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Folgen und Auswirkungen auf die Betroffenen

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Bild: Turm der Gelsenkirchener Synagoge, nach der Brandstiftung

Einer der Türme der Gelsenkirchener Synagoge nach der Brandstiftung in der Pogromnacht

Die tatsächlichen Zahlen werden heute aufgrund vieler Dokumente auf ein Vielfaches davon geschätzt. Man geht heute von mindestens 400 Todesopfern allein in der Pogromnacht aus. Darin sind Selbsttötungen und schwere Körperverletzungen mit Todesfolge enthalten. Nur in Nürnberg z. B. wurden schon am 9. November neun Morde, zehn Selbsttötungen und sieben plötzliche Todesfälle von Juden verzeichnet. Hinzu kam eine unbekannte Zahl von Vergewaltigungen jüdischer Frauen.

Von den annähernd 30.000 verhafteten und deportierten Juden wurden nachweislich 10.911, einschließlich von etwa 4.600 Wienern ins KZ Dachau, 9.845 ins KZ Buchenwald eingeliefert. Für das KZ Sachsenhausen schätzt man mindestens 6.000, eher aber 10.000 Inhaftierte. Die Lagerhaft kostete nochmals Hunderte Menschenleben: In Buchenwald fanden nach Angaben der Lagerverwaltung 207 Juden, in Dachau 185 den Tod, die Opferzahl von Sachsenhausen ist unbekannt. Auch hier wird zusätzlich eine hohe Dunkelziffer angenommen.

Denn bereits bei der Ankunft in den KZs wurden Dutzende Juden erschossen, Hunderte starben bei Fluchtversuchen oder an den Strapazen der Zwangsarbeit in den Lagern. Tausende der Überlebenden wurden schwer körperlich verletzt und seelisch traumatisiert. Allein im Jüdischen Krankenhaus Berlin mussten später 600 erfrorene Gliedmaßen amputiert werden.

Die Verluste an Menschenleben und das Ausmaß der Sachschäden wurden lange Zeit unkritisch aus Eigenangaben der NSDAP übernommen. So listete etwa die ZEIT noch am 3. November 1978 nur die 91 Morde und 267 zerstörten Synagogen auf, die ein Brief Heydrichs an Göring vom 11. November 1938 aufgeführt hatte.

Die meisten der überlebenden Inhaftierten wurden bis August 1939 wieder entlassen, sofern sie sich schriftlich zur "Auswanderung" bereit erklärten und ihren Besitz dem Staat übereigneten. Die Zahl der Ausreiseanträge stieg seit dem 9. November 1938 sprunghaft an: Bis Kriegsbeginn verließen noch einmal etwa 200.000 Juden das Reich, mehr als insgesamt von 1933 bis 1938. Sie mussten überall im Ausland ein "Vorzeigegeld" nachweisen und konnten ihre Ein- und Ausreisevisa häufig nur noch über den Schwarzmarkt, durch Kredite von ausländischen Verwandten und Beamtenbestechung erlangen.

Bild: Abrißverfügung für die Ruine der Synagoge, nach der Brandstiftung in der Pogromnacht

Abrißverfügung für die Ruine der Synagoge, nach der Brandstiftung in der Pogromnacht. Ausgefertigt vom Baupolizeiamt Gelsenkirchen, StA 52/2 I

Der in Berlin geborene israelische Antisemitismusforscher Avraham Barkai wies 1988 darauf hin, dass fast alle Synagogen im Reich zerstört worden seien, neuere Forschungsarbeiten des Synagogue Memorial haben dies bestätigt und eine Gesamtzahl von 1.406 vollständig zerstörten Synagogen und Betstuben ermittelt. Von Wiens einst 93 Synagogen etwa überstand nur der Stadttempel in der Wiener Innenstadt die Pogrome unbeschadet.

Von Berlins 14 Synagogen wurden 11 vollständig niedergebrannt, die übrigen drei schwer demoliert. Zerstört wurden ferner etwa 7.500 jüdische Geschäfte, Wohnungen, Gemeindehäuser und Friedhofskapellen. Daraufhin mussten sich viele der jüdischen Kultusgemeinden auflösen; Gottesdienste konnten nur noch privat ohne zeremonielle Gegenstände stattfinden, da vor allem die wertvollen Torarollen verbrannt oder konfisziert worden waren. Die Gottesdienste wurden nun jedoch meist gut besucht: weniger weil die Frömmigkeit wuchs, sondern weil die Mitglieder sich gegenseitig unterstützen mussten, nachdem ihnen jede Existenzgrundlage entzogen, Versammlungen verboten waren und sie die Straßen nur noch unter Lebensgefahr betreten konnten.

Quellenwerk: Wikipedia


Andreas Jordan, November 2005

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