SchachtZeichen erinnern auch an Zwangsarbeit
SchachtZeichen über Nordstern 1/2 in Gelsenkirchen-Horst
Das Großprojekt SchachtZeichen im Rahmen des Programms Kulturhauptstadt 2010 startet am Samstag, den 22. Mai 2010. Bis zum 30. Mai 2010 werden insgesamt mehr als 300 gelbe Ballons über den ehemaligen Kohleschächten tagsüber am Himmel über dem Ruhrgebiet stehen. Begleitet wird das Ganze von einem reichhaltigen Kulturprogramm am Boden, dass sich auch mit der Geschichte der jeweiligen Schachtstandorte befasst. Erinnert werden soll mit den gelben Gasballons an die Bergbautradition und den Strukturwandel in der Region.
Vergessen oder verdrängen will man dabei anscheinend ein unrühmliches Kapitel: die Zwangsarbeit im Ruhrbergbau während des Zweiten Weltkrieges. Denn Hinweise auf das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Ruhrbergbaus, das untrennbar mit der Geschichte der meisten Schachtstandorte verbunden ist, sucht man auf den Internetpräsenzen und in den Programmen und Publikationen der Projekt-Teilnehmer vergeblich. Eine Ausnahme bildet Datteln, dort findet sich zumindest ein Literaturhinweis zum Thema Zwangsarbeit auf der Dattelner Zeche Emscher-Lippe.
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Jeder einzelne der 3,70 Meter messenden Ballone erinnert zwangsläufig auch an die unzähligen Menschen, die von den Nazis zur Zwangsarbeit in die Region deportiert wurden. Im Januar 1943 kam etwa jeder Fünfte der im Ruhrbergbau beschäftigten rund 380.000 Belegschaftsmitglieder aus der Sowjetunion. Im August 1944 machten die mehr als 120.000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die so genannten "Ostarbeiter" und italienischen Militärinternierten sogar ein Drittel der Gesamtbelegschaft aus, ihr Anteil blieb bis Kriegsende nahezu unverändert.
Die Arbeits- und Lebensbedingungen der im Bergbau eingesetzten sowjetischen "Arbeitssklaven" waren von Beginn an besonders schlecht. Die ideologische Verachtung der Nazis gegenüber den in ihren Augen "slawischen Untermenschen" zeigte sich auch in einer völlig unzureichenden Verpflegung, Unterbringung und medizinischen Versorgung der sowjetischen Kriegsgefangenen und zwangsrekrutierten Menschen. Diese barbarische Vorgehensweise brachte naturgemäß auch eine hohe Sterblichkeitsrate unter den Zwangsarbeitern mit sich, ein großer Teil der Menschen kam in den Unterkünften, Lagern und Schächten ums Leben. Wachmannschaften taten Ihr übriges, willkürliche Erschießungen sind überliefert.
Auch Berichte über Misshandlungen mit Todesfolge an den sowjetischen Arbeitskräften finden sich im Ruhrbergbau für die Zeit zwischen 1940-1945 häufig. Vielfach nutzten deutsche Belegschaftsmitglieder ihre große Machtfülle zu willkürlichem Prügeln sowjetischer Arbeiter aus. Darüber hinaus gab es vielfältige Formen von Schikanierungen und Diskriminierungen im Zechenbetrieb, von denen das Nackt-Anfahren-Lassen der "Russen" bei Minusgraden eine besonders erniedrigende Form darstellte.
Allein für den Zechenstandort Gelsenkirchen lassen sich insgesamt mindestens 3.000 Tote Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Steinkohlebergbau, in den Unterkünften und Lagern für die Zwangsarbeiter an den Schachtstandorten feststellen. An die Toten und auch an die Überlebenden erinnern die gelben Ballons gleichermaßen. Auch wenn manch einer das heute lieber vergessen will.
Foto: Gelsenzentrum e.V.
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