Plötzlich war die Informationstafel verschwunden
Juli 2010: An der mit roter Farbe markierten Stelle befand sich die Informationstafel "Mölders" des stadteigenen Erinnrungs- und Gedenkprojektes "Erinnerungsorte". Jetzt ist sie verschwunden. Wohin - wir wissen es nicht.
Anfang März diesen Jahres fiel uns auf, dass die Informationstafel des Projektes "Erinnerungsorte" am Standort der Gesamtschule Horst verschwunden war, lediglich die Befestigungen waren noch vorhanden. Auch diese sind mittlerweile entfernt worden. Die Stelle, an der die Tafel ursprünglich befestigt war, ist mit roter Farbe markiert.
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Entrüstung über Erinnerungsort
Wir befinden uns im April des Jahres 2009. Die Wogen der kurzzeitigen Entrüstung haben sich schnell geglättet, anscheinend nimmt niemand weiter Anstoß an der "Mölders-Gedenktafel" an der Gesamtschule in Gelsenkirchen-Horst. Zur Erinnerung hier der umstrittene Absatz im Tafeltext:
"Während des "Dritten Reiches" wurde die Schule im Januar 1942 nach Werner Mölders benannt. Werner Mölders wurde 1913 in Rotthausen, das 1924 größtenteils nach Gelsenkirchen eingemeindet wurde, geboren. Er war der höchstdekorierte deutsche Jagdflieger des Zweiten Weltkriegs. Im Nationalsozialismus entsprach er trotz christlich-katholischer Bindungen den soldatischen Idealen der Zeit und ließ sich durch das Regime instrumentalisieren."
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Woran soll diese Tafel eigentlich erinnern?
Bild: Gedenktafel an der Gesamtschule in Horst
40% des Textes enthält die Info, dass da schon länger eine Schule ist. Die restlichen 60% erinnern an die "tragische Heldengestalt" des ehemaligen Namensstifters aus "unserer Mitte". So eine Art "Rückumwidmung" im Kleinformat? Erst die Auswahl des Standortes rückt den "Helden" Mölders in den Focus der Öffentlichkeit, der Text auf der Erinnerungsorte-Tafel hat seinen eigenen Stellenwert. Grundsätzlich: Warum grade diese Schule, dieser Standort? Allein durch die Auswahl des Standortes rückt der Name Mölders unangemessen weit in den Vordergrund.
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Erst Ende 1941, nach Mölders Tod, erfolgt die Umbenennung der Oberschule für Jungen in Gelsenkirchen-Horst in "Werner-Mölders-Schule". Sie trug diesen Namen somit nur eine kurze Zeit, davon ausgehend, das nach 1945 eine Umbenennung erfolgte. Im Jahr 1964 wurde die inzwischen dort beheimatete Realschule in "Geschwister-Scholl-Schule" umbenannt. Hier stellt sich mir die Frage am Rande, wie hieß die Schule bis zur Umbennung 1964?
Als die Schule 1985 zur Gesamtschule wurde, hat man unter Oberbürgermeister Werner Kuhlmann (SPD) den Namen der Schule von "Geschwister-Scholl-Schule" in "Gesamtschule Horst" geändert.
Der Tod von Mölders in der Nazi-Presse
Der Kühnste und Beste - Oberst Mölders †
Berlin, 22. November. Ein hartes Geschick hat es gefügt, daß die deutsche Luftwaffe wenige Tage nach dem Heimgang des Fliegerhelden aus dem Weltkriege, Generaloberst Udet, nun auch den kühnsten und besten aus den Reihen ihrer jungen Jagdflieger verlor: Der Inspekteur der Jagdflieger, Oberst Werner Mölders, ist am 22. November 1941 auf einem Dienstflug mit einem Kurierflugzeug, das er selbst nicht steuerte, bei Breslau tödlich abgestürzt. Vom Feinde unbesiegt, fand der Sieger in 115 Luftkämpfen auf so tragische Weise den Fliegertod.
Die Leistungen und Erfolge dieses von glühendem Kampfgeist beseelten, erst 28jährigen Offiziers, sind ohne Beispiel. Am 15. Juli 1941 verlieh der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht dem Kommodore Oberst Mölders nach seinem 101. Luftsieg im Freiheitskampf des deutschen Volkes als ersten Soldaten der Wehrmacht die höchste Tapferkeitsauszeichnung: Das Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.
In Würdigung der einmaligen Verdienste des Obersten Mölders hat der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht verfügt, daß das bisher von Mölders zu so gewaltigen Siegen geführte Jagdgeschwader in Zukunft seinen Namen trägt. Zugleich hat der Führer für Oberst Mölders ein Staatsbegräbnis angeordnet.
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Aus: Berliner Lokal-Anzeiger vom 22. 11. 1941
Auszug aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Drucksache 15/5426 vom 4. Mai 2005:
[...] Am 25. August 2004 legte das Militärgeschichtliche Forschungsamt sein Gutachten vor. Das Gutachten stützt sich auf eine breite Quellenbasis und schließt neueste Erkenntnisse der militärhistorischen Forschung über die im Sinne der NS-Ideologie konforme Umgestaltung des Wehrmachtsoffizierkorps namentlich in der Eroberungsphase des Zweiten Weltkrieges mit ein.
Dabei wurde deutlich, dass Werner Mölders als mindestens zeitweise Angehöriger der "Legion Condor" unter den Bundestagsbeschluss von 1998 fällt. Nach eigenen Tagebuchaufzeichnungen hat Mölders an der Schlacht um den Ebro-Bogen, die wegen der kaum unterscheidbaren Zuordnung von Kombattanten und Zivilbevölkerung sowie den Zehntausenden von Toten allgemein als "Verdun des spanischen Bürgerkriegs" bezeichnet wird, teilgenommen und war sich der verheerenden Folgen des dabei erfolgten Einsatzes der Luftstreitkräfte durchaus bewusst. Seine Rolle in und seine Bedeutung für die "Legion Condor" sind daher nicht zu marginalisieren.
Mölders, der auch nach seinem Einsatz in Spanien von Hitler persönlich mit den höchsten Orden der Wehrmacht ausgezeichnet wurde, hat bis zu seinem tödlichen Unfall stets im Sinne der Kriegsführungspolitik des NS-Regimes gehandelt. Oberst Werner Mölders und sein Mythos wurden auch aus diesem Grund vom nationalsozialistischen Regime schon zu seinen Lebzeiten für Propagandazwecke genutzt. Insgesamt ist eine kritische Distanz von Mölders zur politischen Führung des NS-Regimes mit dem vorhandenen Quellenmaterial nicht nachweisbar. Auch konnten keine quellengestützten Belege für die These eines katholisch motivierten Widerstands gefunden werden.[...]
Zitat aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Helga Daub,
Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 15/5303 – Betrifft: Traditionswürdigkeit von Werner Mölders
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Offener Brief an den Leiter des Institus für Stadtgeschichte Gelsenkirchen
Sehr geehrter Herr Dr. Priamus,
Die Erwähnung des Nazi-Helden Werner Mölders auf der Erinnerungsorte-Tafel an der Gesamtschule in Horst hat für in der Öffentlichkeit für Entrüstung gesorgt. Auch ich bin der Meinung, dass dieser Absatz im Tafeltext überarbeitet werden sollte. Der umstrittene Passus im Text auf der Tafel bezieht sich ausschließlich auf den Absatz, in dem Werner Mölders Erwähnung findet.
Woran soll die Gedenktafel letztlich erinnern? Der überwiegende Teil des Textes enthält die Info, dass sich dort schon länger eine Schule mit wechselvoller Geschichte befindet. Der umstrittene Teil erinnert an die "tragische Heldengestalt" des ehemaligen Namensstifters aus "unserer Mitte". Erst die Auswahl des Standortes rückt den "Helden" Mölders in den Focus der Öffentlichkeit, der weitere Text auf der Erinnerungsorte-Tafel hat seinen eigenen Stellenwert.
Grundsätzlich: Warum grade diese Schule, dieser Standort? Allein durch die Auswahl des Standortes rückt der Name Mölders unangemessen weit in den Vordergrund. Erst Ende 1941, nach Mölders Tod, erfolgt die Umbenennung der Oberschule für Jungen in Gelsenkirchen-Horst in "Werner-Mölders-Schule". Sie trug diesen Namen somit nur eine kurze Zeit, davon ausgehend, das nach 1945 eine Umbenennung erfolgte. Im Jahr 1964 wurde die inzwischen dort beheimatete Realschule in "Geschwister-Scholl-Schule" umbenannt.
Vor diesem Hintergrund möchte ich mit meiner bereits öffentlich gestellten Frage möchte ich auch Sie ansprechen: Ist es pädagogisch ratsam, die Erinnerungsorte - Gedenktafel an der Gesamtschule in Horst mit unverändertem Text an ihrem jetzigen Platz zu belassen? Ich denke nicht, es sollte sich daher eine angemessenere, auch den heutigen Generationen vermittelbare Lösung finden lassen, zumal es in den meisten Gymnasien und Gesamtschulen in Gelsenkirchen noch immer keine Gedenktafeln für die wirklichen Opfer der NS-Diktatur gibt.
Mit freundlichen Grüßen Andreas Jordan
Dr. Priamus schreibt dazu folgendes:
Zitat: (...) auf Ihren Brief zu der Informationstafel an der Gesamtschule Horst muss ich zunächst auf die Beschlüsse des Rates der Stadt Gelsenkirchen zum Projekt "Erinnerungsorte" verweisen (vgl. Anlage). Dort wurde vorgesehen, dass verschiedene Akteure aus der Bürgerschaft sich an dem Projekt beteiligen können und mit Hilfe des ISG "ihre" Tafel erarbeiten können und sollen.
Und genauso ist es bei der Gesamtschule in Horst gelaufen: Die Initiative zur Schaffung einer Erinnerungsorte-Tafel ging von Gesprächen in und mit der Schule aus und das ISG hat inhaltlich geholfen. Dabei ist dann der heute zu lesende Text (vgl. Anlage) entstanden, der die Geschichte des Schulstandortes schildert, somit notwendigerweise auch die Benennung der Schule im "Dritten Reich" behandelt. Dies hat zur Folge, dass auch kurz auf die Person Werner Mölders eingegangen werden muss. Ein Auslassen dieses negativen Abschnitts der Schulgeschichte wäre nichts anderes als Geschichtsklitterung gewesen. Die Formulierungen zu Werner Mölders entsprechen im Übrigen dem ja insbesondere vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt erarbeiteten Forschungsstand und der recht ausufernden Literatur und öffentlichen Diskussion, in der bedauerlicherweise immer wieder auch relativierende Stellungsnahmen zu finden sind.
Ich sehe also keinen Grund Veränderungen an der Tafel vorzunehmen. (...)
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Zitat aus der WAZ: Heikle Erinnerung
Die Gesamtschule Horst erhielt jetzt eine Gedenktafel als "Erinnerungsort". Darauf ist auch von Werner Mölders zu lesen, einem Gelsenkirchener und Kriegshelden des Nazi-Regimes
Geschichte kann eine spannende, mitunter heikle Angelegenheit sein. Das belegt die Entstehung einer Gedenktafel, die jetzt an der Gesamtschule Horst (Eingang Industriestraße) angebracht wurde. Bei der Einweihung der Erinnerungsort-Tafel waren vor Ort: die Gesamtschülerin Christiane Kaeding und ihr Jahrgangskollege Sven Knez, die an dem Projekt beteiligt waren und die Bürgermeisterin Gabriele Preuß.
Schüler der Jahrgangsstufe 13 hatten sich im Vorfeld mit einem möglichen Text über diesen "Erinnerungsort", ihre Schule, beschäftigt und waren dabei auch auf den Namen Werner Mölders gestoßen. Mölders, in Gelsenkirchen geboren, war einer der berühmtesten Jagdflieger vor ("Legion Condor") und im 2. Weltkrieg. Und nach ihm wurde die Schule im Januar 1942 benannt. Mit "Rücksicht auf seine Familie", so hieß es jetzt, sei der Schüler-Text vom Institut für Stadtgeschichte – zusammen mit Stadt und Demokratischer Initiative - Träger der Aktion "Erinnerungsorte" - bearbeitet worden.
Und so wurde aus Mölders auf dieser Tafel denn auch eher Opfer denn Täter. "Im Nationalsozialismus”, so heißt es jetzt, "entsprach er trotz christlich-katholischer Bindungen den soldatischen Idealen der Zeit und ließ sich durch das Regime instrumentalisieren."
Einmal, so Schulleiter Dirk Steinwede, habe Mölders "die nach ihm benannte Schule auch besucht, vermutlich als er seine Eltern in Rotthausen besuchte". (...) [1]
20 Jahre später, 1964, wurde die dort untergebrachte Realschule nach den Geschwistern Hans und Sophie Scholl benannt, die wegen ihres Widerstandes gegen das Nazi-Regimes hingerichtet wurden. Auf die Frage, warum nicht auch die 1985 an dieser Stelle gegründet Gesamtschule den Namen übernommen habe, sagte Steinwede der WAZ: "Es war damals Prinzip, nur die Stadtteile als Namen zu nehmen."
Aus: WAZ Gelsenkirchen-Buer, 19.11.2008, Christian Scholz
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[1] Anm. Andreas Jordan: Mölders starb am 22. November 1941, erst nach seinem Tod wurde die Schule im Januar 1942 nach ihm benannt.
Artikel sorgte für Unmut
Der in der WAZ Buer veröffentlichte Artikel sorgte für ziemlichen Unmut in den Reihen der Stadtverwaltung. Der Chef des Instituts für Stadtgeschichte sah sich veranlasst, eine öffentliche Stellungnahme abzugeben:
Stellungnahme von Dr. Jürgen Priamus zum Beitrag in der WAZ-Lokalausgabe Buer vom 20. November 2008, gleicher Wortlaut auch in verschiedenen anderen Medien:
Im Buerschen Teil der WAZ wird am 20. November 2008 über die Enthüllung der Gedenktafel an der Gesamtschule Horst im Rahmen der Aktion Erinnerungsorte berichtet. In dem Artikel heißt es u.a.: "Und so wurde aus Mölders auf dieser Tafel auch eher Opfer denn Täter. ‚Im Nationalsozialismus ... entsprach er trotz christlich-katholischer Bindungen den soldatischen Idealen der Zeit und ließ sich durch das Regime instrumentalisieren." Sollte hier durch den Autor Christian Scholz ein Vorgang skandalisiert und dem Institut für Stadtgeschichte Geschichtsklitterung unterstellt werden, ist ein solcher Vorwurf deutlich zurückzuweisen.
Verwunderlich ist insbesondere der Hinweis darauf, dass eine angebliche "Glättung" des Textes mit „Rücksicht auf seine (Mölders’) Familie“ vorgenommen worden sei. Diese Formulierung wurde zum Erstaunen der bei der Tafelenthüllung anwesenden ISG-Mitarbeiter seitens des Leiters der Gesamtschule Horst gebraucht. Eine solche Intention ist auf das Schärfste zurückzuweisen und war zu keinem Zeitpunkt Bestandteil irgendwelcher Überlegungen.
Der Begriff der Instrumentalisierung ist im Übrigen eindeutig. Immerhin gehören zu einem Instrumentalisierungsvorgang zwei Seiten: Jemand der instrumentalisiert und jemand, der instrumentalisiert wird, ohne dies zurückzuweisen. Auch ist nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen seitens der WAZ auf ein Gespräch mit den anwesenden Vertretern des ISG verzichtet wurde, so es denn inhaltlicher Klärung bedurfte. Wie oberflächlich und, bezogen auf die Fakten, wenig präzise die Berichterstattung der WAZ zu diesem Vorgang ist, wird daran deutlich dass Herr Scholz als Autor des Artikels schreibt, Mölders sei in Gelsenkirchen geboren, obwohl sowohl aus dem Text der Erinnerungstafel als auch aus den Eröffnungsansprachen deutlich hervorgeht, dass Mölders in dem seinerzeit selbständigen Rotthausen zur Welt kam, das 1924 nur zum Teil nach Gelsenkirchen eingemeindet wurde.
Das Institut für Stadtgeschichte hat sich im Übrigen sehr frühzeitig mit der Geschichte Mölders’ befasst und war inhaltlich an einem Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes beteiligt, das Grundlage für die Aberkennung der Namensgebung des Jagdgeschwaders 74 und der Kaserne in Visselhövede war, die zuvor den Namen Mölders’ trugen.
Dr. Jürgen Priamus
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Das Mölders-Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA)
Das von Dr. Priamus angesprochene Gutachten des MGFA zur Traditonswürdigkeit vom Werner Mölders kann hier abgerufen werden.
→ Gutachten des MGFA zu Werner Mölders
Die Frage
Vor diesem Hintergrund möchte ich mit meiner bereits öffentlich gestellten Frage alle BürgervertreterInnen und Sachkundige gleichermaßen ansprechen:
Ist es pädagogisch ratsam, die Erinnerungsorte - Gedenktafel an der Gesamtschule in Horst mit unverändertem Text an ihrem jetzigen Platz zu belassen?
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Es sollte sich doch eine angemessenere, auch den heutigen Generationen vermittelbare Lösung finden lassen, zumal es in den meisten Gymnasien und Gesamtschulen in Gelsenkirchen noch immer keine Gedenktafeln für die wirklichen Opfer der NS-Diktatur gibt.
Kommentare zum WAZ-Artikel "Erinnerungsorte/Mölders"
Zitat: Ich möchte auf den Umstand hinweisen, dass die im Rat der Stadt Gelsenkirchen vertretenen Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS90/GRÜNE und die FDP-Ratsgruppe zu allen sich ihnen bietenden Gelegenheiten bestimmt betonen und vortragen, sie die * demokratischen Parteien * im Rat der Stadt Gelsenkirchen würden Politik in Gelsenkirchen betreiben, ist es für den geneigten Leser unverständlich, dass es zu dieser umstrittenen Gedenktafel kommen konnte.
Wenn man die seinerzeitige Initiative hierzu im Kulturausschuss der Stadt Gelsenkirchen (am 27.10.2005 im Rat zur Entscheidung vorgelegt) nachliest, fragt man sich, ob es zu diesem "verbalen Eiertanz" kommen musste. Von Friedhelm M.
Zitat: Mehr als heikel, sondern peinlich. Dies ist wohl die neue Weltoffenheit der Stadt Gelsenkirchen. Fakten ( siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_M%C3%B6lders#cite_note-10 ) bleiben Fakten und die Textgestaltung auf der Standorterinnerungstafel sehr rechtslastig. Hier wird ein Militarist und Befürworter des NS-Regimes entschuldigt. Nicht zu vergessen der freiwillige Einsatz in der Legion Condor in Spanien, welche im Auftrag Hitlers den Faschismus etablierte.
Wenn solche Texte, die eher glorifizierenden als kritischen Charakter haben, unter Mitarbeit der Demokratischen Iniative zuwege gebracht wurden, dann auch noch in einer Schule installiert, ist es nicht verwunderlich, wenn der Neofaschismus immer wieder neue Blüten treibt. Jürgen K.
Zitat: Friedel Pfeiffer hätte der Text nicht gefallen und anderen Horster und Horsterinnen wohl auch nicht. "Nie, nie wollen wir Waffen tragen, nie, nie ziehen wir in den Krieg. Laß' die Herren selber sich da schlagen. Wir machen einfach nicht mehr mit", hatten sie schon in der Weimarer Zeit gesungen. Und auch Rosa Eck hätte dieser Text nicht gefallen. Sie ist in die Schulen gegangen und hat mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Krieg und das nationalsozialistische Unrechtssystem gesprochen und über Opfer, Täter und Mitläufer und die sogenannten Desateure oder Kriegsverweigerer. Krieg, Kriegseinsatz und Militarismus als Beruf entsprachen nicht dem damaligen Zeitgeist, sondern dem einer Schicht. Es ist zu wünschen, dass im Geschichtsunterricht der Schule darüber offen und der historischen Wahrheit
entsprechend informiert wird. Von Marlies M.
Zitat: Als wir in den 80-er Jahren, in meinem Geschichte Zusatzkurs am Max-Planck Gymnasium, über die Widerstandskämpfer in Gelsenkirchen im Nationalsozialismus eine Ausstellung erarbeiteten, durfte die Ausstellung wegen Bedenken einiger "verdienter" Studienräte nicht gezeigt werden. Begründung: Dort seien auch Kommunisten!! aufgeführt. Erst nach langen Diskussionen wurde sie dann "kurz" gezeigt. Jeder hält gerne seine eigene Legende aufrecht. Im übrigen waren dort auch die Biografien von Rosa Eck und Friedel Pfeiffer dokumentiert mit Original Tonaufnahmen. Vielleicht findet sie ja noch jemand in den Tiefen des MPG ? Angela U.
Zitat: Ca. 10 Jahre später, im November 1999, zeigte die "flora" eine Ausstellung mit dem Titel "Verpflichtungen übernehmen und Wahrheiten aussprechen" - Beispiele gesellschaftlichen Engagements in Gelsenkirchen. Zu den Porträtierten gehören u.a. Friedel Pfeiffer, Rosa Eck und Karl Taefler, und auch Gerda und Paul Schubert und Peter Reichmann. Veranstalter war die Stadt Gelsenkirchen, Kulturamt. Damals war Peter Rose Kulturdezernent.
Im Dezember 2006 wurde im Foyer der Volkshochschule eine Ausstellung gezeigt mit dem Titel: Harte Zeiten! Hartz IV: Zum Leben zu wenig ..." Eine Ausstellung des Industrie- und Sozialpfarramtes Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. Die Ausstellung porträtiert u.a. drei Frauen und deren Leben unter den Bedingungen von Hartz IV. Eine Ausstellungstafel, auf der kurz der politische Werdegang einer Frau, Hartz IV-Betroffene und Mitglied der MLPD erläutert wird, musste im Auftrage von Stadtrat Dr. Manfred Beck, Vorstandsbereich 4, Kultur, Bildung, Jugend und Sport, entfernt werden. Und wenn davon auszugehen ist, dass neben den Mitgliedern der Demokratischen Initiative und dem Leiter des Stadtarchivs, auch die Verantwortlichen des Vorstandsbereiches 4 den Text der Horster Tafel mitdiskutiert oder ihm zumindest gekannt und ihm zugestimmt haben, dann stimmt das schon sehr bedenklich. Marlies M.
Fotos: Heike Jordan
Namensgebung für die Gesamtschule Gelsenkirchen-Horst
GELSENZENTRUM e.V. hat die Umbennung der Gesamtschule Horst in "Herman-Neudorf-Gesamtschule" - Schule ohne Rassismus beantragt.
Herman D. Neudorf, Überlebender des Holocaust aus Gelsenkirchen-Horst lebt heute in den USA. Neudorf wurde als Dreizehnjähriger vor den Augen der Mitschüler von der Gestapo aus dem Unterricht heraus verhaftet. Herman Neudorf: "Am 28 Oktober l938 kam ein Polizist in meine Schule, das Realgymnasium Horst - und brachte mich in das Gefängnis in Horst. Ich war gerade 13 Jahre alt. Von diesem Tag an war meine Jugend zu Ende!! Von dort schleppte man mich nach Polen und dann Riga, in das KZ Stutthof und nach Buchenwald wo ich dann 1945 befreit wurde. Vergeben muss man - aber vergessen ist unmöglich."
OFFENER BRIEF
An den Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen
Sehr geehrter Herr Baranowski,
zur Ehrung des in Gelsenkirchen geborenen Herman Neudorf, Überlebender der Shoa, beantrage ich die Umbenennung der Gesamtschule Horst in “Herman-Neudorf-Gesamtschule”. Ich bitte Sie, den Antrag zu prüfen und ggf. weiterzuleiten.
Herman Neudorf lebt heute in den USA, er wurde als Dreizehnjähriger vor den Augen der Mitschüler von der Gestapo aus dem Unterricht heraus verhaftet. Herman Neudorf: “Am 28 Oktober l938 kam ein Polizist in meine Schule, das Realgymnasium Horst - und brachte mich in das Gefängnis in Horst. Ich war gerade 13 Jahre alt. Von diesem Tag an war meine Jugend zu Ende!! Von dort schleppte man mich nach Polen und dann Riga, in das K.Z. Stutthof und nach Buchenwald wo ich dann 1945 befreit wurde. Vergeben muss man - aber vergessen ist unmöglich.”
Mit freundlichen Grüßen, Andreas Jordan
Im Antwortschreiben des Oberbürgermeisters heißt es sinngemäß: "(...) lebende Personen sind als Namensgeber für eine Schule nicht geeignet (...)"
Namensgebung
(...) Ein jüdischer Namenspatron für eine Schultaufe ist sehr wohl geeignet. Die Familie Neudorf war in Horst ansässig, Herman Neudorf ist in Horst geboren. Für seine in der Shoa ermordeten Eltern wurden jüngst in unmittelbarer Nähe der Schule Stolpersteine verlegt, die Stolpersteine werden von Herman Neudorf als Zeichen der Versöhnung gesehen, so ist sein Name für eine Schule, aus der er selbst von den Nazis verschleppt wurde, ein weiteres Zeichen der Versöhnung und hätte einen realen und lokalen Bezug.
Der Name einer Schule sollte Aufgabe und Verpflichtung sein, Erziehung zur Wachheit gegenüber Ungerechtigkeiten im Großen und im Kleinen, Erziehung zu demokratischem Denken und Handeln, Wecken und Fördern der Sensibilität für die Würde jedes einzelnen Menschen, Erziehung zur Toleranz gegenüber allen Mitmenschen, besonders auch gegenüber Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen. So wäre der Zusatz zum Namen "Herman-Neudorf-Gesamtschule" - Schule ohne Rassismus ein klares und eindeutiges Signal und auch Identitätsstiftend.
Eine Schule, die den Namen eines Überlebenden der Shoa trägt, übernimmt damit auch eine Verpflichtung, nämlich für Frieden, Gerechtigkeit, Toleranz und Menschenwürde einzutreten und sich entschieden gegen jegliche Art von Aggressivität, Diskriminierung, Rassismus, politischem Extremismus und übersteigertem Nationalismus zu wenden. Die Namensgebung fördert die Auseinandersetzung mit historischem und politischem Erbe.
Einer Schule einen Namen zu geben, das halte ich für eine gute und selbstverständliche Sache. Jedes Kind hat einen Namen, damit es unverwechselbar für die anderen ist. Auch eine Schule braucht einen Namen, der sie unverwechselbar macht. Natürlich sind SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen mit in den Prozess einer Namensgebung einzubeziehen. (...)
Auszug aus meiner Mail an Schuldirektor Steinwede vom 26. August 2009.
Haltern: Eine Schule wird nach einem Überlebenden der Schoah benannt
The Teacher of Tolerance - Alexander Lebenstein
Das es auch anders als in Gelsenkirchen geht, hat 2003 die Stadt Haltern am See gezeigt. Dort wurde nach dem letzten überlebenden Juden der Shoa aus Haltern, Alexander Lebenstein, eine Realschule benannt, für die Lebenstein auch die Patenschaft übernommen hat. Lebensteins Odyssee durch die Vernichtungslager der Nazis begannn am 27. Januar 1942 in der ehemaligen Ausstellungshalle am Wildenbruchplatz in Gelsenkirchen. Dort wurden Gelsenkirchener Juden ebenso wie Juden aus Haltern, Herne, Wanne-Eickel, Marl, Recklinghausen, Lembeck und Dorsten zur Deportation in die Mordfabriken der Nazis gesammelt.
Ausschnitt aus den Feierlichkeiten anlässlich der Namensgebung in Haltern
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