Abb. 2: Gelsenkirchen, Bismarckstrasse 64 (links), Mitte der Dreißiger Jahre
Vor dem Hintergrund des stetig zunehmenden Verfolgungsdrucks gegenüber der jüdischen Bevölkerung beschloss Albert Kaufmann, mit seiner Familie nach Gelsenkirchen zu ziehen. Er hoffte, in der großen jüdischen Gemeinde Gelsenkirchens eine Anstellung zu finden. Ab dem 19. März 1934 wohnte die Familie Kaufmann zunächst in einer 5-Zimmer Wohnung an der Bismarckstrasse 64. Albert Kaufmanns Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht, bereits ein Jahr später musste die Familie erneut umziehen, diesmal in eine kleinere Wohnung mit vier Zimmern an der Johannestrasse 16.
Abb. 3: Entlassungszeugnis 1937 der Israelitischen Schule Josefstrasse für Günther Kaufmann. (Zum Vergrößern anklicken)
Die allgemeine Lebenssituation der Familie verschlechtert sich in der Folgezeit zusehends. 1937 bittet Albert Kaufmann einen entfernten Verwandten um finanzielle Hilfe. In einem Brief schildert er die verzweifelte Lage, die Familie lebt zu diesem Zeitpunkt von weniger als 100 RM monatlich, die seine Frau Irma als Aushilfsverkäuferin verdient. Die Kinder der Familie Kaufmann besuchten zu dieser Zeit die Jüdische Volksschule in Gelsenkirchen, die sich bis 191935/36 an der Ringstrasse 44 befand und dann in eine alte, nicht genutzte Schule an der Josefstrasse verlegt wurde. Günther verließ die Israelitische Schule Josefstrasse im März 1937 mit dem Entlassungszeugnis der 8. Klasse und begann eine Lehre bei der Fa. Gebr. Goldblum Schuhgroßhandel in Schalke.
Abb. 4: Von links: Elfriede, Günter und Gerd Kaufmann
Angesichts der sich weiter rapide verschlechternden Lebensverhältnisse versuchten Albert und Irma Kaufmann, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Der älteste Sohn Günther Hugo konnte so im Oktober 1938 via Hamburg nach Palästina auswandern. Familie Kaufmann erlebt in Gelsenkirchen die so genannte "Reichskristallnacht" am 9. November 1938 und den sich danach dramatisch zuspitzenden Verfolgungsdruck. Noch Ende 1939 bittet Albert Kaufmann die NS-Behörden um eine Arbeitserlaubnis, um als "Devisenberater für jüdische Auswanderer" tätig zu sein. Die Erlaubnis wird ihm nicht erteilt.
Elfriede Kaufmann hält sich 1940 und 1941 jeweils für mehrere Monate in Hamburg auf, dass deutet auf Hachschara-Kurse in Blankenese-Rissen im Rahmen einer geplanten Ausreise hin, eine Flucht aus Deutschland gelingt ihr jedoch nicht mehr. Gerd und Friedel wurden im Januar 1942 zusammen mit ihren Eltern Albert und Irma von Gelsenkirchen nach Riga deportiert.
Elfriede Kaufmann lernt im Ghetto Riga David Magun kennen. Das Paar heiratet noch im Ghetto, am 18. April 1943 vollzieht ein Rabbiner die Trauung. Friedel Magun, wie sie nun heißt, wird weiter nach Stutthof und von dort nach Buchenwald verschleppt. Vom KZ Buchenwald wird sie in ein Außenlager bei Magdeburg weitertransportiert. Anfang April 1945 gelang ihr dort die Flucht, am 18. April wird sie von der US Army endgültig befreit. Zusammen mit ihrem Mann David, der ebenfalls überlebte, emigrierte sie im Februar 1947 nach Mexiko.
Albert Kaufmann wird bei einer der Selektionen des SS-Arztes Krebsbach Ende Juli 1944 zur Ermordung bestimmt und in den Wäldern rund um das KZ Kaiserwald erschossen. Gerd und seine Mutter Irma werden, als die Front näher rückt, weiter in das KZ Stutthof bei Danzig verschleppt. Irma Kaufmann erlebt die Befreiung des KZ Stutthof durch die Rote Armee, stirbt jedoch kurze Zeit später an Typhus. Gerd Kaufmann wird Ende September 1944 von Stutthof weiter nach Dautmergen, ein Außenkommando des KZ Natzweiler, verschleppt. Gerd Kaufmann wurde auf einem Todesmarsch bei der Auflösung des Außenkommandos im April 1945 ermordet.
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