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Die Künstlersiedlung Halfmannshof 1933-1945

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Der Halfmannshof und die Nazis - Ausstellung im November 2012

Die Ausstellung "Zwischen Diktatur und Demokratie – Die Geschichte der Gelsenkirchener Künstlersiedlung Halfmannshof 1931-1956" ist vom Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen und vom Kulturraum "die flora" für November 2012 geplant. Sie soll in der "flora" gezeigt werden und nicht wie ursprünglich geplant in der von Abriss-, Um- und Neubauplänen bedrohten Künstlersiedlung Halfmannshof.

Ein absichtlich provozierter, heftiger Streit um die Ausstellung spaltete im Mai letzten Jahres die in der Siedlung lebenden und schaffenden Künstlerinnen und Künstler. Wer mag da noch an Zufall glauben: Kurze Zeit später stellte die Stadt dann ihre Abriss- und Umbaupläne hinsichtlich der Künstlersiedlung Halfmannshof vor, deklariert als so genanntes "Zukunftskonzept". Tatsächlich verbergen sich hinter dem "Zukunftskonzept" handfeste wirtschaftliche Interessen von Verwaltung und der Stadttochter GGW (Gemeinnützige Gelsenkirchener Wohnungsbaugesellschaft).

WAZ online vom 3.4.2012 schreibt: → Kunst in Zeiten des Terrors

Der Eiertanz um die Künstlersiedlung Halfmannshof und ihre NS-Vergangenheit geht weiter

Künstlersiedlung Halfmannshof in GelsenkirchenKünstlersiedlung Halfmannshof in Gelsenkirchen

Noch am 8. April 2011 hieß es in einem Artikel der WAZ, Zitat: "Eine neue Untersuchung des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen beleuchtet die Rolle des Halfmannshofs in der NS-Zeit. Dr. Holger Germann stellte dazu sein Buch "Geht Kunst nach Brot?" in der NS-Dokustätte vor. (...) Der Halfmannshof, auf dessen Anregung die Studie zustande kam, plant für den Sommer eine Ausstellung zum Thema."

Die chronisch klamme Stadt Gelsenkirchen hatte die historische Vorstudie "Geht Kunst nach Brot" sogar noch finanziert, Kosten: 30 000 Euro. Von seiner ursprünglichen Planung will der Verein „Künstlersiedlung Halfmannshof e.V.“ jedoch nur einen Monat später nichts mehr wissen - man will keine (vorhandenen) Eigenmittel in Höhe von knapp 4000 Euro zum Ausstellungsprojekt beisteuern. Das nahmem jetzt vier Vereinsmitglieder zum Anlass, dem Verein den Rücken zu kehren. In einer gemeinsamen Presseerlärung begründeten sie jetzt ihren Austritt.

Presseerklärung zum Austritt der Vereinsmitglieder Karin Hilmar, Jiri Hilmar, Pedro Malinowski und Katja Langer aus dem Verein "Künstlersiedlung Halfmannshof e.V."

Trotz ausreichendem Finanzierungsrahmen in Form von Fördergeldern und vorhandenen Eigenmitteln sah sich am 06.05.2011 die Mehrheit der Mitglieder der Künstlersiedlung Halfmannshof e.V. (im folgenden KSH genannt) nicht in der Lage, das Ausstellungsprojekt: "Zwischen Diktatur und Demokratie – Die Geschichte der Gelsenkirchener Künstlersiedlung Halfmannshof 1931-1956" zu befürworten.

Die Ablehnung der Durchführung des wissenschaftlich fundierten Projekts durch die Mehrheit der Vereinsmitglieder der KSH bewirkt einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust bei allen kommunalen, landesweiten und privaten Förderern. Zudem wird es unserer Einschätzung nach den Bürgerinnen und Bürgern Gelsenkirchens, besonders nach dem Erscheinen der historischen Studie zur KSH "Geht Kunst nach Brot" des Instituts für Stadtgeschichte nicht zu vermitteln sein, dass die KSH sich erlaubt, ein solches Projekt nicht zu verwirklichen.

Aufgrund der Ablehnung des Ausstellungsprojekts hat der Verein auch für uns persönlich jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Wir sehen uns daher nicht mehr als Mitglieder dieses Vereins, der sich nicht in der Lage sieht, sich mit seiner Vergangenheit kritisch auseinander zu setzen. Daher sind wir am 06.05.2011 mit sofortiger Wirkung aus der Künstlersiedlung Halfmannshof e.V. ausgetreten.

gezeichnet:

Karin Hilmar, Jiri Hilmar, Pedro Malinowski und Katja Langer

Gelsenkirchen, am 09.05.2011

WAZ online v. 9.5.2011 schreibt dazu: → Differenzen im Verein Künstlersiedlung Halfmannshof in Gelsenkirchen

Was bisher geschah:

Eine unrühmliche Haltung zur NS-Vergangenheit - der Halfmannshof 2008

Durch einen Zufall stehen im Frühjahr 2008 die Aktivitäten eines Halfmannshöfener Künstlers im so genannten "Dritten Reich" im Focus der Öffentlichkeit und sorgen für Zündstoff. Auslöser der Diskussion war die Idee, eine Skulptur des Bildhauers Hubert Nietsch nach Gelsenkirchen zurückzuführen. "Der Lachende" war den Gelsenkirchenern vor Jahren gestohlen worden.

Zitat: "Die 'Gelsenkirchener Geschichten' denken darüber nach, die von Hubert Nietsch geschaffene Skulptur "Der Lachende" aus dem ehemaligen Landschulheim Lieberhausen zurück nach Gelsenkirchen zu holen, weil viele Gelsenkirchener mit dieser Figur schöne Ferien-Erinnerungen verbinden. Im Laufe der Vorbereitungen stießen wir jedoch auf Unklarheiten, was Hubert Nietschs Rolle während der Nazi-Zeit anbetrifft". Der Sprechers des Hofes, Helmut Kloth, hat sich in Zusammenhang mit der Diskussion über den in der NS-Zeit aktiven Halfsmannshöfer Bildhauer Hubert Nietsch dagegen ausgesprochen, die Geschichte der Siedlung zwischen 1933 bis 1945 aufarbeiten und durchleuchten zu lassen und so die Diskussion weiter angeheizt.

Die WAZ Gelsenkirchen schreibt am 6. Juni 2008, Zitat:

Grünes Licht für eine Untersuchung

Halfmannshof: Stadt will Rolle der Künstersiedlung in der NS-Zeit von Historikern durchleuchten lassen. Publikation geplant

Die Geschichte der Künstersiedlung Halfmannshof in der NS-Zeit wird wissenschaftlich aufgearbeitet. Bildungsdezernent Manfred Beck kündigte gegenüber der WAZ an, dass die Stadt eine solche Untersuchung in Auftrag geben werde.
Wie berichtet, hat eine geplante Aktion des Internet-Forums Gelsenkirchener Geschichten (siehe Kasten) eine öffentliche Debatte über die Rolle der Siedlung und ihres Künstlers Hubert Nitsch ausgelöst. Nach anfänglicher Ablehnung durch den Sprecher der Siedlung hat sich der Halfmannshof geschlossen für eine Aufarbeitung ausgesprochen.

"Aus unserer Sicht ist es für die Stadt wichtig, mehr zu erfahren", so Manfred Beck. Das sehe auch der OB so. Das Institut für Stadtgeschichte (ISG) soll eine solche Untersuchung durchführen. Die Recherche sei aber zeit- und kostenintensiv: Das ISG müsse in Berliner Archiven aufwändige Nachforschungen anstellen; für diese Zeit müssten Honorkräfte für die "normale" Arbeit des Instituts verpflichtet werden. Außerdem müsse am Ende dieses Prozesses eine Publikation stehen.

Auf rund 30 000 Euro schätzt Manfred Beck die Kosten. Der sich zurzeit gründende Förderverein der Siedlung habe signalisiert, einen Teil zu übernehmen. Außerdem sollen weitere Sponsoren angesprochen werden. An den Finanzen werde dieses Projekt aber nicht scheitern: "Die Stadt wird die Differenz tragen", so Beck. loc

Quelle: WAZ Gelsenkirchen 06. Juni 2008, von Lars Oliver Christoph

Die WAZ Gelsenkirchen schreibt am 20. Mai 2008, Zitat:

Halfmannshof will aufarbeiten

Künstersiedlung bekennt sich zu seiner Historie auch in der NS-Zeit und strebt eine enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Stadtgeschichte an. Lob vom Förderverein

Die Künstlersiedlung Halfmannshof will sich nun doch offen mit ihrer Vergangenheit vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Dies hätten alle Mitglieder in einer Versammlung einstimmig so beschlossen, sagten gestern die Sprecher Helmut Kloth und Barbara Echelmeyer in einem Gespräch mit der WAZ. Nach "konstruktiver interner Diskussion des Themas" sei eine von allen elf Mitgliedern getragene "gültige Positionierung" formuliert worden, heißt es: "Der Halfmannshof bekennt sich zu seiner Geschichte als Ganzem, das heißt er befürwortet eine intensive historische Aufarbeitung besonders auch der Zeit von 1933 bis 1945", heißt es in einer schriftlichen Erklärung.

Und: "Eine enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Stadtgeschichte ist bereits angestrebt, mit dem Ziel, die nationalsozialistische Ära der Künstlersiedlung wissenschaftlich fundiert aufzuarbeiten." Ein Gespräch mit Prof. Stefan Goch vom Institut für Stadtgeschichte (ISG) habe es bereits gegeben, so Kloth. Der Halfmannshof besitze ein umfangreiches Archiv. Ob und in welchem Umfang die Verwaltung bzw. das ISG tätig werden, konnte der zuständige Dezernent Manfred Beck gestern (noch) nicht sagen. Die Angelegenheit müsse zunächst im Verwaltungsvorstand besprochen werden.

Lob für die Erklärung der Halfmannshöfer Künstler gab es von Albert Ude: "Man muss sich zu seiner Geschichte bekennen." Nun gehe es darum, sich gelassen und differenziert mit den damaligen Vorgängen auseinanderzusetzen, so Ude. Im nächsten Schritt müsse geklärt werden, wie man damit umgehe.

Wie berichtet, hatte Ude als Mitglied des sich zurzeit gründenden Fördervereins der Siedlung in der vergangenen Woche Kritik an Aussagen Kloths geübt. Dieser hatte auf Anfrage der WAZ die Notwendigung der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte bestritten und erklärt, das "passe nicht in die Linie". Neben Ude hatte sich daraufhin auch der Halfmannshof-Künstler Pedro Malinowski distanziert und erklärt, dass Kloth in dieser Angelegenheit nicht für die komplette Siedlung spreche. Zum Diskussionspropzess innerhalb der Siedlung wollte Kloth sich nicht äußern: "Das ist eine interne Angelegenheit." loc.

Kommentar von Lars Oliver Christoph in der gleichen Ausgabe der WAZ:

Chance nutzen

Seit 77 Jahren gibt es den Halfmannshof, doch vor so hohen Hürden (Sanierungsbedarf, Kulturhauptstadt etc.) stand die Siedlung bisher wohl selten. nUnd jetzt auch noch Negativschlagzeilen und Debatten über die NS-Vergangenheit - könnte man meinen. Das Gegenteil ist der Fall: Trotz der bisherigen Versäumnisse besteht nun eine Chance, die Diskussion ins Positive zu kehren und zu beweisen, dass man sich kritisch und offen der eigenen Geschichte stellt. Dass dazu Druck von außen, sprich: durch die von den Gelsenkirchener Geschichten angestoßene öffentliche Diskussion und aus dem Förderverein nötig war, ist schade, wird aber letztlich keine Rolle mehr spielen -wenn die Künstlersiedlung Ihrer Vantwortung denn gerecht werden sollte. loc.

Quelle: WAZ Gelsenkirchen, 20.05.2008. Von Lars-Oliver Christoph

Die WAZ Gelsenkirchen schreibt am 09. Mai 2008, Zitat:

Verwaltungsblatt Nr. 29, 10. Oktober 1939

Ernennung von Bildhauer Nietsch durch die Nazis zum Kulturbeirat findet sich im Stadtarchiv. Aber: Historiker fand keine Hinweise auf "rekonstruierbare" Einflussnahme durch den Halfmannshöfer

Die "Nationalsozialistische Kulturpolitik im Gau Westfalen-Nord" hat Christoph Schmidt 2005/06 in seiner Doktorarbeit unter die Lupe genommen - und dabei auch intensiv Einblick ins Gelsenkirchener Stadtarchiv genommen. Ein Ergebnis seiner Untersuchungen: Der Halfmannshöfer Bildhauer Hubert Nietsch wurde 1939 von der NS-Stadtspitze zum Kulturbeirat ernannt. So steht es zumindest in dem der WAZ inzwischen vorliegenden Verwaltungsblatt der Stadt Gelsenkirchen Nr. 29 vom 10. Oktober 1939.

Diese Kulturbeiräte, so schreibt der Wissenschaftler, hätten durch die am 15. Dezember 1933 in Kraft getretene preußische Gemeindeverfassung die gewählten Ausschüssen ersetzt. Die Beiräte sollten den Bürgermeister "auf wichtigen Arbeitsgebieten ständig beraten", so die Vorgabe. Für die Kultur und andere Bereiche seien insgesamt 23 Beiräte berufen worden, davon sechs für die Kultur zuständig. Zum Zeitpunkt der Berufung von Nietsch, also 1939, seien es noch insgesamt fünf gewesen.

Doch auch das betont Christoph Schmidt ausdrücklich: "Obwohl in diesem Gremium stets parteipolitisch profilierte Persönlichkeiten vertreten waren, ist eine direkte Einflussnahme dieses Gremiums auf die Kulturpolitik in keinem Fall rekonstruierbar." Heißt: Es gibt nach Kenntnis- und Forschungsstand von Christoph Schmidt keine Hinweise darauf, ob und wie Nietsch und andere Kulturbeiräte aktiv oder nennenswert Einfluss genommen haben.

Das Institut für Stadtgeschichte (ISG) hatte am Dienstag auf WAZ-Anfrage erklärt, nichts Konkretes über einen Kulturbeirat Nietsch zu wissen. Einen entsprechenden Hinweis auf die Berufung des Bildhausers durch die Nazis hatte zuvor die Bloggerin "Weltkind" gegeben (www.theruhr.blogspot.com). Dass Schmidt im Stadtarchiv recherchiert hat, habe das ISG natürlich gewusst, sagte Mitarbeiter Stefan Goch. Schmidts (Teil-)Ergebnisse zu Nietsch seien aber inhaltlich nicht bekannt gewesen: "Wir waren noch nicht so weit." loc.

Quelle: WAZ Gelsenkirchen 09. Mai 2008, von Lars Oliver Christoph

Kommentar von Andreas Jordan:

"1935 gehörte etwa Kreisleiter Kossol dem Beirat ebenso an wie die Kreiskulturwarte von Gelsenkirchen und Buer, der Kreissängerführer Boncelet und der Kreiswart der NSG KdF; 1939 war zudem der lokal bekannte Bildhauer Hubert Nietsch hinzugekommen. Vgl. Verwaltungsbericht GE 1935, Verwaltungsblatt der Stadt Gelsenkirchen Nr. 29 vom 10. Oktober 1939"

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Die WAZ Gelsenkirchen schreibt am 08. Mai 2008, Zitat:

Künstler und Förderverein auf Distanz

Der Halfmannshöfer Künstler Pedro Malinowski hat sich öffentlich von den Aussagen des Sprechers der Siedlung, Helmut Kloth, distanziert.

"Die Äußerungen von Herrn Kloth sind seine private Meinung und repräsentieren weder die offizielle Stellung des Hofes noch die meine", sagte der Fotograf zur WAZ. Und auch der Förderverein der Künstersiedlung geht (indirekt) auf Distanz zum Sprecher. Wie berichtet, hatte Kloth sich in Zusammenhang mit der Diskussion über den in der NS-Zeit aktiven Halfsmannshöfer Bildhauer Hubert Nietsch dagegen ausgesprochen, die Geschichte der Siedlung zwischen 1933 bis 1945 aufarbeiten und durchleuchten zu lassen. Das passe nicht in die Linie, man sei zukunftsgewandt, so Kloths Begründung gegenüber der WAZ.

Er habe schon mehrfach Kloth auf dieses Thema angesprochen, sei aber stets abgeblockt worden, so der seit 2000 in der Siedlung ansässige Malinowski. Er werde nun einen erneuten Vorstoß machen. "Dieses Thema muss bearbeitet werden. Wir müssen Transparenz herstellen und wissen, was damals passiert ist", sagt der gebürtige Chilene. Zu Wort meldete sich gestern auch der Förderverein der Künstersiedlung. Eine Aussage, wonach man die Vergangenheit ruhen lassen solle und ein Blick zurück nicht in die Linie passe, stünden den Förderintentionen des Vereins "konträr entgegen", so der Vorsitzende Albert Ude. Es werde nun "zeitnah erforderlich, dass der Hof, der sich in dieser aktuell eröffneten Auseinandersetzung in die Defensive gebracht hat, eine gültige Positionierung formuliert”. Und: Möglicherweise sei der Sprecher des Hofes bei der Anfrage der WAZ "zeitlich und organisatorisch" nicht imstande, ein Meinungsbild abzufragen. Jenseits der internen Diskussion auf dem Halfmannshof ist ein Vorgang des Jahres 1939 inzwischen belegt: Hubert Nietsch ist laut Verwaltungsblatt der Stadt Gelsenkirchen vom 10.10.1939 von den Nazis in den damals fünfköpfigen Gelsenkirchener Kulturbeirat berufen worden.loc

Quelle: WAZ Gelsenkirchen 08. Mai 2008, von Lars Oliver Christoph

Die WAZ Gelsenkirchen schreibt am 07. Mai 2008, Zitat:

"Passt nicht in die Linie" - Halfmannshof will sich nicht mit NS-Zeit auseinandersetzen

Welche Rolle hatte die Künstlersiedlung Halfmannshof im Nazi-Regime? Eine passiv unterstützende? Eine aktivgestaltende? Diese Fragen sind bis heute unbeantwortet. In dem kürzlich zum 75-jährigen Bestehen erschienenen Buch über den Halfmannshof schrieb Autor (und WAZ-Redakteur) Jörg Loskill, dass diese Zeit von Historikern aufgearbeitet werden müsse.

Auf Anfrage der WAZ machte Halfmannshof-Sprecher Helmut Kloth gestern deutlich, was er von einer Auseinandersetzung mit dem Thema hält: Nichts. Man sollte die Zeit Vergangenheit ruhen lassen, sagte er. Der Blick zurück "passt nicht in die Linie" der Siedlung: "Wir wollen uns fürs 21. Jahrhundert öffnen."

Erkenntnisse liegen dem Institut für Stadtgeschichte (ISG) durchaus vor. So fand der Bildhauer Hubert Nietsch, der als einer der ersten ein Atelier im Halfmannshof bezogen hatte, Aufnahme in die ISG-Dauerausstellung zur NS-Zeit. Konkret: Nietschs herausgehobene Stellung als Auftragskünstler, welcher Reichsadler für Kasernen in Deutschland fertigte - was auch in den Medien Widerhall fand. Ob Nietsch darüber hinaus von den Nazis zum lokalen "Kulturbeirat" ernannt wurde - so steht es im Internet-Blog "theruhr" -, kann ISG-Mitarbeiter Stefan Goch weder bestätigen noch ausschließen. Das sei ihm nicht bekannt. "Nietsch war aber nicht der Arno Breker Gelsenkirchens", so Goch. Und: Die Kultur sei nicht so straff durchorganisiert gewesen wie andere Bereiche. Viele Künstler hätten sich jedoch angepasst. loc

Quelle: WAZ Gelsenkirchen 07. Mai 2008, von Lars Oliver Christoph



Die Künstlersiedlung Halfmannshof im Nationalsozialismus:

Die kommunalen Versuche, professionelle Künstler zu fördern und finanziell zu unterstützen, konzentrierten sich zwischen 1933 und 1945 auf die Künstlersiedlung Halfmannshof. Der verlassene Halfmannshof in Ückendorf war 1926 von der Stadt erworben worden, und fünf Jahre später wurden die Gebäude Künstlern als Wohn- und Arbeitsstätten zur Verfügung gestellt. Die Initiative zu dieser Einrichtung ging städtischerseits vom Sozialdezernenten Dr. Wendenburg aus, von Seiten der Künstlerschaft vom Maler Josef Arens. Vorbild für die Künstlersiedlung dürfte das Bauhaus gewesen sein, wenngleich der Halfmannshof wesentlich bescheidener dimensioniert war.

Mehreren Künstlern verschiedener Arbeitsbereiche bot die Stadt hier ein Domizil zum Wohnen und Arbeiten. Neben Josef Arens lebten vor 1945 hier noch die Keramiker Carl-Bernhard und Karl Schmitz-Hohenschutz, der Maler Wilhelm Nengelken, die Bildhauer Hubert Nietsch und Wilhelm Schröder, der Schriftsteller und Puppenspieler Heinrich Maria Denneborg, die Architekten Ludwig Schwickert, Otto Prinz und Ferdinand Mindt, die Kunstschmiede Wilhelm Spürgel und Erich Friedemann Werner.

Im Hinblick auf den Halfmannshof beschränkte sich das kulturpolitische Engagement der Stadt vornehmlich auf die Bereitstellung der Lokalitäten als Arbeitsgrundlage. Besondere Ausstellungen oder Aktionen um die Künstlersiedlung hat es vor 1933 wie im Dritten Reich nur selten gegeben, auch wenn einige der im Halfmannshof arbeitenden Künstler häufig in städtischen Einzel- oder Sammelausstelungen vertreten waren. Bezeichnenderweise fanden sich die städtischen Auslagen für die Künstlerstipendien im jährlichen Haushaltsplan auch nicht unter dem Dach des Kulturhaushaltes, sondern lediglich im Ressort der Gebäudeverwaltung.

Knorr weist zu Recht daraufhin, dass eine detaillierte Untersuchung zur Rolle des Halfmannshofes und seiner Bewohner im Nationalsozialismus noch aussteht und begründet dies mit den offensichtlichen Verdrängungsmechanismen der Nachkriegszeit. Trotzdem kommt er zu dem Schluss, dass gerade die Künstlersiedlung eine herausgehobene Bedeutung im Rahmen der lokalen Kulturpropaganda eingenommen habe: "Der nationalsozialistische Staat schmückte sich mit dem Aushängeschild Halfmannshof, und Kultur- und Parteigrößen Gelsenkirchens erkannten die Möglichkeit, mit dem Halfmannshof zu renommieren, zumal er und seine Künstler in der Region und darüber hinaus bekannt waren. Viel hatte man in Gelsenkirchen an Kultur nicht vorzuweisen.

Ob man diesem Urteil zustimmen kann, ist allerdings fragwürdig, denn die Künstlersiedlung Halfmannshof, die ja bereits vor 1933 gegründet worden war, stand zu keiner Zeit des Dritten Reichs im Mittelpunkt einer lokalpolitischen Kulturpropaganda. Im Gegenteil: Geht man davon aus, dass die Siedlung tatsächlich (wie Knorr angibt) von überregionalem Renommee war, dann ist die propagandistische Zurückhaltung der Nationalsozialisten in den heute noch zugänglichen Quellen regelecht auffällig. Die Gründe hierfür dürften allerdings recht banal gewesen sein und habe "wohl nichts mit politischer Zurückhaltung oder gar einer gewissen Resistenz der Stipendiaten gegen das System" zu tun. Der Halfmannshof war einfach keine nationalsozialistische Einrichtung (wie das Stadttheater oder das stadteigene Orchester), und er war sicher auch keine Institution großer Öffentlichkeitswirksamkeit.

Dass die Bewohner des Hofes in das nationalsozialistische Kultursystem in Gelsenkirchen integriert waren, steht allerdings außer Zweifel. Inwieweit die einzelnen Stipendiaten sich anpassten, vom Nationalsozialismus profitierten, Mittäter wurden oder Widerstand leisteten, bliebe für den Einzelfall noch näher zu untersuchen und im Hinblick auf lokale wie überregionale Hintergründe zu analysieren und zu kontrastieren - eine Aufgabe, die angesichts der lückenhaften Quellenlage zum Gesamtkomplex "Halfmannshof" allerdings nur schwer zu lösen sein dürfte.

Vgl. hierzu: "Nationalsozialistische Kulturpolitik im Gau Westfalen-Nord" von Christopher Schmidt, S. 204-206

75 Jahre Halfmannshof

Rede von Oberbürgermeister Baranowski anläßlich des 75jährigen Bestehens des Halfmannshof am 10. September 2006:

"Mit 75 Jahren, da ist ein Mensch von Natur aus nicht mehr ganz so spritzig, wie mit 30. Mit 75 Jahren zieht es schon einmal hier und zwackt dort. Manches fällt dann schwerer, als noch einige wenige Jahre zuvor. Von solchen Alterserscheinungen kann beim Halfmannshof keine Rede sein! Das wird in dieser Jubiläumswoche besonders durch die internationale Bildhauerwerkstatt deutlich. 5 Künstler aus Partnerstädten von Gelsenkirchen waren in der letzten Woche hier zu Gast und wir können inzwischen ihre Werke bewundern, die in dieser Zeit zum Thema "Partnerschaft - gemeinsame Vielfalt" entstanden sind. Meine Damen und Herren, der Halfmannshof hat als eine der ältesten Künstlersiedlungen in Deutschland bereits eine lange Geschichte.

Und es erfüllt mich und viele Gelsenkirchener mit Stolz, dass Namen von berühmten Künstlern wie Uecker und Stankowski, aber auch Spindel, Tollmann und Gräsel damit verbunden sind. Aber die Künstlersiedlung ist nicht nur Geschichte. Die Halfmannshöfer Künstler sind in Gelsenkirchen eine Institution. Und das internationale Symposion ist für mich Ausdruck der Vitalität des Halfmannshofes. Ich wünsche mir sehr, dass weitere Projekte hier entstehen. Denn wir haben mit dem Halfmannshof einen einmaligen Ort, der Künstlern ideale Arbeitsbedingungen bietet.

Die Kreativen im Halfmannshof haben die internationale Bildhauerwerkstatt bereits mit dem Großereignis "Kulturhauptstadt Europas" im Jahr 2010 in Verbindung gesetzt. Und ich finde es ganz wichtig, dass Gelsenkirchen dabei eine bedeutende Rolle spielt. Das Potenzial ist da. Der Halfmannshof, die Einrichtungen auf dem Consol-Gelände, das Musiktheater und viele andere Institutionen und Gruppen können sich dabei einbringen – und ich bitte in diesem feierlichen Moment ganz ausdrücklich darum: machen Sie mit. Entwickeln Sie Ideen, kommen Sie auf uns zu, damit wir erneut ein so schönes Großereignis feiern können, wie die Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr.

Die Projekte, die 2010 für das Ruhrgebiet stehen sollen, müssen auch von den Bürgerinnen und Bürgern kommen, von ihnen getragen werden. Die Projekte sollen von den Künstlern aus gehen, von Vereinen, von Institutionen wie dem Halfmannshof. Denn wir wollen keine Nabelschau der überregionalen Kunstszene. Wir wollen zeigen, was wir können, was für Kreativität hier vor Ort vorhanden ist. Denn wir wollen unsere Region vorstellen und nicht nur ein Austragungsort eines internationalen Großereignisses sein.

Und der Halfmannshof ist – wie auch das Musiktheater – tatsächlich ein Beispiel für die kulturelle Identität der Region. Ein Beispiel für die lange Tradition bildender Kunst im Ruhrgebiet, die in der Arbeiterregion bewusst gefördert wurde.

Deshalb können wir heute mit Stolz auf die Künstlersiedlung blicken und in dem Bewusstsein, mit dem Halfmannshof etwas ganz Besonderes in Gelsenkirchen zu haben. Ich hoffe mit Ihnen, dass uns diese außergewöhnliche Künstlersiedlung noch lange erhalten bleibt und von ihr auch in Zukunft Impulse für die Kunstszene und die gesamte Gesellschaft ausgehen. Glück auf!"

Quelle: Virtuelles Rathaus Gelsenkirchen, Reden des Oberbürgermeisters Baranowski

Hintergrundgrafik: National-Zeitung vom 20. Juni 1937; Aufnahme: Donner (Artikel: Arbeiter, Bauer und Soldat: Drei neue Plastiken des heimische Bildhauers Nietsch / Ein wirkungsvoller Schmuck am Bahnhofsvorplatz während des Gautreffens)


Andreas Jordan, Juni 2008. Aktualisiert Mai 2011

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