Gedenkfeier am 9. November 2000 Rede des Oberbürgermeisters Wittke am 9. November 2000 Bild: Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Gelsenkirchen-Bulmke, Wanner Sraße Rund 500 Menschen zogen am 9. November 2000 schweigend durch das Zentrum von Buer. Sie folgten damit einem Aufruf der Demokratischen Initiative und erinnerten damit an die Opfer der Pogromnacht im November 1938. Erstmals fand diese Veranstaltung nicht am Mahnmal an der Gildenstraße statt, sondern an dem Ort in Buer, wo bis zum Abend des 9. November 1938 eine Synagoge stand. Der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Wolfgang Schab, begrüßte die Teilnehmer auf dem Gustav-Bär-Platz. Anschließend erinnerte Gelsenkirchens Oberbürgermeister Oliver Wittke an die Ereignisse um den 9. November 1938: | Sehr geehrter Herr Neuwald, meine sehr geehrten Damen und Herren,wir befinden uns heute Abend an einem für den Anlass ungewohnten Ort. Bisher haben wir stets am Platz der Alten Synagoge in der Altstadt der von den Nazis verfolgten und ermordeten Jüdinnen und Juden Gelsenkirchens gedacht. Mit der diesjährigen Route wollen wir daran erinnern, dass auch Buer eine jüdische Gemeinde besaß, dass auch hier in der Pogromnacht am 9. November 1938 die Synagoge in Brand gesetzt, jüdische Bürgerinnen und Bürger drangsaliert, geschlagen und verhaftet, ihre Wohnungen und Geschäfte demoliert wurden. Die jüdische Gemeinde in Buer war deutlich jünger und auch deutlich kleiner als die Gelsenkirchener. 1922, im Jahr der Synagogeneinweihung, bestand sie aus etwa 150 Männern, Frauen und Kindern. Wie freundschaftlich das Verhältnis zwischen den jüdischen Familien und ihren meist christlichen Nachbarn war, macht die Berichterstattung in der Buerschen Zeitung über die Einweihungsfeier am 10. November 1922 deutlich. Der Autor hob hervor: "Der beste Beweis dafür, dass sich unsere jüdischen Mitbürger der vollen Achtung und Sympathie auch der Andersgläubigen erfreuen, ist die Tatsache, dass auch zahlreiche Angehörige der übrigen Religionsgemeinschaften an dem jüdischen Freudentage Anteil nahmen." Auch der Oberbürgermeister und sein Stellvertreter gehörten zu den Gästen. Wir können nur vermuten, dass es in diesem positiven Bild gelegentlich auch Flecken gab - der Antisemitismus war keine Erfindung der Nationalsozialisten. Schon Ende des 19. Jahrhunderts hatten kleine, zum Teil im Reichstag vertretene Parteien aggressiv eine anti-jüdische Politik betrieben. Nach dem Willen der Antisemiten sollten Juden von allen Ämtern ausgeschlossen sein, ihnen sollten alle mit der Emanzipation erteilten Rechte, also zentrale Bürger- und Menschenrechte, entzogen werden. Als "letztes Ziel" propagierten Teile der antisemitischen Parteien und Vereine sogar die "Ausscheidung der jüdischen Rasse aus dem Völkerleben", mit anderen Worten: den Tod aller Jüdinnen und Juden. Die Nazis griffen diese Parolen in den zwanziger Jahren auf und spitzten sie weiter zu. Bei der Wahl zur Buerschen Stadtverordnetenversammlung hatte der Völkisch-Soziale Block 1924 mit antisemitischer Hetze einen Sitz gewonnen. Diese und andere völkische Gruppen waren auch in unserer Gegend Vorläufer der Nationalsozialisten. Die Nazis hatten in den zwanziger Jahren in Buer und Gelsenkirchen eine sehr kleine Anhängerschaft. Ab 1930 gewannen sie auch hier an Boden. 1932 wählte schon etwa jeder fünfte in Gelsenkirchen und Buer die NSDAP. Als Hitler im Januar 1933 Reichskanzler wurde, wandelte sich die Stimmung in der Bevölkerung rasch. Schon vorher hatte es antisemitische Parolen gegeben, jetzt bedrohten SA-Leute und Mitglieder der NSDAP die jüdische Bürgerinnen und Bürger. Im Radio und in vielen Zeitungen, vor allem aber in den Parteizeitungen der Nazis und in der "Wochenschau", wurden Hetzkampagnen gegen die jüdische Bevölkerung entfacht. Das Klima veränderte sich binnen kurzer Zeit auch in Buer spürbar. Das wissen wir aus alten Akten, die das Leben der jüdischen Bevölkerung dokumentieren. Meistens sind es einzelne Dokumente, sodass wir nur selten die Lebensgeschichte eines Menschen oder einer Familie rekonstruieren können. Dank des städtischen Archivs können wir einiges über das Schicksal eines jüdischen Rechtsanwalts aus Buer und seiner Familie während der Zeit des Nationalsozialismus erfahren. In ihrer Geschichte wird das Geschehen in Buer zum Schicksal von Menschen, von Opfern und Tätern. Ich nenne den Rechtsanwalt der Einfachheit halber Georg Hausmann. Er führte eine bedeutende Kanzlei, von der Zeitgenossen sagten, sie sei die größte im Landgerichtsbezirk Essen gewesen. Schon kurz nach der Machtergreifung begann die Hetze gegen den bekannten Juristen. Im Mai verbot ihm das Justizministerium, weiterhin Mandanten vor Gericht zu vertreten, das Notariat wurde ihm öffentlich entzogen - während einer Gerichtsverhandlung am Essener Land- und Amtsgericht, an der er als Verteidiger teilnahm. Viele Zeitungen berichteten darüber ausführlich. Der "Dortmunder General Anzeiger" bezeichnete ihn als "Judenanwalt", der aus dem "finstersten Osten" stamme und kommentierte die Szene am Gericht mit Häme. Noch abstoßender ist der Tonfall in der "National-Zeitung", der Essener NSDAP-Zeitung, hier ist die Rede vom "verwerflichen Verhalten und Treiben dieses Juden", der Rechtsanwalt wird als "Jud Israelis" bezeichnet. Beide Artikel appellieren unverhohlen an die Schadenfreude der Leserinnen und Leser. Die Stimmung veränderte sich auch im zuvor so harmonischen Buer sehr schnell. Im April, knapp drei Monate nachdem die Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten, wurde der jüdische Kaufmann Julius Less am Warenhaus Althoff von drei SA-Mitgliedern angehalten. Wenn er nicht verschwinde, dann werde er totgeschlagen, drohten sie ihm. Fünf Tage später machten sie ihre Drohung beinahe wahr: SA-Hilfspolizisten schlugen den 40-jährigen Less vor über 200 Augenzeugen Krankenhaus reif. Etliche der Umstehenden protestierten, aber niemand wagte einzuschreiten. Freunde versteckten ihn und pflegten ihn gesund. Als er sich einige Wochen später wieder unter Menschen wagte, wurde er erneut bedroht. Julius Less floh in der folgenden Nacht nach Holland. Schikanen gegen Juden gab es auch in den Buerschen Schulen. Oft gingen sie sogar von den Lehrern aus. Auch Erwin, der Sohn von Rechtsanwalt Hausmann, hatte darunter zu leiden. Er besuchte das Hindenburg-Gymnasium. Im Herbst 1933 ging er ab. Die Haltung der Lehrer und Mitschüler war unerträglich feindselig geworden. Andere Schulen weigerten sich, ihn aufzunehmen. So blieb ihm keine andere Wahl, als bei seinem Vater und anschließend bei einem Bekannten des Vaters in die Lehre zu gehen. Die "Nürnberger Gesetze" entzogen den jüdischen Deutschen ab 1935 die meisten Staatsbürgerrechte und stellten jegliche Liebesbeziehung zwischen Juden und so genannten "Ariern" unter Strafe. Sie konnten aber nichts daran ändern, dass sich Menschen über die Grenzen der angeblichen Rassen hinweg ineinander verliebten. Auch Erwin traf sich mit einem Mädchen, das nach den Regeln der nationalsozialistischen Rasselehre "Arierin" war. Das blieb in Buer nicht verborgen. 1936 wurde er anonym denunziert. Bevor ihn die Polizei verhaften konnte, tauchte er unter. Über zwei Jahre lebte er illegal und verdiente seinen kümmerlichen Lebensunterhalt als Vertreter. Schließlich ließ die Staatsanwaltschaft die Anklage fallen. Sein Vater versuchte lange verzweifelt, seine Kanzlei am Leben zu halten. Im Januar 1934 schrieb er an den Preußischen Justizminister und bat flehentlich darum, ihm doch das Notariat zurückzugeben. Vergebens. Zwar war das Vertretungsverbot gegen ihn zwischenzeitlich aufgehoben worden. Doch seine Mandanten wurden zur NSDAP zitiert und dort bedroht. Nur noch wenige wagten es, zu ihm zu kommen. Seine Einnahmen gingen immer weiter zurück. Im September 1934 nahm er nur mehr fünf Prozent dessen ein, was die Kanzlei vor der Machtergreifung erzielt hatte. Ende 1935 musste Georg Hausmann endgültig seine Kanzlei schließen und die letzten Angestellten entlassen. Er hatte kein Einkommen mehr und musste seine Lebensversicherungen verkaufen. Die vierköpfige Familie lebte von den Rücklagen. Die Familie Hausmann erlebte das 3. Reich auch als eine Zeit immer krasserer wirtschaftlicher Not. Die Rücklagen gingen bald zur Neige. Deshalb schrieb der Rechtsanwalt am 28. Oktober 1938, nicht einmal zwei Wochen vor der Pogromnacht, einen Bittbrief an den Präsidenten des Oberlandesgerichts in Hamm. Ob der Gerichtspräsident für ihn, den Kriegsfreiwilligen und Träger des Eisernen Kreuzes, den Kämpfer für das Verbleiben Schlesiens im Deutschen Reich, nach den zahlreichen Berufsverboten der vergangenen Jahre eine Ausnahme gemacht hätte, ist unwahrscheinlich. Juden durften nur noch wenige Berufe ausüben, und viele waren gezwungen, wie die Hausmanns in Buer, ihre Ersparnisse aufzuzehren, wen sie denn solche hatten. Die Pogromnacht am 9. November 1938 war ein deutschlandweiter Gewaltakt gegen die gesamte jüdische Bevölkerung. Im ganzen Reich, so auch in Buer und Gelsenkirchen, zündeten SA-Leute Synagogen an. Ein Buerscher Augenzeuge hat später berichtet, dass SA-Leute in dieser Nacht die Maelostraße abgesperrt und die Menschen auseinandergetrieben haben. Kurz darauf sei die Synagoge in Flammen aufgegangen. Die Feuerwehr habe in sicherem Abstand mit ausgerollten Schläuchen dagestanden, ohne einzuschreiten. Andere erinnern sich, dass Nazi-Anhänger sogar Dachpfannen abgenommen haben, um eine brennbare Flüssigkeit in den Innenraum der Synagoge zu schütten. In den Augenzeugenberichten heißt es übereinstimmend, dass viele Schaulustige der Brandstiftung zugesehen haben. Einige sollen Beschimpfungen gegen die jüdischen Mitbürger ausgestoßen haben. Andere versuchten vergebens zu helfen. So heißt es, der Nachbar Miesler aus der Maelostraße 9 sei aus seinem Haus auf die Feuerwehrleute zugestürzt mit den Worten:
"Die Synagoge brennt! Warum hilft denn keiner?"
Anschließend lief er zu dem jüdischen Nachbarn Katzenstein, der im Eckhaus wohnte. Vor dem Haus sah er, wie Geschirr, Möbel, Bettzeug und Bücher durch das Fenster auf die Straße geworfen wurden. Ähnliches erlebten in dieser Nacht alle jüdischen Familien in Buer. Anhänger der Nazis verwüsteten deren Wohnungen systematisch und verwandelten ihre Geschäfte in Scherbenhaufen. Viele jüdische Männer wurden verhaftet. Auch Georg Hausmann wurde festgenommen. Ihn ließ man nach 14 Tagen frei, andere Gelsenkirchener wurden noch mehrere Wochen im KZ Sachsenhausen festgehalten. 13 der Gelsenkirchener und Bueraner Juden, die im Zuge der Pogromnacht verhaftet worden waren, starben in der Haft oder im KZ. Rechtsanwalt Hausmann wurde im Frühjahr 1939 erneut verhaftet. Diesmal ließ man ihn nach acht Tagen frei. Viele Juden wurden im Gefängnis schwer misshandelt. Wir wissen nichts darüber, was man ihm in der Haft angetan hat. Er muss jedoch große Angst um seine Leben gehabt haben, denn er floh bald nach der Entlassung im April 1939 - ohne seine evangelische Frau - nach Belgien. Ein Jahr später konnte er sich vor einrückenden deutschen Truppen vorübergehend in Sicherheit bringen, indem er nach Frankreich flüchtete. Nachdem die deutschen Truppen dort einmarschiert waren, fühlte er sich nicht mehr sicher, er tauchte in Brüssel unter und musste sich illegal mit Hilfe von Freunden durchschlagen. Im September 1942 nahm ihn die Gestapo dort fest und brachte ihn ins KZ Auschwitz. Wann und unter welchen Umständen er starb, hat seine Familie nie erfahren. Zu diesem Zeitpunkt waren die übrigen Gelsenkirchener Juden bereits gen Osten deportiert worden. Das millionenfache Morden erfüllt uns noch heute mit Fassungslosigkeit und tiefer Trauer. Umso verabscheuungswürdiger ist es, dass heute die menschenverachtende Phrasen aus der Zeit des Nationalsozialismus wieder in unserem Land auftauchen. In Städten unseres Landes werden sie von jungen Menschen an Hauswände gesprüht. In manchen Städten schänden oft noch junge Menschen jüdische Friedhöfe, stecken Asylbewerberheime an, schlagen Menschen zusammen und werfen Brandsätze auf Synagogen. Einige Kommentatoren haben diese Vorfälle schon mit der Situation vor 1933 und während des Dritten Reiches verglichen. Ich meine, Wachsamkeit gegenüber Propaganda und Übergriffen von Rechtsextremen hat höchste Priorität. Gleichzeitig halte ich es für ganz wesentlich, dass wir uns die Unterschiede zu den Ereignissen damals ebenso bewusst machen wie die Ähnlichkeiten. Denn von einer Analogie der Verhältnisse kann keine Rede sein: Die Verfolgung der deutschen Juden im Nationalsozialismus war die Politik eines totalitären Staates, ihm nahestehender Organisationen und Einzelpersonen, die die menschenverachtende Ideologie des Regimes teilten. Der NS-Staat fuhr ein immenses Propaganda-Instrumentarium auf, um die jüdische Bevölkerung gezielt zu diffamieren, er grenzte jüdische Staatsbürger mit Hilfe von Gesetzen und bürokratischen Maßnahmen aus. Der Zwang,mit dem Judenstern ein sichtbares Kennzeichen der Gruppenzugehörigkeit zu tragen, war der deutlichste Ausdruck dafür. Wir leben heute in einem demokratischen Staat, der den Schutz der Menschenwürde in seiner Verfassung, aber auch in den Köpfen und Herzen der großen Mehrheit der Bürger verankert hat. In unserem Staat sind es kleine Parteien, organisierte und lose Zusammenschlüsse überwiegend junger Männer, viele mit dürftiger Schulausbildung, oft aufgewachsen mit der Erfahrung, dass mit der Faust wirkungsvoller zu argumentieren ist als mit dem Mund. Sie machen sich die Ängste, Sorgen und Vorurteile der Menschen zunutze. Sie verbreiten ihre Parolen in eigenen Publikationen und im Internet. In der übrigen Presse, im Radio und im Fernsehen finden sie mit ihren Parolen zwar keine Unterstützung. Aber häufig finden sie schon Genugtuung an der Beachtung, die ihnen zuteil wird. Ich bin froh darüber, dass es in Gelsenkirchen nach unserer Kenntnis derzeit keinen gefestigten Kern Rechtsextremer gibt. Das bedeutet nicht, dass wir uns zurücklehnen dürften. Auch in unserer Stadt gibt es zwei Treffpunkte der Rechtsextremen, auch in unserer Stadt gibt es Jugendliche, gegen die wegen rechtsextrem motivierter Straftaten ermittelt wird und solche, die deshalb angeklagt sind. Knapp 30 sind es allein in diesem Jahr, auch in unserer Stadt gibt es mehrere Dutzend junger Männer mit fremdenfeindlicher oder eindeutig rechtsextremer Weltanschauung. Zwar nicht in unserer Stadt, aber in Dortmund, Duisburg und Düsseldorf haben sich laut Verfassungsschutz feste, rechtsextreme Strukturen etabliert. In Dortmund ist es der sogenannte "Nationale Widerstand Ruhrgebiet" aus NPD-Mitgliedern, Skins, Hooligans und anderen, in Duisburg hat sich im Mai letzten Jahres die "Kameradschaft Duisburg" gegründet, und in Düsseldorf sitzt ein Neonazi, der mit dem Verkauf von CDs mit Musik, die rechtsextremes Gedankengut vermittelt, ein Vermögen verdient hat. Das sind Erkenntnisse, die umso mehr erschrecken, als wir uns im Ruhrgebiet auch aufgrund unserer Geschichte bisher als nahezu immun gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus betrachtet haben. In der öffentlichen Diskussion ist immer wieder Ratlosigkeit zu spüren, wie man den Rechtsradikalismus und die Fremdenfeindlichkeit in den Köpfen wirksam bekämpfen kann. Ich sehe ein wichtiges Ziel darin, dass der Radikalismus gleich ob von rechts oder links keine Möglichkeit erhält, sich in der Mitte der Gesellschaft festzusetzen. Dazu gehört es, dass wir immer wieder deutlich machen: Radikale, erst recht rechtsextreme Einstellungen werden hier nicht widerspruchslos hingenommen. Denn Jugendliche sind umso stärker bereit, sich den Extremen zuzuwenden, wenn sie das Gefühl haben können, dass ihre Haltung von den Erwachsenen stillschweigend geduldet wird. Hier müssen wir eindeutig Position beziehen. Dazu gehört, dass die demokratischen Parteien im Rat der Stadt auch in Zukunft sich auf keine Zusammenarbeit mit Radikalen einlassen. Diese Entscheidung haben wir sofort nach der Kommunalwahl 1999 getroffen, und sie hat sich als richtig erwiesen. Wir nehmen es nicht hin, dass Rechtsextreme den Asylanten, Flüchtlingen, Obdachlosen, Behinderten einen Platz in unserer Mitte verweigern. Die Aufkleber, Poster und T-Shirts mit dem Aufdruck "In Gelsenkirchen ist für jeden Platz" bringen in aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass Hass und Gewalt in Gelsenkirchen nichts zu suchen haben. Diese Aktion zielt darauf, die Zivilcourage des Einzelnen zu stärken, aber auch an die Toleranz zu appellieren. In Gelsenkirchen leben seit Jahrzehnten Menschen aus allen Regionen Deutschlands und aus vielen Ländern der Welt auf engem Raum zusammen. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass das nicht immer einfach ist, denn jeder hat seine Traditionen und Gebräuche mit nach Gelsenkirchen gebracht. Das erfordert manchmal Rücksicht und manchmal auch ein Ertragen von Ungewohntem, über das man sich vielleicht ärgert... Deshalb wünsche ich mir, dass sich die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener gleich welcher Herkunft mit Respekt begegnen und offen für ein friedliches Zusammenleben in unserer Stadt einstehen. Noch gelingt es den Rechtsextremen leider viel zu oft, ein Klima der Angst zu verbreiten. In Gegenwart der "Glatzen" trauen sich viele Menschen kaum noch, ihre Meinung laut zu äußern, weil sie befürchten, selbst zum Opfer zu werden. Inzwischen arbeiten Polizei und andere Institutionen daran, Handreichungen herauszugeben, wie man gegen rechtsextreme Gewalttaten vorgehen kann, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Ich halte solche Tipps für ausgesprochen wertvoll. Denn unsere Gesellschaft kann dem Rechtsextremismus nur dann auf Dauer wirksam entgegentreten, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger auf die Seite der Menschenrechte und damit an die Seite ihrer bedrohten Mitbürger stellen. Nur dank der Courage jeder und jedes Einzelnen von uns können wir verhindern, dass es jemals wieder ein verzweifelter Nachbar auf der Straße rufen muss: "Warum hilft denn keiner?"(Ende der Rede) Andreas Jordan, Dezember 2006 |