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Die nationalsozialistische Kulturpolitik


Um alle Bereiche des kulturellen Lebens im Zuge der Gleichschaltung unter Kontrolle zu bringen wurde 1933 die Reichskulturkammer mit Reichpropagandaminister Joseph Goebbels an der Spitze gegründet. Der erste Höhepunkt der Verfolgung mißliebiger Künstler und Wissenschaftler war am 10. Mai 1933 die öffentliche Bücherverbrennung durch die nationalsozialistische Studentenführung. In der "Nacht der Feuer" wurden die aus den öffentlichen Büchereien geraubten Bücher der "zersetzenden Literatur" mit Reden wider den "Ungeist" in großen Städten auf Scheiterhaufen angezündet, was von der Propaganda als spontane Empörung der Bevölkerung erklärt wurde. Dabei wurden die Bücher von Bert Brecht, Sigmund Freud, Karl Marx, Albert Einstein, Carl von Ossietzky, Erich Kästner, Heinrich und Thomas Mann, Franz Werfel, Arnold und Stefan Zweig und vieler anderer jüdischer, pazifistischer und sozialistischer Schriftsteller und Wissenschaftler als "Schmutz-und Schundbücher" verunglimpft und verbrannt. Innerhalb von zwei Jahren wurden über 1100 Lehrkräfte von Universitäten und Hochschulen entlassen.

In mehreren Teilkammern der Reichskulturkammer - Film, Musik, Theater, Presse, Schrifttum und bildende Künste - entschieden die Funktionäre nun, was als wertvoll und deutscher Art entsprechend und was als "entartet" zu gelten hatte. Eine beiläufige Bemerkung Hitlers, der sich besonders für Architektur und Malerei berufen fühlte, konnte das Schicksal eines einzelnen Künstlers bestimmen. Als Kunst galt das, was dem Führer gefiel.

Seine besondere Vorliebe galt den Massenaufmärschen von Partei und Wehrmacht. Das Parteitagsgelände von Nürnberg sollte die Arenen der Antike übertreffen. Die Aufmärsche wurden mit Musik und Massenszenen theatralisch gestaltet, die immer gigantischere Formen annahmen. Nach Ausbruch des Krieges entwickelte er neben den Plänen für die monumentale Gestaltung der Hauptstädte besondere Pläne für "Totenburgen", in denen gefallene Helden bestattet werden und die alle christlichen Dome und die Pyramiden der Ägypter in den Schatten stellen sollten.

Am 18. Juli 1939 wurde das "Haus der Deutschen Kunst" in München eingeweiht, das als neuer "Kunsttempel" die nationalsozialistische Kulturideologie zum Ausdruck bringen sollte. Tausende von Sängern und Musikern umrahmten mit Beethovens und Bruckners dieses propagandistische Ereignis, das Hitler in seiner Eröffnungsrede dazu benutzte, die geächteten Künstler als "entartet" zu beschimpfen.

Zwei Tage danach wurde die Ausstellung "Entartete Kunst" nur einige hundert Meter weiter eröffnet, wo die Werke der geächteten Künstler ausgestellt wurden. In einer Wanderschau wurden abwechselnd mehr als 12000 Grafiken und über 5000 Gemälde und Plastiken der deutschen Bevölkerung vorgestellt. Eine Blamage für die Veranstalter war allerdings die Tatsache, daß diese Ausstellung von über 2 Millionen Menschen besucht wurden, die diese Bilder noch ein letztes Mal sehen wollten, während die befohlene Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst lediglich etwa eine halbe Million Menschen zu verzeichnen hatte.

Nachdem 1938 die gesetzliche Grundlage für die "Einziehung von Erzeugnissen der Entarteten Kunst" geschaffen wurde, konnten Kunstwerke ohne Entschädigung eingezogen werden. Mehr als 1000 kostbare Gemälde, 3800 Aquarelle und Grafiken wurden verbrannt. In der Luzerner Auktion kamen 125 Kunstwerke aus dem Besitz deutscher Museen zur Versteigerung, darunter Arbeiten von Otto Dix, Lovis Corinth, Oskar Kokoschka, Henri Matisse, Marc Chagall. Mit dem Erlös sollten alte deutsche Meister aus dem Ausland wiederum für deutsche Museen erworben werden. Zu ihnen zählten Spitzweg, Schwind, Blechen, Leibl, Waldmüller u.a..

Nach: "Das 20. Jahrhundert - 1933-1945". (CD) Digital Publishing, Josef Dollinger, Bogen 9, 80807 München, 1995

Andreas Jordan, Mai 2008