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OnlineProjekt Ausstellung Zeitgeist 1933 - 1945


Das virtuelle ← Projekt "Ausstellung Zeitgeist 1933 - 1945" zeigt Objekte, die auf beklemmende Art den Alltag in Deutschland und den von den Nationalsozialisten besetzten Gebieten verdeutlichen und zum Nachdenken anregen sollen.

Brief an eine Mutter

Dieser Brief ist uns für das Archiv GELSENZENTRUM von einer Gelsenkirchenerin überlassen worden. Diese Zeilen vermitteln einen Eindruck von dem damaligen Zeitgeist. Die Phrasen der NS-Diktatur, die den Tod des Einzelnen als Notwendigkeit und vaterländische Pflichterfüllung sehen, die Verherrlichung der Schrecken des Krieges werden auf beklemmende Art deutlich. Dieses ist nur eines von 55 Millionen Schiksalen - 55 Millionen Menschenleben hat der 2.Weltkrieg gefordert.

Brief Tietz Seite 1

Einsatzosten, den 23.12.42

Sehr verehrte Frau Tietz!

Ich komme einer sehr schweren Pflicht nach, wenn ich heute diesen Brief an Sie richte. Ihr Sohn, der Grenadier Walter Tietz, ist am 21. Dezember seinen schweren Verwundungen, die er am 16.12. erhielt, auf dem Hauptverbandplatz erlegen. Diese harte Nachricht traf auch uns schwer, denn wir hatten gute Hoffnung, als Ihr Sohn am 16.12. weggebracht wurde, nachdem unser Truppenarzt sein Möglichstes getan hatte. - Nun ist es der Kunst der Ärzte doch nicht vergönnt gewesen, sein junges, hoffnungsvolles Leben zu erhalten. Ich will Ihnen, verehrte Frau Tietz, die Umstande der Verwundung Ihres Sohnes schildern. Er stand nachmittags auf Posten am Feinde, es war noch hell und garnichts außergewöhnliches.- Ihr Sohn beobachtete durch eine Brustwehr zum größten Teile geschützt, den gegnerischen Waldrand.

Brief Tietz Seite 2

Ein Gewehrschuß, der wahrscheinlich von einem Sowjetischen Scharfschützen abgegeben worden war, traf Ihn in die linke Brustseite. Die Kameraden seiner Gruppe eilten sofort herbei und leisteten Ihm die erste Hilfe.- Gut in Decken eingehüllt, wurde er schon bald darauf zum Truppenarzt getragen. Schmerzen empfand er nicht, da er gleich bewußtlos war. Die Verwundung war schwer, aber trotzdem gab der Arzt die Hoffnung nicht auf und sorgte dafür, daß er sofort weiter transportiert wurde. Unser aller Wunsch, ihn am Leben zu halten, ist nicht in Erfüllung gegangen. Ein junger Mitkampfer und Kamerad ging von uns. Getreu seinem Fahneneide starb er in vorbildlicher Pflichterfüllung den Heldentod.- Sei es Ihnen in Ihrem großen Schmerz ein Trost, daß er für die Freiheit und Zukunft unseres Volkes starb.- Als Grenadier des Führers mit der Waffe in der Hand stand er für Deutschland auf Posten, als der Soldatentod einen jahen Abschlußstrich unter sein junges Leben zog.

Brief Tietz Seite 3

Wir, die wir weiter leben, nehmen für jeden Kameraden, der von uns scheidet, die doppelte Verpflichtung auf uns, auszuharren und weiterzukampfen bis zum Endsieg.- Morgen wird unser tapferer Grenadier Walter Tietz mit militarischen Ehren beigesetzt. In Olchowka - 25km südwestlich Tschudowo (Wolgagebiet) - wird er auf unserem Heldenfriedhof ruhen. Ich bitte Sie, verehrte Frau Tietz, mir recht bald dieses Schreiben zu bestatigen. Die Nachlaßsachen Ihres Sohnes gehen Ihnen dann zu. Indem ich Sie nochmals meines tiefempfundenen Mitgefühles versichere, bin ich mit ergebenen Grüßen Ihr

Hans Frantzen
Leutnant und Kompanieführer
der Einheit F.P.Nr. 32229 D

Brief Tietz Seite 4

Bestätige die Richtigkeit dieses Briefes durch die Truppeneinheit des Gefallenen. Aushandigung erfolgt durch die Ortsgruppe.

Brands, Ortsgruppenleiter

Geburtsurkunde

Auszug aus dem Sterbe-Hauptregister des Standesamtes Gelsenkirchen-Buer vom 12. Juli 1943:

Walter Tietz, geboren am 30. April 1923 in Gelsenkirchen, Emmyweg 16.

Gestorben im Alter von 19 Jahren in Ljubino/Pole, Rußland.

Andreas Jordan, Dezember 2005