür, dass er mit Täterwillen handelte. Ihm ging es darum, die erteilten Weisungen zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten zu befolgen und auch seine Untergebenen zur bedingungslosen Befolgung der gegebenen Anordnungen anzuhalten. Dazu gehörte nach seiner Meinung möglicherweise auch, dass er hin und wieder selbst seinen Leuten beispielhaft voranging.
Seiner Einstellung zu den Geschehnissen entsprach es auch, dass er die ihm unterstellten Unterführer notfalls mit dem Hinweis auf die Folgen einer Befehlsverweigerung unter Druck setzte. Der Mitangeklagte R. und auch der Zeuge D. haben sich übereinstimmend dahin geäussert, dass Bradfisch für Gegenvorstellungen kein Verständnis zeigte, mit Nachdruck die Ausführung des Ausrottungsbefehls verlangte und auch die Drohung mit dem SS- und Polizeigericht gebrauchte. R. und D. haben auch bekundet, dass Bradfisch mehrfach höhere Erschiessungszahlen verlangte und dass sie nicht den Eindruck hatten, Bradfisch wolle ihnen mit seinen Äusserungen lediglich die Aussichtslosigkeit ihrer gemeinsamen Lage in kameradschaftlicher Weise klarmachen. Sie fassten seine Hinweise auf die Folgen einer Befehlsverweigerung als Drohung auf, die sie auch klar ersichtlich war.
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Auch der Umstand, dass Bradfisch in Minsk von Winkler verlangte, in seiner Gegenwart eigenhändig mit einer Maschinenpistole auf die Opfer zu schiessen, zeigt, dass er keineswegs daran dachte, sich den befohlenen Vernichtungsaktionen zu entziehen, sondern dass er bereit war, die gegebenen Anordnungen zu befolgen und die ihm übertragene Aufgabe zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten zu erfüllen. Dazu benötigte er, wenn es keine Schwierigkeiten geben sollte, die Unterstützung der Unterführer des Kommandos und versuchte daher, sie zu einer möglichst aktiven Beteiligung an den Aktionen zu veranlassen. Das Vorliegen eines Befehls, dass jeder Führer mindestens einmal selbst geschossen haben musste, hat Bradfisch verneint.
Die in diesem Abschnitt über Dr. Bradfisch getroffenen Feststellungen gründen sich ferner auf die Bekundungen der Zeugen E., Schr. und Schul., die als höhere SS-Führer dem Stab der Einsatzgruppe B angehört hatten und während des hier in Frage stehenden Zeitraumes mit Dr. Bradfisch in persönliche Berührung gekommen waren.
b. Schulz
Der Angeklagte Schulz hat, ebenso wie Bradfisch, mit Entschiedenheit in Abrede gestellt, dass er sich an Exekutionen durch eigenhändiges Mitschiessen beteiligt hat. Wenn er - so behauptet er - überhaupt geschossen habe, woran er sich nicht erinnere, könne es sich nur um Nachschüsse gehandelt haben.
Die Beweisaufnahme hat jedoch zur Überzeugung des Gerichts dargetan, dass Schulz entgegen seiner Einlassung anlässlich der von seinem Teilkommando durchgeführten Massenerschiessungen sich wiederholt persönlich mit einer Maschinenpistole betätigt und auch Schüsse auf noch nicht getroffene Opfer abgegeben hat. Es war allerdings nicht mehr festzustellen, in welchen Orten und anlässlich welcher Aktionen dies der Fall war.
Die eigenhändige Abgabe von Schüssen wird von den Zeugen Ba., Ru. und Fö. in glaubhafter Weise bekundet, während B. sich angeblich nicht mehr erinnerte, Schulz beim Schiessen anlässlich einer Massenexekution beobachtet zu haben, obgleich er anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung noch Behauptungen in dieser Richtung, wenn auch nicht mit aller Bestimmtheit, aufgestellt hatte.
Schulz wandte sich vor allem gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Fö., von dem er behauptete, er habe sich durch Aussagen im Zusammenhang mit seinem eigenen Spruchkammerverfahren bereits eindeutig festgelegt und glaube nunmehr, seine ursprünglichen Angaben, durch die er ihn, den Angeklagten, von dem er damals angenommen habe, er sei tot, zu Unrecht belastet habe, aufrechterhalten zu müssen. Auch das Gericht begegnete den Bekundungen des Zeugen Fö., der in der Hauptverhandlung von seinen früheren Angaben teilweise erheblich abzurücken versuchte, mit einigem Misstrauen, zumal der Zeuge die anlässlich einer Vernehmung durch den Staatsanwalt über den Angeklagten Schulz berichteten Einzelheiten durch ein nachträgliches Schreiben abzuschwächen versucht hatte. Die Angaben Fö's über die eigenhändige Beteiligung des Schulz an einer Exekution standen jedoch nicht für sich allein, sondern wurden von den Zeugen Ba. und Ru. bestätigt, so dass Zweifel hinsichtlich ihrer Richtigkeit nicht veranlasst sind. Insbesondere Ru., der erklärte, sich mit Sicherheit daran zu erinnern, dass Schulz sich bei Judenerschiessungen mehrfach als Schütze betätigt habe, hinterliess nicht den Eindruck, als wolle er Schulz wider besseres Wissen belasten; auch Ba. versuchte zunächst, seine früheren, den Angeklagten belastenden Angaben etwas abzuschwächen. Wenn von Fö. der Eindruck entstanden ist, als habe er in einigen Punkten die Unwahrheit berichtet, so liegt unter den gegebenen Umständen die Möglichkeit, dass er Schulz zu Unrecht entlasten wollte, viel näher als die Möglichkeit einer wahrheitswidrigen Beschuldigung.
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Im übrigen hat Schulz durch die persönlich vollzogene Erschiessung des Bürgermeisters von Gomel und einiger anderer Personen unter Beweis gestellt, dass es ihm nicht darauf ankam, auch bei Erschiessungen selbst Hand anzulegen. Gerade durch die Erörterung dieses Vorfalls, der an sich nicht Gegenstand des Verfahrens war, wurde dem Gericht aber ein eindrucksvolles Bild von der Unglaubwürdigkeit des Angeklagten Schulz vermittelt. Schulz hatte die Erschiessung des Bürgermeisters zunächst vorübergehend eingeräumt, kurz darauf aber wieder vorgegeben, sich an dieses Ereignis, das von den Zeugen B. und Pe. in seinen Einzelheiten geschildert wurde, überhaupt nicht zu entsinnen, um dann wenige Stunden später seinerseits Einzelheiten über die Verhaftung des Bürgermeisters und die Durchsuchung von dessen Wohnung und die dabei zutage geförderten Belastungsmomente zu berichten. Gleichzeitig versicherte er aber weiterhin, er habe nicht mehr in Erinnerung, ob er den Mann persönlich erschossen habe, obgleich er seiner Einlassung zufolge während des ganzen Krieges - er war niemals Frontsoldat - niemals eine Waffe auf einen lebenden und noch nicht getroffenen Menschen gerichtet haben will und infolgedessen mit aller Bestimmtheit eine solche Möglichkeit auszuschliessen in der Lage sein müsste.
Entgegen seiner Einlassung im Laufe des Ermittlungsverfahrens hat Schulz in der Hauptverhandlung erstmals davon gesprochen, dass er sogleich zu Beginn seines Einsatzes in Russland mit Dr. Bradfisch eine Auseinandersetzung gehabt habe, nachdem ihn dieser in die ihm bevorstehenden Aufgaben eingeweiht hatte. Er behauptet, bei dieser Unterredung Bradfisch auf die Unmenschlichkeit der angeordneten Judenvernichtung und die Unzumutbarkeit der Durchführung eines solchen Befehls hingewiesen zu haben. Darauf habe ihm Bradfisch erklärt, es handle sich um einen Führerbefehl, dessen bedingungslose Ausführung verlangt werden müsse, und damit gedroht, dass er ihn im Falle der Weigerung zwinge, die Angelegenheit vor das Höhere SS- und Polizeigericht in Mogilew zu bringen. Von diesem Augenblick an habe er gewusst, dass kein Weg an der Todesstrafe vorbeiführen werde.
Diese Darstellung seines ersten Zusammentreffens mit Bradfisch entspricht nicht den Tatsachen. Abgesehen davon, dass Schulz bei seinen Vernehmungen im Laufe des Ermittlungsverfahrens, wie ihm in der Hauptverhandlung vorgehalten wurde, keine Erinnerung an die Einzelheiten dieser Begebenheit zu haben behauptete und nur noch im Gedächtnis hatte, sich zusammen mit anderen zum EK 8 versetzten Leuten bei Bradfisch gemeldet zu haben, war er nach Überzeugung des Gerichts nicht der Mann, der bei der ersten Begegnung mit einem ihm bis dahin unbekannten Vorgesetzten es sofort gewagt hätte, den von höchster Stelle erteilten Befehl zu kritisieren und den zu dessen Ausführung gegebenen Anordnungen zu widersprechen. Er hat sich vielmehr in Durchführung seines Auftrages widerspruchslos mit seinem Kommando nach Gomel begeben und dort befehlsgemäss die ihm zugewiesene Tätigkeit aufgenommen.
Er hatte nie die Absicht, sich den übertragenen Aufgaben zu entziehen, sondern führte diese in unerschütterlicher Befehlstreue durch, ohne als gehorsamer Gefolgsmann der damaligen Machthaber die Möglichkeit einer Nichtausführung oder Umgehung des unmenschlichen Führerbefehls überhaupt in Erwägung zu ziehen und in dieser Richtung etwas zu unternehmen. Ein Befehl des Führers war in seinen Augen unantastbar und unabhängig von seinem Inhalt gesetzmässig, weil er die mit Gesetzeskraft ausgestattete Willensäusserung des legal an die Macht gekommenen Staatsoberhauptes darstellte. Aus diesem Grund war er auch der Meinung, wegen seiner Teilnahme an den Exekutionen nicht vor Gericht gestellt werden zu können, jedenfalls nicht vor ein deutsches Gericht. Auch er glaubte, die grauenhaften Massenerschiessungen, deren verbrecherischen Charakter auf der Hand lag und von ihm erkannt worden war, würden in dem Gesamtgeschehen untergehen und in Vergessenheit geraten.
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Seine Einstellung gegenüber der Ausrottung unschuldiger Menschen wegen ihrer Rassezugehörigkeit und den Massentötungen aus rein politischen Gründen ist in seiner Haltung deutlich zum Ausdruck gekommen. Schulz kam es vom Beginn seiner Tätigkeit als Führer des in Gomel stationierten Teiltrupps des EK 8 darauf an, die ihm unterstellten Leute einer strengen Zucht zu unterwerfen und einen geregelten Dienstbetrieb einzurichten. Sein Vorbringen, er habe sich bei den Erschiessungen völlig passiv verhalten und habe in deren Ablauf auch gar nicht einzugreifen brauchen, da er eine eingespielte Mannschaft übernommen habe, ist schon im Hinblick auf seine Persönlichkeit nicht glaubhaft, wird im übrigen aber auch durch die Aussagen der Zeugen Ba., B., Ru. und Fö. widerlegt. Danach hat Schulz die für die Durchführung der Durchkämmungsaktion und der Exekutionen erforderlichen Anordnungen selbst getroffen und auch deren Ausführung persönlich überwacht. Dabei hat er immer darauf geachtet, dass seine Untergebenen die gegebenen Befehle befolgten und sich den ihnen übertragenen Aufgaben nicht entzogen. Er wies immer wieder darauf hin, dass sich jeder für die Ausführung des von höchster Stelle erteilten Befehls einzusetzen habe, andernfalls er ihn zur Rechenschaft ziehen werde. Leute, die sich von den Erschiessungen fernzuhalten versuchten, teilte er bei den folgenden Exekutionen besonders häufig als Schützen ein. Schliesslich kann in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass Schulz sich eigenhändig an den Erschiessungen beteiligte, nicht übersehen werden. Hätte er sich, wie er heute vorgibt, von den befohlenen Vernichtungsaktionen innerlich distanziert gehabt und nur auf Grund einer bestehenden, unausweichlichen Zwangslage an ihnen teilgenommen, so hätte er wohl kaum eigenhändig auf die Menschen geschossen, deren grauenvolles Geschick ihm angeblich naheging. In Wirklichkeit war ihm das Schicksal dieser Menschen gleichgültig. Ihm war es vielmehr darum zu tun, die Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen und sich persönlich Schwierigkeiten zu ersparen. Keiner seiner heute noch als Zeugen zur Verfügung stehenden ehemaligen Untergebenen vermochte sich an Äusserungen des Angeklagten zu erinnern, die ein Mitgefühl mit den befehlsgemäss getöteten Opfern und die Qual eines Menschen, der unter den ihm übertragenen Aufgaben leidet, hätten erkennen lassen. Ein eigenes Interesse an der Tötung der Juden, das ihn die Tötung unabhängig von dem ergangenen Führerbefehl hätte begehen lassen, war bei Schulz nach der Überzeugung des Schwurgerichts nicht vorhanden, zumindest war es nicht nachweisbar. Auch durch die Abgabe eigenhändiger Schüsse hat er nur gezeigt, dass er bestrebt war, den Befehlen möglichst vorbildlich nachzukommen.
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c. Winkler
Von diesem Angeklagten hat das Schwurgericht zwar die Überzeugung gewonnen, dass er den als verbrecherisch erkannten Vernichtungsbefehl nur mit Widerwillen befolgte und unter den damaligen Geschehnissen litt. Aber auch er hat innerhalb der für ihn bestehenden Möglichkeiten keine Anstrengungen unternommen, sich der Beteiligung an den befohlenen Verbrechen zu entziehen. Er ist trotz seiner Erschütterung über die von der deutschen Staatsführung angeordneten Greueltaten den einfacheren, leichteren und ungefährlicheren Weg gegangen, indem er die Anordnungen seiner Vorgesetzten widerspruchslos entgegennahm und ausführte, ohne die Möglichkeiten eines gangbaren und zumutbaren Ausweges auch nur in Erwägung zu ziehen.
Winkler hat, wie der Zeuge Ru. glaubhaft bekundet hat, seinen Untergebenen damit gedroht, dass die Weigerung, die erteilten Befehle auszuführen, unter Umständen ernste Folgen nach sich ziehen könne. Dadurch wollte er offensichtlich die Leute, die sich nur zögernd und widerwillig an den Exekutionen beteiligten, zur gehorsamen Ausführung der gegebenen Anordnungen anhalten. Dieses Verhalten deutet keineswegs darauf hin, dass Winkler zwar die Möglichkeiten, sich den Geschehnissen zu entziehen, erschöpfend geprüft und sich schliesslich dem bestehenden Zwang zur Vermeidung eigener Gefährdung gebeugt hat.
d. R.
Das Verteidigungsvorbringen des Angeklagten R., er habe verschiedene Schritte unternommen mit dem Ziel, sich nicht an den Vernichtungsmassnahmen gegen die jüdische Bevölkerung beteiligen zu müssen, war auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht zu widerlegen, sondern wurde zum Teil durch die Bekundungen der Zeugen bestätigt. Für die Richtigkeit seiner Behauptungen spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass er seine anlässlich der Vernehmungen im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben im wesentlichen auch in der Hauptverhandlung aufrechterhalten hat.
Der Angeklagte Dr. Bradfisch hat zwar erklärt, er vermöge sich an die von R. geschilderten Unterredungen nicht zu erinnern und glaube keinesfalls, dass er R. gegenüber zu Drohungen gegriffen habe. Dieses Vorbringen des Angeklagten Dr. Bradfisch ist jedoch nicht geeignet, die Unrichtigkeit der Sachdarstellung des Angeklagten R. darzutun. Das Erinnerungsvermögen Bradfischs hinsichtlich der damaligen Geschehnisse und ihrer Einzelheiten war ausserordentlich gering. Es kann infolgedessen nicht ausgeschlossen werden, dass auch die von R. erwähnten Aussprachen seinem Gedächtnis entfallen sind. Im übrigen passt das Verhalten Bradfischs bei diesen von R. geschilderten Gesprächen ohne weiteres in das Persönlichkeitsbild, wie es sich dem Gericht auf Grund der Beweisaufnahme dargeboten hat. Hinzu kommt noch, dass auch der Zeuge D. von solchen Unterredungen mit Bradfisch, die ähnliche Reaktionen von dessen Seite zur Folge hatten, berichtet hat. Das Gericht hatte daher keine Bedenken, insoweit von der Sachdarstellung des Angeklagten R. auszugehen.
Dem Angeklagten R. konnte im Gegensatz zu den drei vorstehenden Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass er sich eigenhändig durch Mitschiessen an den Exekutionen beteiligt hat. Dagegen wurde von dem Zeugen F. bestätigt, dass er sich mit Leuten seines Teilkommandos darüber besprochen hat, wie man der Durchführung der ergangenen Anordnungen am besten aus dem Wege gehe, eine Tatsache, die zumindest seinen Willen, den verbrecherischen Führerbefehl nicht ohne weiteres hinzunehmen und blindlings auszuführen, erkennen liess. Es erscheint daher auch glaubhaft, dass er sich, wie er von Anfang an behauptet hat, an einen früheren Vorgesetzten gewandt hatte, um auf diesem Wege seine Ablösung zu erreichen. Bei dieser Sachlage konnte R. nicht widerlegt werden, dass er sich dem Befehl zur Teilnahme an den Massenerschiessungen nur deshalb beugte, weil er bei den gegebenen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die Drohungen, mit denen Bradfisch seine Gegenvorstellungen abgetan hatte, keinen beschreitbaren Ausweg mehr sah und anderenfalls eine erhebliche Gefährdung seines eigenen Lebens befürchtete. Eine teilweise Umgehung des Erschiessungsbefehls glaubte er - auch davon musste ausgegangen werden - durch eine möglichst geringe Aktivität seines Trupps zu erreichen.
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e. S.
Das Vorbringen des Angeklagten S., er habe in seiner untergeordneten Stellung keine Möglichkeit gesehen, sich der ihm anbefohlenen Teilnahme an Erschiessungsaktionen ohne Gefährdung seines eigenen Lebens zu entziehen, und sich infolgedessen den Befehlen gebeugt, erschien dem Gericht mit Rücksicht auf die Persönlichkeit dieses Angeklagten durchaus glaubhaft. S. hatte zwar anlässlich seiner ersten Vernehmung durch die Kriminalpolizei auf entsprechende Fragen erklärt, zum Teil freiwillig an den Erschiessungen teilgenommen zu haben, da er nicht als Feigling habe gelten wollen und auch in seinem Fortkommen nicht habe gehemmt werden wollen. Er behauptete aber schon kurz darauf bei einer weiteren im Ermittlungsverfahren durchgeführten Vernehmung, seine letztgenannten Angaben seien falsch verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen worden. Im übrigen sei er bei der ersten Vernehmung, bei der er plötzlich zu den Vorgängen im Jahre 1941 habe Stellung nehmen müssen, so verwirrt und schockiert gewesen, dass man an seine damaligen Äusserungen hinsichtlich ihrer Genauigkeit keine strengen Massstäbe anlegen dürfe. Wenn er von freiwilliger Meldung gesprochen habe, so habe sich dies darauf bezogen, dass er sich zum Absperr- und Transportkommando gemeldet habe, um einer Einteilung zum Erschiessungskommando zu entgehen. Das Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die ursprünglichen Angaben des Angeklagten S. nicht zu seinem Nachteil verwertet werden konnten. Der Kriminalmeister Schn., der die in Frage stehende Vernehmung durchführte, hat als Zeuge bestätigt, dass S. sich bei dieser Vernehmung im Zustand einer zunehmenden Erregung befunden habe. Aus diesem Grund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte im damaligen Zeitpunkt zu einer präzisen Darstellung seiner Beweggründe für die Teilnahme an den Erschiessungen gar nicht mehr in der Lage gewesen ist und Missverständnisse in dem von ihm behaupteten Sinn vorgekommen sind. Es war S. auch nicht zu widerlegen, dass er die Tötung des jüdischen Ehepaares in Borissow nur aus Furcht vor einer Denunziation durch seine Begleiter vollzogen hat.
VIII. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten
Sämtliche Angeklagte waren zur Zeit der geschilderten Geschehnisse in dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Teil der Sowjetunion für ihre Handlungen voll verantwortlich. Bei keinem der Angeklagten haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei ihnen eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder eine Geistesschwäche - Bewusstseinsstörung scheidet unter den gegebenen Umständen aus - und eine dadurch bedingte Aufhebung oder erhebliche Verminderung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit vorgelegen haben könnte.
Zur Frage der Verantwortlichkeit des Angeklagten Schulz, der geltend gemacht hatte, er habe auf Grund von Angstzuständen möglicherweise in einer Art von Bewusstseinsstörung gehandelt, hat der psychiatrische Sachverständige Obermedizinalrat Dr. Da. ausgeführt, dass bei dem Angeklagten eine Bewusstseinsstörung zur Tatzeit nicht bestand. Das Schwurgericht schloss sich den überzeugend vorgetragenen Darlegungen des Sachverständigen, durch die das an sich schon ungewöhnliche und wenig überzeugende Vorbringen des Angeklagten in vollem Umfang entkräftet wurde, an und gelangte daher zu dem Ergebnis, dass auch bei Schulz die Voraussetzungen des §51 Abs.1 oder 2 StGB nicht gegeben sind.
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IX. Rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts
A. Die Haupttäter
Im Rahmen der Vorbereitung des Feldzuges gegen Russland fasste Hitler im Zusammenwirken mit Himmler und Heydrich den Entschluss, im Zuge der geplanten Vernichtung des Judentums mit der Ausrottung der jüdischen Bevölkerung Osteuropas zu beginnen und gleichzeitig auch andere als "rassisch minderwertig" angesehene Menschen sowie aktive Mitglieder der Kommunistischen Partei, die man als mutmassliche Träger einer Widerstandsbewegung in den zu besetzenden Gebieten ausschalten wollte, zu beseitigen. Die vorbereitenden Massnahmen für die sogenannte "Sonderbehandlung" dieser "potentiellen Gegner" wurden dem Reichssicherheitshauptamt übertragen, das die für die Durchführung des Vernichtungsplanes erforderlichen Verbände in Gestalt der Einsatzgruppen aufstellte, zur Unterstützung dieser Einheiten Polizeiverbände bereitstellte und die übrigen für notwendig erachteten Vorkehrungen organisatorischer und technischer Art traf.
Durch die unmittelbare Unterstellung der Einsatzgruppen unter die Befehlsgewalt des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, Heydrich, unter Ausschaltung der für das rückwärtige Heeresgebiet an sich zuständigen Befehlshaber der Sicherungsverbände der Wehrmacht sollte die unbedingte und rücksichtslose Durchführung der angeordneten Vernichtungsmassnahmen gewährleistet und ein Höchstmass an Geheimhaltung sichergestellt werden.
Die nationalsozialistischen Gewalthaber haben die Tötungshandlungen bis in die Einzelheiten ihrer Durchführung geplant und vorbereitet. Sie haben demzufolge mit Überlegung im Sinn der Bestimmung des §211 StGB alter Fassung (a.F.) gehandelt, die am 4.9.1941 durch die gegenwärtig noch gültige Vorschrift ersetzt wurde. Ihre Handlungsweise erfüllt aber auch den Tatbestand des §211 StGB neuer Fassung (n.F.). Die Massenhinrichtungen erfolgten aus rassischen und politischen Gründen. Der Entschluss zur Tötung von Menschen allein wegen ihrer Rassezugehörigkeit wurzelt in einem von der nationalsozialistischen Ideologie erzeugten und genährten Rassenwahn, der zu einer durch nichts begründeten Überwertung der Eigenschaften der eigenen "germanischen" Rasse führte, der gegenüber alle übrigen Menschenrassen als minderwertig galten und entweder unterworfen oder vernichtet werden mussten. Das Verhalten Hitlers und seiner Tatgenossen war somit von Vorstellungen bestimmt, die jeglichem gesunden menschlichen Empfinden Hohn sprachen und in besonderem Masse verwerflich waren. Es bedarf daher keiner weiteren Darlegungen, dass solche verächtlichen Beweggründe als "niedrig" im Sinne der Vorschrift des §211 Abs.2 StGB n.F. anzusehen sind (vgl. BGHSt. 2, 63; 3, 133). Das gleiche trifft für die Tötung von Menschen zu, die einer von den damaligen Machthabern missbilligten politischen Richtung angehörten und die lediglich aus diesem Grund um das Leben gebracht wurden, weil man in ihnen die Träger einer künftigen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzungsmacht sah.
Die Ausführung der Tötungshandlungen war von einer nahezu unbeschreiblichen Gefühllosigkeit und Unbarmherzigkeit der Gesinnung gekennzeichnet. Die Opfer, die in der schrecklichen Gewissheit ihres kurz bevorstehenden, unabwendbaren Todes häufig längere Zeit in unmittelbarer Nähe der Exekutionsstätten warten mussten und dabei das Krachen der Gewehrsalven oder der Maschinenpistolenschüsse und die Schreie ihrer Leidensgenossen hörten, in mehreren Fällen den Ablauf der Erschiessungen sogar mit ihren eigenen Augen mitverfolgen konnten, erlitten unermessliche seelische Qualen, die nur dadurch noch eine Steigerung erfuhren, dass sie sich auf die blutigen Leichen ihrer bereits getöteten Verwandten und Bekannten zu legen hatten. Diese Umstände lassen erkennen, dass durch die Tötungshandlungen auch das Tatbestandsmerkmal der Grausamkeit gemäss §211 Abs.2 StGB n.F. verwirklicht wurde.
Die objektive Rechtswidrigkeit der befohlenen Massenerschiessungen schuldloser Menschen liegt auf der Hand. Es handelt sich um eine Massnahme, die gegen die Grundsätze des Völkerrechts verstösst und in deren Ungeheuerlichkeit und Brutalität sich die tiefe Missachtung Hitlers und seiner Umgebung gegenüber den primitivsten Rechten der von den Vernichtungsaktionen betroffenen Menschen in furchtbarer Deutlichkeit widerspiegelt. Es kann dahingestellt bleiben, ob mit Rücksicht darauf, dass die Sowjetunion dem Haager Abkommen nicht beigetreten ist, die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung (LKO) unmittelbar anzuwenden sind. Die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Taten greifen jedenfalls in die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts ein, deren Anwendung sich keine Staatsführung eigenmächtig mit der Wirkung entziehen kann, dass sie die sich aus den Grundsätzen ergebende Grenze zwischen Recht und Unrecht mit verbindlicher Wirkung für andere verschiebt. Auch wenn man die unmittelbare Anwendung der LKO verneint, so ist davon auszugehen, dass keine kriegführende Macht und keine Besatzung in ihren Handlungen im besetzten feindlichen Gebiet rechtlich völlig ungebunden ist. Sie unterliegen vielmehr den rechtlichen Schranken, die sich aus den Gesetzen der Menschlichkeit und den unter gesitteten Völkern feststehenden Gebräuchen zwangsläufig und für jeden erkennbar ergeben (vgl. BGHSt. 1, 397-399).
Die Massenerschiessungen sind auch dadurch kein "Recht" geworden, dass sie auf einer Willenskundgebung Hitlers als obersten Repräsentanten des ehemaligen Deutschen Reiches beruhten (vgl. BGHSt. 2, 177). Wenn obrigkeitliche Anordnungen die Begehung derartiger Ungeheuerlichkeiten zum Ziele haben und die allen Kulturvölkern gemeinsamen Rechtsüberzeugungen von Wert und Würde der menschlichen Persönlichkeit in einem so gröblichen Masse verletzen, dann schaffen sie kein Recht und ein ihnen entsprechendes Verhalten bleibt Unrecht. Die Frage, ob Hitler legal an die Macht gekommen ist, ist in diesem Zusammenhang ohne jegliche Bedeutung, da verbrecherische Handlungen auch von einer verfassungsmässigen Staatsführung begangen werden können. Die von Hitler angeordneten Massenvernichtungsmassnahmen sind unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt. Wenn auch die Erschiessungen als "Sonderbehandlung potentieller Gegner" bezeichnet wurden, so wäre es doch völlig abwegig, daraus etwa den Schluss ziehen zu wollen, es habe sich um Notwehrakte zur Verhinderung von unmittelbar bevorstehenden Angriffen auf die Sicherheit der deutschen Wehrmacht gehandelt. Auch andere Rechtfertigungsgründe sind nicht erkennbar geworden.
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Hitler und die übrigen Mittäter waren sich dessen bewusst, dass die Planung und Durchführung der Massenvernichtung von Menschen jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte. Sie haben jedoch in klarer Erkenntnis der Rechtswidrigkeit eines solchen Vorgehens gegen unschuldige Bürger eines fremden Staates die sich ihnen gelegentlich des Ostfeldzuges bietende, wie sie glaubten, günstige Gelegenheit ergriffen, um die von ihnen seit langem geplante Vernichtung des Judentums durch Ausrottung der jüdischen Ostbevölkerung zunächst zumindest teilweise in die Tat umzusetzen in der Annahme, die blutigen Spuren dieser Massenverbrechen würden sich in dem furchtbaren Kriegsgeschehen verlieren. Ihr Unrechtsbewusstsein kommt in der strengen Geheimhaltung der Planung und Durchführung der Vernichtungsmassnahmen, die zur "Geheimen Reichssache" (höchster Grad der Geheimhaltung) erklärt worden waren, klar zum Ausdruck. Auch die Tatsache, dass in den Berichten der Ereignismeldungen meistens irgendwelche fadenscheinige Gründe für die Erschiessungen (z.B. Nichttragen des vorgeschriebenen Kennzeichens; Verbreitung von deutschfeindlichen Gerüchten usw.) angegeben waren, lässt mit aller Deutlichkeit erkennen, dass die Urheber der Massentötungen sich des schweren Unrechts dieser Handlungen genau bewusst waren.
Die Täter rechneten schliesslich damit, dass die von ihnen aus Gründen der Rassezugehörigkeit und der politischen Überzeugung und unter Missachtung jeglichen menschlichen Mitgefühls veranlassten Vernichtungsaktionen in einer Weise vor sich gehen würden, die zwangsläufig erhebliche seelische und auch körperliche Qualen mit sich bringen musste. Sie waren sich auch darüber klar, dass es bei der an sich schon grausamen Durchführung der Massentötungen zu allerlei Roheiten seitens der Angehörigen der damit beauftragten Verbände kommen werde. Trotz dieser Erkenntnis haben sie jedoch die Massenvernichtungsmassnahmen bedenkenlos und bar jeglichen menschlichen Empfindens durchführen lassen, weil ihnen die Erreichung ihrer Ziele höher stand als das Leben von einigen hunderttausend Menschen. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass der Plan zu diesen Massenverbrechen und der Entschluss zu ihrer Ausführung einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung entsprungen ist (vgl. BGHSt. 3, 180 f.).
Hitler und seine Tatgenossen haben als mittelbare Täter gemeinschaftlich gehandelt. Sie haben in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken den Entschluss zur Tötung der genannten Personengruppen gefasst und unter Ausnutzung ihrer unumschränkten Machtstellung die zur Ausführung des Vernichtungsbefehls erforderlichen Anordnungen erlassen; sie wollten, wie dies aus der Rede Himmlers in Minsk hervorgeht, dafür auch die Verantwortung tragen. Zur Durchführung ihres gemeinsam entwickelten Mordplanes bedienten sie sich einer eigens hierfür geschaffenen Organisation, deren Angehörige in einem militärähnlichen Gehorsamsverhältnis standen und befehlsgemäss in der gewünschten Richtung tätig wurden, ohne jedoch selbst mit Täterwillen zu handeln. Anstiftung scheidet aus diesen Gründen aus.
Durch die befohlenen Tötungshandlungen haben Hitler, Himmler, Heydrich und möglicherweise weitere an der Planung der Vernichtungsaktion Beteiligte, soweit die im Bereich des EK 8 durchgeführten Massenerschiessungen in Frage stehen, den Tatbestand eines in Mittäterschaft begangenen Verbrechens des Mordes gemäss den §§211 StGB a. und n.F., §47 StGB erfüllt, wobei die festgestellten Tötungsfälle zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§73 StGB) stehen.
Die vorbezeichneten Haupttäter haben nach den getroffenen Feststellungen den von Hitler auf Grund des gemeinsam erwogenen Tatplanes gegebenen Befehl zur Tötung der als rassisch minderwertig erachteten Bevölkerungsgruppen und der Kommunisten an das Reichssicherheitshauptamt weitergeleitet, das die Aufstellung der Einsatzgruppen veranlasste und den Befehl an diese weitergab. Durch die Erteilung dieses auf einem Gesamtplan beruhenden Grundsatzbefehls haben sie die Ermordung einer unfassbar grossen Zahl von Menschen - das vorliegende Verfahren befasste sich lediglich mit einem geringen Teil - ausgelöst, die sich in einer Reihe von Exekutionen, die in fast völliger Gleichförmigkeit abliefen, vollzog. Die Ausführung der Massentötungen durch die Angehörigen der Einsatzgruppen ist demzufolge auf eine Willensbetätigung und Willensäusserung der gemeinschaftlichen Täter zurückzuführen, so dass die einzelnen durch diesen einheitlichen Willensakt veranlassten Tötungen rechtlich eine Handlung im Sinne einer gleichartigen Tateinheit (§73 StGB) bilden.
Das Schwurgericht hat in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass ein allgemeiner Begriff des "Massenverbrechens" als einer rechtlichen Handlungseinheit für das deutsche Strafrecht nicht anzuerkennen ist (vgl. BGHSt. 1, 221 f.). Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall liegt jedoch wesentlich anders als der vorliegende; ebensowenig greifen die in der Entscheidung aufgezeigten Bedenken in dem vorliegenden Verfahren Platz. Die hier zu Aburteilung stehenden Taten wurden auf Grund eines in seinen Einzelheiten festgestellten Willensentschlusses der Täter begangen, dessen Auswirkung für die betroffenen, lediglich der Zahl nach noch nicht bestimmten Menschen von vornherein feststand, während der der bezeichneten Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt genauere Feststellungen zu der Mehrzahl der zur Aburteilung gelangten, in ihren Voraussetzungen und ihrer Begehungsweise verschiedenen Taten vermissen lässt.
Umfangreiche Ausführungen zu der Frage, welche der beiden Fassungen des §211 StGB anzuwenden ist (§2 Abs.2 StGB), sind nicht veranlasst. Beide Tatbestände sind erfüllt, für die Verwirklichung beider Tatbestände war zunächst die Todesstrafe angedroht. Infolge der Abschaffung der Todesstrafe durch das Grundgesetz hätte daher die Bestrafung der Haupttäter aus §211 StGB n.F., der nunmehr lebenslanges Zuchthaus androht und infolgedessen als das mildeste Strafgesetz im Sinne des §2 Abs.2 StGB anzusehen ist, zu erfolgen.
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B. Die Beteiligung der Angeklagten
1. Sämtliche Angeklagte sind durch den von Hitler nach Absprache mit seinen Mittätern gegebenen Vernichtungsbefehl zu den Tötungshandlungen veranlasst worden. Ihre Beteiligung an den Massenerschiessungen war nach ihrem Rang und ihrer persönlichen Einstellung verschieden.
a. Dr. Bradfisch
Der Angeklagte Bradfisch hat den Vernichtungsbefehl und die zu seiner Ausführung erforderlichen Anordnungen, die von der Führung der Einsatzgruppe B gegeben worden waren, an die Angehörigen seines Kommandos weitergegeben. Er hat ferner eine grössere Anzahl von Erschiessungsaktionen selbst angeordnet und ihre Durchführung überwacht oder seinen Stellvertreter mit der Leitung solcher Aktionen beauftragt. Die Entsendung der Teilkommandos wurde von ihm veranlasst. Dabei hat er die Führer dieser Teilkommandos (Teiltrupps) in ihre Aufgaben eingewiesen und mit dem Auftrag versehen, in dem ihnen zugewiesenen Einsatzraum die jüdische Bevölkerung auszurotten und die feststellbaren Kommunisten gleichfalls zu erschiessen. Schliesslich hat er sich in mindestens zwei Fällen eigenhändig an Erschiessungen beteiligt und seine Untergebenen zur bedingungslosen Befolgung der gegebenen Anordnungen angehalten, notfalls durch drohende Hinweise auf die Folgen einer Befehlsverweigerung.
b. Schulz
Der Angeklagte Schulz hat als Führer eines Teilkommandos in Befolgung des ihm bekannten Führerbefehls und entsprechend den ihm zu dessen Ausführung von Dr. Bradfisch erteilten Weisungen insgesamt mindestens vier Massenerschiessungen (Gomel, Rogatschew, Klienci, Rjetschiza) durchgeführt, deren Ablauf er in seinen Einzelheiten bestimmte und überwachte. Auch er hat die seiner Befehlsgewalt unterstehenden Männer zu unbedingtem Gehorsam veranlasst und wiederholt persönlich mit der Waffe an Exekutionen teilgenommen.
c. Winkler
Der Angeklagte Winkler hat mit dem ihm unterstellten Teilkommando in vier Fällen (Bialystok, Baranowicze, Minsk, Mogilew) an den vom EK 8 unter Leitung des Angeklagten Dr. Bradfisch oder seines Stellvertreters durchgeführten Massenexekutionen teilgenommen, indem er mit seinen Leuten bei der Erfassung der späteren Opfer mitwirkte, Absperrungsdienste an den Erschiessungsstätten versah und sich auch bei den eigentlichen Exekutionen durch Befehligen von Erschiessungskommandos beteiligte. Er hat dabei in einem Fall, allerdings auf ausdrücklichen Befehl seines Vorgesetzten Dr. Bradfisch, eigenhändig geschossen. Ferner hat Winkler befehlsgemäss mit seinem Teilkommando selbständig (Nowogrodek) oder im Zusammenwirken mit anderen Teilkommandos (Gomel) mindestens zwei Exekutionen durchgeführt. Auch er hat, wenn auch in weitaus geringerem Masse und mit weniger Nachdruck, seine Untergebenen zur Ausführung der erteilten Befehle angehalten.
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d. R.
Der Angeklagte R. hat in einem Fall (Baranowicze) an einer vom EK 8 durchgeführten Erschiessungsaktion teilgenommen, indem er auf Befehl Bradfischs ein Erschiessungskommando befehligte. Er hat ferner, nachdem er sich mit seinem Teilkommando vom Verband des EK 8 getrennt hatte, weisungsgemäss mehrere Exekutionen durchgeführt, die von ihm selbst angeordnet und zumeist auch geleitet wurden.
e. S.
Der Angeklagte S. hat in insgesamt vier Fällen (Bialystok, Borissow und Umgebung), in denen er als Gewehr- oder Maschinenpistolenschütze eingeteilt war, im Rahmen eines Erschiessungskommandos oder als Einzelschütze an den Exekutionen teilgenommen. Ferner hat er auf ausdrücklichen Befehl des Obersturmführers Schönemann anlässlich einer Durchkämmungsaktion zwei Personen durch Schüsse aus der Maschinenpistole getötet.
2. Sämtliche Angeklagte haben auf Befehl gehandelt. Sie unterstanden als Angehörige der SS, die im Rahmen eines Verbandes des SD und der Sicherheitspolizei eingesetzt waren, einer Sondergerichtsbarkeit (VO über eine Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für Angehörige der SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz vom 17.10.1939 - RGBl. I, 2107 - i.V. mit dem Erlass des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei vom 9.4.1940 - XXI RA III, Bew.St.12a -, wonach die gesamte Sicherheitspolizei einschliesslich des SD als in besonderem Einsatz befindlich galt). Die Unterstellung unter diese Sondergerichtsbarkeit hatte für den genannten Personenkreis die sinngemässe Anwendung der Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches und der Militärstrafgerichtsordnung sowie die Zuständigkeit der SS- und Polizeigerichte zur Folge. Der grundsätzliche Vernichtungsbefehl Hitlers und die zu seiner Ausführung ergangenen Anordnungen des Reichssicherheitshauptamtes sowie der untergeordneten Befehlsstellen sind daher in gleicher Weise wie militärische Befehle zu behandeln. Bestimmungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Handeln auf Befehl sind in der Vorschrift des §47 MilStGB enthalten. Danach ist grundsätzlich der befehlende Vorgesetzte allein verantwortlich, wenn durch die Ausführung eines Befehls in Dienstsachen ein Strafgesetz verletzt wird; den gehorchenden Untergebenen trifft die Strafe des Teilnehmers dann, wenn ihm bekannt gewesen ist, dass der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche ein allgemeines oder militärisches Verbrechen oder Vergehen bezweckte.
§47 MilStGB setzt einen "Befehl in Dienstsachen" voraus. Darunter ist die dienstliche Anordnung eines militärischen Vorgesetzten an einen Untergebenen zu verstehen, die eine genau bestimmte Handlung oder Unterlassung gebietet. Ein Befehl in diesem Sinn lässt dem Befehlsempfänger keinen Raum für eigenes Ermessen. Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so steht fest, dass es sich bei dem Befehl über die "Sonderbehandlung potentieller Gegner" und den weiteren zu seiner Ausführung erteilten Anordnungen für die Angehörigen der Einsatzkommandos um "Befehle in Dienstsachen" und damit um Befehle im Sinne des §47 MilStGB handelte. Den Angeklagten, denen die Erschiessung bestimmter Personen in einem vorgeschriebenen Einsatzraum anbefohlen war, blieb kein Raum für eine eigene Entschliessung.
Es liegt auf der Hand, dass der Vernichtungsbefehl Hitlers und die weiteren zu seiner Ausführung ergangenen Anordnungen die Begehung von Verbrechen, nämlich die durch nichts gerechtfertigte Tötung von Menschen, bezweckte und damit ihrem Inhalt nach rechtswidrig waren. Die Rechtswidrigkeit der Erschiessung unschuldiger Menschen ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht haben die Angeklagten, wie sie ausnahmslos einräumten, auch klar erkannt. Sie wussten, dass die ihnen anbefohlenen Handlungen Verbrechen darstellten und unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt waren.
Ein Teil der Angeklagten und ihre Verteidigung hat grossen Wert auf die Feststellung gelegt, dass es sich um einen "verbindlichen" Befehl gehandelt habe, da seine Durchführung jederzeit mit den dem damaligen Staat zur Verfügung stehenden Macht- und Zwangsmitteln erzwingbar gewesen sei; die Befolgung eines solchen verbindlichen Befehls sei daher rechtmässig gewesen und könne für den Untergebenen keine Strafverfolgung nach sich ziehen. Es steht zwar ausser Zweifel, dass auch verbindliche rechtswidrige Befehle denkbar sind. Die Grenzen der Verbindlichkeit eines Befehls liegen jedoch jedenfalls dort, wo sein Inhalt für jedermann klar erkennbar auf die Begehung von Verbrechen gerichtet ist. Dies war aber hier eindeutig der Fall und wurde auch von den Angeklagten erkannt. Die Erzwingbarkeit der Ausführung eines solchen Befehls ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; sie kann unter bestimmten Voraussetzungen bei der Beurteilung der Frage, ob ein Befehlsnotstand vorlag, eine Rolle spielen. Soweit die Angeklagten den von ihnen als rechtswidrig erkannten Befehl aus einer falsch verstandenen Gehorsams- und Treuepflicht als bindend angesehen haben wollen, weil es sich um einen "Führerbefehl" handelte, musste dieser Irrtum unbeachtlich bleiben. Ein solcher Irrtum betraf weder die strafrechtliche Tatbestandsmässigkeit der anbefohlenen Taten noch einen in der Rechtsordnung anerkannten oder auch nur möglichen Rechtfertigungsgrund. Eine alle Merkmale eines Verbrechens erfüllende Tat kann nicht allein um deswillen kein Unrecht sein, weil sie von dem alleinigen Machthaber im Staat befohlen wird. Dies gilt in besonderem Masse für solche Taten, die den Geboten der Menschlichkeit und Gerechtigkeit in nahezu unbeschreiblicher Weise Hohn sprechen und nach der Rechtsüberzeugung aller zivilisierten Völker zu den Verbrechen schwerster Art gehören (vgl. Urteil des BGH vom 22.4.1955, 1 StR 653/54). Ein Verbotsirrtum im Sinne der vom Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsprechung (BGHSt. 2, 194 ff.) liegt infolgedessen nicht vor.
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3. Die Angeklagten haben sich auf Befehlsnotstand berufen mit der Begründung, es habe sich um einen Führerbefehl gehandelt, bei dessen Nichtausführung sie bei der Härte des damaligen Regimes schwerste Strafen zu gewärtigen gehabt hätten.
Auch unter den damaligen Verhältnissen hing es weitgehend von der Einstellung und Haltung des jeweiligen Vorgesetzten ab, ob eine Befehlsverweigerung oder der Versuch eines Untergebenen, sich der Ausführung eines Befehls auf andere Weise zu entziehen, für ihn zu schweren persönlichen Nachteilen führte oder sogar eine Gefährdung seines Lebens zur Folge hatte. Es kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Ausrottungsbefehl mit der stillschweigenden Drohung verbunden gewesen wäre, dass die Angeklagten bei seiner Nichtbefolgung auf jeden Fall damit rechnen hätten müssen, vor das Höhere SS- und Polizeigericht zu kommen oder auf Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes in einem Konzentrationslager zu verschwinden. Es kann jedoch für die Beurteilung der Angeklagten dahingestellt bleiben, ob im Falle der Nichtbefolgung des Vernichtungsbefehls und der zu seiner Durchführung gegebenen Anordnungen für sie tatsächlich eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben bestanden hätte und infolgedessen die Voraussetzungen des Nötigungsstandes im Sinne der Bestimmung des §52 StGB objektiv vorlagen.
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Kra. waren nicht geeignet, dem Gericht hinsichtlich dieser Fragen neue Erkenntnisse zu vermitteln. Sie erschöpften sich in einer allgemeinen Darstellung der damaligen Verhältnisse und einer Schilderung von Fällen, die dem Gericht auf Grund der Zeugenaussagen in diesem Verfahren bekannt geworden sind oder aus abgeschlossenen Strafverfahren bereits bekannt waren.
a. Nach den getroffenen Feststellungen haben insbesondere die Angeklagten Dr. Bradfisch und Schulz, aber auch der Angeklagte Winkler als Anhänger des nationalsozialistischen Gewaltregimes und als gehorsame SS-Führer in unerschütterlicher Befehlstreue und aus falsch verstandenem Pflichtgefühl den verbrecherischen Befehl des "Führers" ausgeführt, ohne eine Nichtbefolgung dieses Befehls überhaupt ernstlich ins Auge zu fassen und die Möglichkeit zu erwägen, sich der ihnen angesonnenen Teilnahme an den Tötungshandlungen auf irgendeine Weise zu entziehen. Sie haben keinerlei ernsthafte Schritte in dieser Richtung unternommen. Daraus ergibt sich, dass ihre Willensbildung durch eine allenfalls mit dem "Führerbefehl" stillschweigend verbundene Drohung nicht beeinflusst und ihr Willen demzufolge nicht gebeugt worden ist. Sie haben daher die in Ausführung des Befehls verübten strafbaren Handlungen nicht begangen, um einer ihnen sonst drohenden Leibes- oder Lebensgefahr zu entgehen (BGHSt. 3, 271). Für ihren Tatentschluss waren vielmehr die bereits aufgezeigten Gründe bestimmend. Der Entschuldigungsgrund des §52 StGB konnte ihnen somit nicht zugebilligt werden. Denn mit dem blossen Hinweis auf eine für sie gegebene Leibes- oder Lebensgefahr können sich die Angeklagten, die dem Nationalsozialismus Jahre hindurch gedient haben, nicht der Verantwortung für die Mitwirkung an schwersten Verbrechen entziehen, ohne ein Äusserstes unternommen zu haben, sich von dieser Mitwirkung fernzuhalten.
b. Anders liegen die Verhältnisse bei dem Angeklagten R. Er hat mehrmals Schritte unternommen, sich der Durchführung der ihm zugedachten Aufgaben zu entziehen, und sich dabei der Gefahr ausgesetzt, von seinen Vorgesetzten wegen dieses Verhaltens zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wenn er schliesslich im Hinblick auf die Ergebnislosigkeit der bei seinen Vorgesetzten erhobenen Gegenvorstellungen und die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen, vom EK 8 wegzukommen, angesichts der drohenden Hinweise Dr. Bradfischs keinen anderen Weg mehr zu sehen glaubte, als zur Vermeidung einer ernsthaften Gefährdung seiner eigenen Person die gegebenen Anordnungen in einem möglichst geringen Umfang zu befolgen, so kann ihm zumindest nicht widerlegt werden, dass er die tatsächlichen Voraussetzungen des §52 StGB als vorliegend angesehen und sich nur unter dem Druck dieser jedenfalls nach seiner Vorstellung bestehenden Gefahrenlage zur teilweisen Ausführung der ihm von der Führung des EK 8 erteilten Weisungen entschlossen hat. Es kann dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass er unter den geschilderten Umständen von der Aussichtslosigkeit und Gefährlichkeit eines weiteren Widerstrebens überzeugt war und von einer offenen Befehlsverweigerung absah. Heldenhafte Missachtung tatsächlich drohender oder auch nur vermeintlicher Gefahren für Leib oder Leben der eigenen Person ist nicht zumutbar und kann daher nicht verlangt werden. Andererseits darf auch nicht der bequemste Ausweg gewählt werden; davon kann aber hier, weil nur die möglichst schonende Ausführung des Befehls als vermeintlicher Ausweg blieb, keine Rede sein. R. ist daher unwiderlegbar durch Drohungen, die zumindest in seiner Vorstellung mit einer gegenwärtigen, auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben verbunden waren, zu den ihm zur Last gelegten Handlungen genötigt worden, so dass jedenfalls die Voraussetzungen des Putativnötigungsstandes (§52 StGB) vorliegen und der Vorwurf einer vorsätzlichen Beteiligung an den Tötungshandlungen gegen ihn nicht erhoben werden kann (§59 StGB). Er war deshalb mangels ausreichenden Schuldnachweises freizusprechen.
c. Der Angeklagte S. war mit keinerlei eigener Befehlsbefugnis ausgestattet, er war mit Rücksicht auf die Eigenart des Aufbaues der Einsatzkommandos trotz seines Dienstranges als Scharführer unterster Befehlsempfänger, mit einem einfachen Schützen einer Wehrmachtskompanie vergleichbar. Seine Intelligenz, seine Bildung und seine Auffassungsgabe standen hinter denen der übrigen Angeklagten weit zurück. Ihm war daher nicht zu widerlegen, dass er angenommen hat, sich im Fall einer Nichtbefolgung der ihm erteilten Befehle einer erheblichen Gefahr für sein eigenes Leben auszusetzen, und in der Ausführung der Befehle den einzigen Ausweg zu erblicken geglaubt hat. Bei seiner Einfältigkeit und geistigen Unbeweglichkeit kann ihm nicht zum Vorwurf gereichen, dass er sich einer unmittelbaren Beteiligung an den Massenexekutionen nur dadurch glaubte entziehen zu können, dass er sich freiwillig zum Absperrungs- und Transportkommando meldete. Auch bei ihm sind infolgedessen zumindest die Voraussetzungen des Putativnötigungsstandes (§52 StGB) gegeben, so dass der Vorwurf einer vorsätzlichen Teilnahme an den Tötungshandlungen für seine Person gleichfalls entfällt. Trotz Fortbestehens erheblicher Verdachtsmomente musste er daher freigesprochen werden.
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4. Durch ihre Beteiligung an den Massenerschiessungen, die im Zusammenwirken mit den übrigen Angehörigen des EK 8 und den Angehörigen der unterstellten Polizeieinheit erfolgten, haben die Angeklagten Dr. Bradfisch, Schulz und Winkler zur Durchführung der von den Haupttätern angeordneten Vernichtungsmassnahmen in Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit wissentlich Hilfe geleistet. Es war ihnen bekannt, dass die Tötungshandlungen von langer Hand geplant und vorbereitet waren, die Haupttäter also mit Überlegung handelten, und allein rassische und politische Gründe für den Tatentschluss ausschlaggebend waren. Der Grausamkeit der Ausführung der Erschiessungen waren sie sich als unmittelbar Beteiligte ohnehin bewusst.
Die Angeklagten haben nicht mit Täterwillen gehandelt. Wenn auch die Anwendung des §47 MilStGB grundsätzlich nicht ausschliesst, dass der gehorchende Untergebene sich der Mittäterschaft schuldig macht, sofern auch er das Verbrechen als eigenes gewollt hatte, so liegt doch in aller Regel im Wesen des Handelns auf Befehl, dass der Untergebene nicht aus eigenem Willen zur Tat schreitet, sondern nur in Erfüllung einer Pflicht, wenn auch unter Verkennung ihrer Grenzen, tätig werden will. Dies gilt auch dann, wenn der Untergebene den äusseren Tatbestand der ihm anbefohlenen strafbaren Handlung verwirklicht hat. Gerade für die während des Dritten Reiches begangenen zahlreichen Verbrechen ist es kennzeichnend, dass die verantwortlichen NS-Gewalthaber, denen die Machtmittel des Staates zur Verfügung standen, sie durch militärische oder in einem ähnlichen Gehorsamsverhältnis stehende Untergebene wie durch Werkzeuge ausführten und die Einstellung der Untergebenen zu diesen Taten nicht als "Täterwille" zu beurteilen ist (vgl. BGHSt. 8, 393 ff.).
Auch im vorliegenden Fall lag, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, die volle Tatherrschaft bei Hitler und seinen Mittätern. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft vermochte das Schwurgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinerlei Umstände zu erkennen, aus denen bei den Angeklagten Bradfisch und Schulz auf eine Willensrichtung geschlossen werden könnte, die über den Gehilfenwillen, den Willen zur befehlsmässigen Unterstützung fremder Taten, hinausgehen würde. Die Staatsanwaltschaft hat auch keine Tatsachen aufgezeigt, die in diese Richtung deuten würden. Allein die Tatsache, dass die genannten Angeklagten auch eigenhändig Schüsse auf die Opfer abgegeben haben, reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Für die Abgabe dieser Schüsse war nach den gesamten Umständen gleichfalls der Wille bestimmend, den Vernichtungsbefehl Hitlers auszuführen. Eine andere innere Einstellung zu den Geschehnissen war den Angeklagten Bradfisch und Schulz keinesfalls nachzuweisen. Es fehlt auch an Anhaltspunkten für eigene feindselige Einstellung oder Äusserungen zur Judenfrage.
Die Angeklagten Bradfisch, Schulz und Winkler haben sich daher eines gemeinschaftlichen Verbrechens der Beihilfe zum in Mittäterschaft begangenen Mord schuldig gemacht und zwar
Bradfisch in 15.000 Fällen
Schulz in 1.100 Fällen
Winkler in 650 Fällen.
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Während die Handlungen der Angeklagten Bradfisch und Winkler vor und nach dem Inkrafttreten der neuen Fassung der Strafbestimmung des §211 StGB begangen worden sind und damit den Tatbestand der Beihilfe zum Mord nach beiden Fassungen dieser Bestimmung verwirklicht haben, erfüllt das Verhalten des Angeklagten Schulz, der erst im Oktober 1941 zum EK 8 versetzt worden war, lediglich den Tatbestand einer Beihilfe zum Mord im Sinne der neuen Fassung des §211 StGB. Diese Unterscheidung ist jedoch ohne praktische Bedeutung, da mit Rücksicht auf die Vorschrift des §2 Abs.2 StGB, wie bereits im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung der Handlungsweise der Haupttäter ausgeführt wurde, die Bestimmung des §211 StGB n.F. auch für die Tathandlungen anzuwenden ist, die vor deren Inkrafttreten ausgeführt worden sind. Die Strafvorschrift des §49 StGB ist seit der Tatzeit geändert worden und gilt gegenwärtig in der Fassung, die sie durch die VO vom 29.5.1943 (RGBl. I, 341) erhalten hat. Die für dieses Verfahren bedeutsame Änderung dieser Bestimmung liegt darin, dass deren Absatz 2 n.F. für die Strafe des Gehilfen nur noch eine fakultative Strafmilderung vorsieht, während nach der alten Fassung die Strafe des Gehilfen zwingend zu ermässigen war. Nach §2 Abs.2 StGB ist demzufolge der §49 StGB in seiner früheren Fassung als das mildeste Gesetz anzuwenden. Die Beihilfehandlungen der Angeklagten stehen, ebenso wie die Tathandlungen der Haupttäter, im Verhältnis der Tateinheit zueinander (§73 StGB). Sie wurden in ihrer Gesamtheit durch den Ausrottungsbefehl Hitlers ausgelöst. Die befehlsgemässe Beteiligung der Angeklagten an den Massentötungen beruht daher auf einem Tatentschluss und ist rechtlich als eine Handlung im Sinne einer gleichartigen Tateinheit zu werten. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung der strafbaren Handlungen der Haupttäter wird verwiesen.
Die Geltung des deutschen Strafrechts für diese im Staatsgebiet der Sowjetunion begangenen Taten ergibt sich aus §3 StGB.
X. Bei der Strafzumessung liess sich das Schwurgericht im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:
1. Zu Gunsten des Angeklagten Bradfisch wurde berücksichtigt, dass er vor und nach Begehung der im vorliegenden Verfahren zur Aburteilung stehenden Handlungen ein straffreies Leben geführt hat. Ferner konnte strafmildernd gewertet werden, dass er einen grossen Teil des äusseren Geschehensablaufs eingeräumt hat, wenn er auch die Verantwortung gerade für die grössten Exekutionen abzustreiten versuchte. Es wurde ihm auch zugute gehalten, dass er ohne sein Zutun zur Einsatzgruppe B versetzt worden ist und den Vernichtungsbefehl vor allem auch deshalb befolgt haben mag, weil er den damaligen Staat aus voller Überzeugung bejahte und daher aus einem falsch verstandenen Pflichtgefühl auch einer verbrecherischen Weisung des "Führers" Gehorsam zu schulden glaubte.
Diesen strafmildernden Umständen stehen jedoch mehrere wesentliche Strafschärfungsgründe gegenüber. Das EK 8 hat auf Anordnung und zumeist auch unter Führung des Angeklagten Bradfisch eine sehr grosse Zahl von Menschen getötet. Bradfisch hat sich seinen Untergebenen gegenüber als strenger und unnachsichtiger Vorgesetzter erwiesen, der mit Nachdruck auf die Ausführung der gegebenen Anordnungen hinwirkte und säumige Untergebene zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben bei der Ausrottung zu veranlassen wusste. Unberücksichtigt konnte schliesslich auch die Tatsache nicht bleiben, dass er sich eigenhändig an Erschiessungen beteiligt hat, wovon er mit Rücksicht auf seinen Dienstrang und seine damalige Stellung hätte Abstand nehmen können.
2. Dem Angeklagten Schulz wurde gleichfalls zugute gehalten, dass er, von den anlässlich des Russlandeinsatzes begangenen Taten abgesehen, im wesentlichen sich straffrei geführt und seine Beteiligung an den in Russland geschehenen Verbrechen nicht ernsthaft bestritten hat. Auch seine Versetzung zur Einsatzgruppe B ist von seinem Willen unabhängig erfolgt. Strafmildernd wirkte ferner, dass er auf Grund seines frühzeitigen Beitritts zur NSDAP und zur SA schon in sehr jungen Jahren unter den Einfluss einer Ideologie geraten ist, welche die brutale Gewalt als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele anerkannte und unbedingte Befehlstreue von ihren Anhängern forderte. Schliesslich konnte auch die nach Kriegsende erlittene Internierungshaft nicht ganz unbeachtet bleiben. Straferschwerend fiel demgegenüber ins Gewicht, dass Schulz für die Tötung vieler Menschen mitverantwortlich ist und auch er sich, im Gegensatz zum Angeklagten Winkler, ohne ausdrücklichen Befehl selbst durch Abgabe von Schüssen wiederholt an Exekutionen beteiligt hat. Schulz war, ebenso wie Bradfisch, ein Vorgesetzter, der keinen Widerspruch duldete und die Ausführung der gegebenen Anordnungen zur Ausrottung mit peinlicher Genauigkeit überwachte.
3. Für den Angeklagten Winkler sprach, dass er die äusseren Umstände seiner Beteiligung an den Erschiessungen, von kleinen Einschränkungen abgesehen, offen zugegeben und, wie ihm geglaubt werden kann, lange Zeit unter der Erinnerung an die furchtbaren Geschehnisse gelitten hat. Auch ihm war zugute zu halten, dass er, mit Ausnahme seiner Beteiligung an den Tötungshandlungen in Russland, immer ein gesetzmässiges Leben geführt hat und dass seine Versetzung zu der Einsatzgruppe ohne sein Zutun angeordnet wurde. Ein weiterer Strafmilderungsgrund wurde, wie bei den übrigen Angeklagten, darin gesehen, dass seine positive Einstellung zum nationalsozialistischen Staat und die ihm während seiner langjährigen SS-Zugehörigkeit anerzogenen falschen Ehrbegriffe für seine widerspruchslose Teilnahme an den Erschiessungen mitbestimmend gewesen sein mögen. Auch ihm wurde die wegen seiner Partei- und SS-Zugehörigkeit verhängte Internierungshaft strafmildernd angerechnet.
Strafschärfend wirkte demgegenüber die Tatsache, dass er durch sein Verhalten zur Tötung einer nicht unbedeutenden Zahl unschuldiger Menschen beigetragen hat. Die eigenhändige Abgabe von Schüssen wurde ihm nicht angelastet, da er zu dieser Handlungsweise durch den ausdrücklichen Befehl seines Vorgesetzten Dr. Bradfisch veranlasst wurde.
Bei Abwägung aller dieser für und gegen die Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte erachtet das Schwurgericht folgende Strafen für schuldentsprechend:
Bei dem Angeklagten Dr. Bradfisch eine Zuchthausstrafe von zehn Jahren,
bei dem Angeklagten Schulz eine Zuchthausstrafe von sieben Jahren,
bei dem Angeklagten Winkler eine Zuchthausstrafe von 3 Jahren sechs Monaten.
Auf diese Strafen wurde bei allen Angeklagten die erlittene Untersuchungshaft aus Billigkeitsgründen in vollem Umfang angerechnet (§60 StGB).
Durch ihre Beteiligung an den grauenvollen Massenerschiessungen, bei denen wahllos unschuldige Menschen, darunter auch viele Frauen und Kinder, getötet wurden, haben die Angeklagten eine unbarmherzige und unehrenhafte Gesinnung erkennen lassen, so dass es angebracht erschien, ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 6 Jahren (Bradfisch), 6 Jahren (Schulz) und 3 Jahren (Winkler) abzuerkennen (§32 StGB). Auch der schwere Unrechtsgehalt der Taten und ihre weitreichenden Folgen rechtfertigen die Verhängung dieser Nebenstrafen (vgl. BGHSt. 5, 198).
XI. Kie Kostenentscheidung beruht auf den Vorschriften der §§464, 465, 467 StPO.
Danach tragen die Angeklagten Bradfisch, Schulz und Winkler als Verurteilte die Kosten des Verfahrens. Im Umfang der Freisprechung der Angeklagten R. und S. fallen die ausscheidbaren Kosten der Staatskasse zur Last. Die Voraussetzungen der Bestimmung des §467 Abs.2 S.2 StPO liegen bei den Angeklagten R. und S., die beide lediglich mangels ausreichenden Schuldnachweises freigesprochen wurden, nicht vor. Das Schwurgericht sah auch keine Veranlassung, von der Möglichkeit des §467 Abs.2 S.1 StPO Gebrauch zu machen und der Staatskasse die den freigesprochenen Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen.