Begriffserklärung: Holocaust - Shoah - ChurbanHolocaust. Das griechische Wort holókaustos ("vollständig verbrannt") bezog sich auf die in der Antike verbreitete religiöse Praxis der Verbrennung von Tieren als Opfer. Dafür verwendete es erstmals der Historiker Xenophon, dann auch die griechische Bibelübersetzung, die Septuaginta. Über die lateinische Bibelübersetzung der Vulgata drang holocaustum in die englische Sprache ein, nicht aber in die deutsche, da Martin Luther den Ausdruck mit Brandopfer übersetzte. Darum wurde der Völkermord an den europäischen Juden zunächst nur im englischen Sprachraum mit dem Wort Holocaust bezeichnet, erstmals im Dezember 1942 in der Tageszeitung News Chronicle. Diese verband noch ohne Kenntnis von "Vernichtungslagern" damit bereits Adolf Hitlers Vernichtungsplan an den Juden: "… the Jewish people are to be exterminated". Von nun an behielt der Begriff im politischen Diskurs diesen Sinn und setzte sich in der angelsächsischen Geschichtswissenschaft nach 1945 allmählich durch. Der Autor Frederick Forsyth machte 1972 diesen Sinn mit seinem Roman Die Akte Odessa einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zwar gab es im Deutschen bereits das Fremdwort Holokaust, das aber kaum für den Völkermord an den Juden gebraucht wurde und in wichtigen Wörterbüchern nicht verzeichnet war. Doch seit der Fernsehserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß von 1979 wurde der Begriff, auch in englischer Schreibweise, in der Bundesrepublik üblich. Er bezeichnete nun verbreitet das, was zuvor als "Judenverfolgung", "Judenvernichtung", "Judenmord" oder "Mord an den europäischen Juden" umschrieben worden war. Das Bewusstsein für die Ausnahmestellung dieses nationalsozialistischen Völkermords war bis dahin kaum in der deutschen Bevölkerung vorhanden. Heute ist eine von diesem Ereignis losgelöste Verwendung des Holocaustbegriffs im Deutschen semantisch und ethisch umstritten, da sie zumeist aus Effekthascherei oder aus dem Versuch heraus erfolgt, die NS-Verbrechen zu verharmlosen. Shoah. Das hebräische Wort Shoa steht neben dem für dieselbe Bedeutung weiterhin verwendeten und synonym verstandenen Begriff "Holocaust/Holokaust". Es bürgerte sich in Westeuropa vor allem wegen des neunstündigen Dokumentarfilms "Shoah" von Claude Lanzmann von 1985 ein, der auch als "narrative Chronik des Holocaust" bezeichnet wird. Unter den Juden und in Israel sind Begriff und Bedeutung von "Shoa" im Zuge der langen Geschichte der Judenfeindlichkeit und der damit verbundenen Pogrome schon vor dem Holocaust geläufig gewesen. Der Ausdruck ging daher in die Unabhängigkeitserklärung Israels von 1948 ein. Seitdem wird er von Juden überwiegend für dieses Ereignis verwendet. Ein Grund dafür ist auch, dass das Wort Holocaust (griechisch: "vollständiges Brandopfer") nach Ansicht vieler Juden zu sehr die Opferrolle der Ermordeten betont und einen positiven religiösen Sinn des Geschehens impliziert. Der Begriff Shoa wird wiederum von manchen Vertretern nicht-jüdischer Opfergruppen des Holocaust abgelehnt, da er den Blick allein auf die ermordeten Juden einenge. Shoa wird seit 1979 auch von manchen Nichtjuden bevorzugt, weil sich mit dem Begriff Holocaust seit 1979 die Assoziation des Hollywood-Filmes verbindet, der damals als mehrteilige US-Fernsehserie unter dem Titel "Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiß" ausgestrahlt wurde. Der Film stieß auf Kritik, da seine "romantisierende" und "reißerische" oder gar "voyeuristische" Umsetzung des Stoffes dem tatsächlichen Schrecken des Themas vielen nicht angemessen erschien. Gleichwohl hat sich die Bezeichnung Holocaust in Deutschland seit 1979 als Begriff für die Shoa durchgesetzt, wobei hier die Sicht der "Nachfahren" der Täter einen gewissen Vorrang hat. Churban. Viele Rabbiner bezeichnen die Shoa etwa seit 1980 als Dritten Churban. Das hebräische Wort "Churban" bedeutet etwa "Verwüstung" oder "Vernichtung" und bezieht sich auf große historische, von Menschen gemachte Katastrophen. Das Wort wurde früher für die beiden Zerstörungen des Jerusalemer Tempels (586 vor und 70 nach Christus) verwendet und bezeichnete deren Zielrichtung, das Judentum auszulöschen. Der Dritte Churban wird damit als ein weiterer Fall der Judenverfolgung unter anderen Völkern in die Jüdische Geschichte eingeordnet. Vertreter des Begriffs lehnen daher die These von seiner Singularität ab. "Churban" ist auch im Jiddischen geläufig (jidd: khurben) und bezeichnet in jiddischer Literatur wiederum fast ausschließlich den Holocaust. So verwendet auch Manès Sperber diesen Begriff; ein von ihm verfasster Essay aus dem Jahr 1964 trägt den Titel "Churban oder Die unfassbare Gewissheit".
Quelle: Der Artikel basiert auf dem Eintrag "Holocaust" in Wikipedia/hagalil.com 2007
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