Totenklage: Den Toten vom 6. November 1944
In jenen fluchbeladenen Tagen
hörte ich flehende Stimmen klagen:
Herr, aus Tiefen schreien wir zu dir:
Lindre unsre Qual im Bombendonner hier!
Hörst du nicht die heulenden Sirenen?
Siehst du nicht der Kinder bittre Tränen?
Spüre, wie die tosenden Geschosse krachen,
wie des Satans Heizer Glut entfachen,
wie, dem Höllenpfuhl mit Schwefeldampf entflohen,
endenlose Flammen hin zum dunklen Himmel lohen,
wie der Scheiterhaufen Knistern uns erschrickt
und Mephisto in die Angst der Opferaugen blickt.
Und ich hörte eine Stimme: Schreibe:
Ein ewiges Gedenken bleibe
den Toten vom 6. November!
Und nochmals jammerten viel tausend
in Bombenhageln, die berstend, brausend
durch Gelsenkirchens Mauern jagten,
daß Mütterherzen dumpf verzagten.
Verbrühte schrieen auf zu Gott,
doch dieser mied die Stadt der Todesnot.
In Phosphor, in flammendurchglühten Trümmern,
hörte ich brennende Menschen wimmern.
In Elend und Schmerzen, von Blut tiefrot,
starben schuldlose Bürger den Feuertod.
Und wieder sprach die Stimme: Schreibe:
Ein ewiges Gedenken bleibe
den Toten vom 6. November.
Auch draußen verzweifelten Millionen
aus ungezählten Völkerschaftszonen,
aus allen Erdenregionen,
sie brüllten zum Himmel, er solle sie schonen.
Aber der Satan erstickte das Flehen.
Höllische Stürme begannen zu wehen.
Grausam fauchten Granaten nieder,
Luftminen heulten Todeslieder.
An den trauten Kirchen leckten gierig Flammen,
als die Welten stürzten über uns zusammen,
als der Kosmos sich mit uns entzündete,
hörte ich die Stimme, die verkündete:
Und noch einmal sage ich dir: Schreibe:
Ein ewiges Gedenken bleibe
den Toten vom 6. November!
Gelsenkirchen, anno millesimo nongentesimo quadragesimo sexto (MDCCCCXXXXVI). Joseph P. Krause, 1946.
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