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Familie Diament aus Gelsenkirchen

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Die Familie Simon Diament

Simon Diament wurde am 10. August 1890 in Lancut, seine Frau Amalie, geborene Weiß, wurde am 6. November 1895 in Brzesko geboren. Die Eheleute Diament kamen nach dem ersten Weltkrieg über Duisburg nach Gelsenkirchen. Simon und Amalie Diament hatten acht Kinder, den am 3. Oktober 1920 geborenen Saul, Leo Yehudah, geboren am 6. Dezember 1921, Ephraim (er nannte sich später Fredy bzw. Fred) geboren am 30. März 1923, Elli, geboren am 5. Januar 1926, Sami Shmuel, geboren am 6. Dezember 1927 und Martin, geboren am 28. September 1933. Ein Kind starb direkt nach der Geburt, ein anderer Sohn wurde nur elf Jahre alt.

Sami Diament

Abb. 1: Sami Diament wurde im KZ Auschwitz ermordet

Familie Diament betrieb in Gelsenkirchen ein kleines Kaufhaus, die "S. Diament, Möbelhaus, Manufaktur, Konfektion, Schuhwaren" an der damaligen Vereinsstr. 62, der heutigen Weberstraße (bis 1937 Vereinsstraße, 1937 bis 1946 Wilhelm-Gustloff-Straße). Die Familie wohnte im gleichen Haus. Mit der Machtübergabe 1933 an die Nazis änderte sich das Leben der ostüdischen Familie drastisch. Die Söhne Saul und Leo waren von der "Polenaktion" am 28. Oktober 1938 betroffen und wurden zunächst nach Bentschen ausgewiesen. Einige Zeit später "durften" sie jedoch nach Gelsenkirchen zurückkehren. Nach der so genannten "Reichskristallnacht" am 9. November 1938 versuchte die Familie vergeblich, Nazi-Deutschland zu verlassen.

Möbel und Wertgegenstände wurden bereits an Verwandte in den USA gesandt. Ein Versuch, Deutschland Richtung Belgien zu verlassen, scheiterte. Sami, von der Familie zu Verwandten in Holland geschickt, wurde nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande von der Verfolgungsmaschinerie der Nazis eingeholt. Sami Diament wurde nach Auschwitz verschleppt und dort am 10. September 1942 ermordet. Nur Saul gelang die Flucht, er kam am 1. September 1939 in Palästina an. Simon Diament und seine Söhne Leo und Ephraim wurden am 9. September 1939 von der Gestapo verhaftet und zunächst in den Gefängnissen Gelsenkirchen und Herne inhaftiert, bevor sie in das KZ Sachsenhausen eingeliefert wurden. Dort blieben die Männer bis Oktober 1942, wurden dann in das KZ Auschwitz verschleppt. Simon wurde bei der Ankunft in Auschwitz von der SS als "nicht mehr arbeitsfähig" eingestuft und ermordet. Leo und Ephraim wurden in das KZ Monowitz (ab Nov. 1943 Auschwitz III) eingewiesen und mußten dort für den IG-Farben-Konzern Zwangsarbeit verrichten. [1]

Jüdischer Widerstandskämpfer im KZ Auschwitz

Leo Yehudah Diament

Abb.2: Leo Yehudah Diament, jüdischer Widerstandskämpfer

Leo Yehudah Diament und zwei weitere Häftlinge wurden am 3. Oktober 1944 vor tausenden Gefangenen, die von der SS gzwungen wurden, die Hinrichtungen mitanzusehen, auf dem Appellplatz gehängt. Janek Grossfeld, ein Medizinstudent aus Krakau, Nathan Weissman, ein Jurastudent aus Lodz und Leo Yehuda Diament waren bei dem Versuch erwischt worden, Kontakt zu polnischen Partisanen aufzunehmen, die ihnen hätten helfen können, einen Massenausbruch aus Auschwitz zu organisieren. Leo Diament wurde als letzter ermordet. Bevor der Henker die Kiste unter seinen Füssen wegstieß, schrie Leo: "Mut, Kameraden! Wir sind die letzten Opfer. Es lebe die Freiheit!"

Siegmund Kalinski, der als 16jähriger in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht wurde, sagte später: "Diesen dreien, Leo, Janek und Nathan, verdanke ich mein Leben. Sie halfen mir in den ersten schweren Tagen in Auschwitz, sie nahmen mich aus dem "Kieskommando Nr. 9", wo tagtäglich abends die Hälfte aller morgens ausgerückten Häftlinge nicht mehr zurückkam und "besorgten" mir einen Platz im Kommando 79 (Schlosser), später in Kommando 26 (Technisches Lager), wo die Arbeit nicht ganz so kräftezehrend war und man immerhin die Hoffnung haben konnte, abends überhaupt wieder ins Lager zurückzukommen".

Überlebender des KZ Auschwitz - Ephraim Diament

Fred Diament aus GelsenkirchenAbb. 3: Fred Diament überlebte das KZ Auschwitz

Ephraim Diament konnte es nicht ertragen, Zeuge der Hinrichtung seines eigenen Bruders zu werden. Ein befreundeter Apotheker brachte ihn zur "Lagerkrankenstation" und behielt ihn dort, bis die Hinrichtungen vorbei waren. Im Oktober 1946 verfasste Emphraim Diament, der sich nun Fredy nannte, im Kibbutz Buchenwald in Afikim eine Denkschrift, die an den Tod dieser drei Mitglieder der jüdischen Widerstandsbewegung im KZ Auschwitz III erinnerte.

Denkschrift: In Memoriam Leo-Yehudah Diament

Kurze Zeit nach diesen Hinrichtungen wurde Ephraim in das Außenlager Gleiwitz verlegt, konnte schließlich auf einem der berüchtigten Todesmärsche im März 1945 fliehen. Nach seiner Befreiung ging er zunächst auf der Suche nach Angehörigen kurz zurück nach Gelsenkirchen, ging dann nach Palästina, emigrierte später in die USA. Dort nahm er dann den Vornamen Fred an. Fred Diament starb am 13. November 2004 im Alter von 81 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung in Los Angels.

Elli Kamm, geborene Diament überlebte Riga und Stutthof

Amalie Diament, ihr jüngster Sohn Martin und Tochter Elli blieben nach der Verhaftung von Vater Simon, Leo und Ephraim im September 1939 allein in Gelsenkirchen zurück. Dem stetig zunehmenden, massiven Verfolgungsdruck der Nazis ausgesetzt, wurden sie schließlich in eines der so genanten "Judenhäuser" an der damaligen Hindenburgstraße 38, heute Husemannstraße, eingewiesen. Am 27. Januar 1942 wurden sie von Gelsenkirchen mit einem Deportationstransport in das Ghetto Riga verschleppt.

Bei der Auflösung des Ghettos Riga im November 1943 wurden ältere Menschen und Kinder, die nach der SS-Logik als nicht arbeitsfähig galten, zur Vernichtung nach Auschwitz transportiert, darunter Amalie und Martin Diament. Beide wurden in Auschwitz ermordet. Die von der SS als "arbeitsfähig" eingestuften Juden wurden in das KZ Kaiserwald in Riga gebracht, unter ihnen war auch Elli Diament. Als die Rote Armee näher rückte, wurde auch das KZ Kaiserwald aufgelöst und wieder wurden die "Arbeitsfähigen" weiter in das KZ Stutthof verschleppt, alle anderen von der SS ermordet. Elli Diament erkrankte an Typhus, entging so auf der "Krankenstation" den Todesmärschen. Sie wurde dann wieder in ein anderes Lager bei Danzig transportiert, wo sie schließlich von der roten Armee befreit wurde. Sie lernte ihren Mann Ben Kamm kennen, heiratete im September 1945. Im Januar 1948 ging sie mit ihrem Mann und einer inzwischen geborenen Tochter in die USA. Dort starb Elli Kamm 2002 im Alter von 76 Jahren.

Die lebensgeschichtlichen Erinnerungen von Fred Diament und seine Schwester Elli Kamm, geborene Diament wurden englischsprachigen Video-Interviews von der "Survivors of the Shoah Visual Vistory Foundation" festgehalten.

→ Video-Interview Elly Kamm

→ Video-Interview Fred Diament

Abschriften der Video-Interviews in Deutscher Sprache

→ Lebensgeschichtliche Erinnerungen von Elli Kamm, geborene Diament

→ Lebensgeschichtliche Erinnerungen von Fred Diament

→ 1996: Fred Diament und Elli Kamm besuchen Gelsenkirchen

→ LA Times: Nachruf für Fred Diament

Abbildungen:
1: ISG-Fotosammlung, Auschnitt aus 11092
2: Yad Vashem Photo Archive, Archival Signature: 3883/2101 Credit: Yad Vashem
3: Yad Vashem Photo Archive, Archival Signature: 3883/2100 Credit: Yad Vashem

[1]: Das Lager Buna (dann Monowitz, später Auschwitz III genannt) war das erste von einem privaten Industrieunternehmen (IG Farben) geplante und finanzierte Konzentrationslager, das ausschließlich für die Zwangsarbeit von Häftlingen vorgesehen war. In diesem Industriekomplex mussten sich Zwangsarbeiter für die deutsche Kriegsproduktion unter Aufsicht der SS zu Tode schuften.

Wegen ihrer Verantwortung für den Einsatz von Konzentrationslagerhäftlingen in Auschwitz III und somit den Tod Tausender wurden die zuständigen Vorstandsmitglieder der IG Farben, Otto Ambros und Heinrich Bütefisch, der Betriebsführer Walter Dürrfeld, die Vorsitzenden Fritz ter Meer und Carl Krauch zu Haftstrafen zwischen fünf und acht Jahren verurteilt, wurden aber schon bald "vorzeitig" aus der Haft entlassen. Die verurteilten Kriegsverbrecher bekleideten schnell wieder hohe Führungspositionen in der deutschen Nachkriegswirtschaft, indem sie alte Seilschaften reaktivierten und die "alten Kameraden" ihnen ihre Ämter zuschanzten - Gajewski war u.a.Aufsichtsratsmitglied der Gelsenkirchener Bergwerks AG, Ambros wurde u.a. Aufsichtratsmitglied der Scholven-Chemie AG Gelsenkirchen, Bütefisch wurde u.a. Aufsichtsratsvorsitzender der Kohle-Öl-Chemie GmbH in Gelsenkirchen, Dürrfeld war u.a. Vorstandsmitglied der Scholven-Chemie AG, Gelsenkirchen-Buer.

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Andreas Jordan, Dezember 2007. Nachtrag November 2011

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