Die Neudorfs waren orthodoxe Juden und betrieben damals ein Bekleidungsgeschäft in Gelsenkirchen-Horst auf der Markenstrasse 19. Simon Arie Neudorf stammte aus Lodz in Polen, seine Frau Frieda wurde in Herford geboren. Sie heirateten am 28. November 1923 in Gelsenkirchen. Am 3. Juni 1925 wurde Herman D. Neudorf in Gelsenkirchen-Horst geboren. Familie Neudorf wohnte in den folgenden Jahren an der Fischerstrasse 37, dann an der Devensstrasse 18 und zuletzt an der Markenstrasse 19. Mutter und Sohn wurden am 28. Oktober 1938 nach Polen ausgewiesen. Herman wurde dabei vor den Augen seiner Mitschüler aus dem Klassenzimmer heraus verhaftet und abtransportiert. - Er war damals dreizehn Jahre alt. Herman D. Neudorf, einziges Kind von Simon Arie und Frieda Neudorf, geborene Grünewald. Herman überlebte als einziges Mitglied seiner Familie die Schrecken des Holocaust. Seinen Namen ließ er nach 1945 ändern und lebt heute in Florida. Frieda Neudorf "durfte" später nach Gelsenkirchen zurückkehren, um die "Arisierung" genannte Enteignung ihres Geschäftes abzuwickeln. Herman blieb derweil in Polen bei Verwandten. Er konnte letztlich aus dem Ghetto Litzmannstadt fliehen und kehrte am 24. Juni 1940 nach Gelsenkirchen zurück. |
Sein Vater Simon Arie Neudorf war mittlerweile bereits in das KZ Sachsenhausen verschleppt worden, wo er am 14. März 1941 ermordet wurde. Die Urne mit seinen sterblichen Überresten wurde der Familie ausgehändigt. Hierfür wurde von der Familie auch noch eine "Verwaltungsgebühr" verlangt. Die Beisetzung von Simon Arie Neudorf fand am 16. April 1941 auf dem jüdischen Friedhof in Gelsenkirchen-Ückendorf statt. |
Das "Judenhaus" an der MarkenstraßeZusammen mit seiner Mutter Frieda war Herman der nun fortschreitenden Diskrimienierung und Ausgrenzung von Juden im Alltag der NS-Zeit ausgesetzt. Sie mußten in das "Judenhaus" Markenstrasse 28 umziehen, bevor sie am 27. Januar 1942 bei dem größten Abtransport von Menschen jüdischen Glaubens von Gelsenkirchen nach Riga deportiert wurden. Frieda Neudorf wurde bei der Auflösung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald am 28. Juli 1944 erschossen. Mit dem ehemaligen KDF-Dampfer "Wilhelm-Gustloff" brachte man Herman zurück nach Deutschland. Hier wurde er zunächst am 10. August 1944 in das KZ Stutthof verschleppt. In der Folgezeit wurde er auch im KZ Buchenwald gefangen gehalten. In einem Außenlager des KZ Buchenwald in Bochum mußte er für den "Bochumer Verein" Zwangsarbeit verrichten. Als die Amerikanischen Truppen gegen Kriegsende dem Ruhrgebiet immer näher rückten, brachte man Herman am 18. März 1945 zurück in das KZ Buchenwald. Auf einem der Todesmärsche im Zuge der "Evakuierung" des KZ Buchenwald gelang es Herman erneut zu fliehen. Nach weiteren Zwischenstationen in Essen, Herford und Paris emigrierte er nach Kolumbien. Zwei Jahre später ging er dann in die USA, wo er heute in Florida seinen Lebensabend verbringt. |
(Quellenwerk: Stefan Goch "Jüdisches Leben")
|