Schweigeminute für die polnischen NS-Opfer
Anlässlich des 70. Jahrestages des Überfalls Hitlerdeutschlands auf Polen am 1. September 1939 ruft GELSENZENTRUM e.V. zu einer Schweigeminute für die polnischen Opfer der NS-Diktatur auf. Wir wollen am 1. September 2009 um 12:00 Uhr innehalten und den Toten gedenken. Diese Geste soll auch ein Zeichen für die Polnisch-Deutsche Aussöhnung, besonders unter Hinblick auf die Städtepartnerschaft Gelsenkirchens mit Olsztyń, sein.
Städtepartnerschaft Gelsenkirchen - Olsztyń (Allenstein)
Mit der Stadt Olsztyń ist die Stadt Gelsenkirchen bereits seit Jahrzehnten befreundet. Im Jahre 1952 ist zunächst eine Patenschaft über Olsztyń entstanden, mit der das Zusammengehörigkeitsgefühl der vielen in Gelsenkirchen lebenden Vertriebenen mit ihrer Heimatstadt gepflegt wurde. Diese Patenschaft wurde, auch vor dem Hintergrund des Deutsch-Polnischen Vertrages vom 18. Juni 1991 über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, im Jahre 1992 in eine Städtepartnerschaft umgewandelt.
Die Stadt Olsztyń zählt zu den jüngsten ermländischen Städten (Stadtrecht seit 1353). Zierde der Stadt ist das gotische Schloss des Domkapitels, der einst - neben der Residenz der Bischöfe in Heilsberg - stärkste Verteidigungskomplex dieses Gebietes aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Bereits im März 1945 wurde im Schloss ein Museum eingerichtet, die erste Kulturstätte dieser Art in den West- und Nordgebieten. Das Museum von Ermland und Masuren spezialisierte sich auf die regionale Problematik, umfasst jedoch mit seinen Sammlungen von großem künstlerischen und historischen Wert u. a. Kunst, Kunsthandwerk und Schrifttum aus ganz Ostpolen.
Im Schloss von Olsztyń hatten seinerzeit die Domverwalter ihren Wohnsitz. Der wichtigste unter ihnen war der Astronom Nicolaus Copernicus, der im Ermland in der Hauptsache als Arzt, Verwalter und eher volkstümlicher Mensch bekannt war. Im Schloss wohnte er in den Jahren 1516 bis 1521. Das noch durch die vorherigen Kriege entvölkerte Umland besiedelte er, vernachlässigte aber darüber seine wissenschaftlichen Arbeiten nicht. Mit Akribie betrieb er seine Himmelsbeobachtungen (später beschrieben in De revolutionibus) und schrieb seine berühmte Abhandlung über die Münzen nieder. Mit der Errichtung eines Planetariums ehrte Olsztyń den 500. Geburtstag Copernicus im Jahr 1973.
Aufgrund vieler Katastrophen (Feuersbrünste) entwickelte sich Olsztyń in der Neuzeit nicht über die seit dem Mittelalter bestehenden Grenzen hinaus. Zur Zeit der preußischen Verwaltung zählte Olsztyń ca. 1.770 Einwohner. In den Jahren 1864 - 1895 stieg die Zahl der Einwohner um mehr als das Vierfache. Dafür war die in zweifacher Hinsicht günstige Lage der Stadt ausschlaggebend. Sie wurde Verkehrsknotenpunkt und Sitz der Verwaltungsbehörde. 1905 wurde Olsztyń Regierungsbezirk, der Ermland und Masuren umfasste (heute: Wojewodschaft).
Zur Zeit des Ersten Weltkrieges zählte Olsztyń ca. 30.000 Einwohner (heute 166.200), hatte eigene Zeitungen (darunter die in polnischer Sprache erscheinende Gazeta Olsztyńska) und eine große Druckerei. Handwerk und Handel blühten, vor allem die Holzindustrie.
Wegen der Bedeutung der Stadt wurde die im Jahre 1945 niedergebrannte Altstadt bald wieder aufgebaut. Rund um den Markt der Altstadt gruppierten sich seit Jahrhunderten die schönsten Wohnhäuser Allensteins. Im 18. Jahrhundert war der Markt schon westlich und südlich von Bogengängen umgeben; sehr stattlich präsentierte er sich um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert. Nach den Vernichtungen im Jahre 1945 gab man ihm einen Barockcharakter (1950 - 1955), der eher an die Architektur im zentralen Polen anknüpfte als an die bekannten Baudenkmäler des ermländischen Barocks. Nach dem Vorbild Warschaus wurde die Altstadt u.a. Künstlern zur Nutzung überlassen. Bis heute spielt dieser Teil von Olsztyń eine kulturell wichtige Rolle.
Vgl: http://www.gelsenkirchen.de/touristik/stadtportrait/allenstein.asp
Der Überfall
Mit dem Polenfeldzug begann das nationalsozialistische Deutsche Reich den Zweiten Weltkrieg in Europa. Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg wird in Deutschland oft als Überfall auf Polen, in Polen als Septemberkampagne (Kampania wrześniowa) oder Verteidigungskrieg von 1939 (Wojna obronna 1939 roku) bezeichnet. Er begann am 1. September 1939 ohne vorherige Kriegserklärung mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen und endete am 6. Oktober mit der Kapitulation der letzten polnischen Feldtruppen, nicht jedoch der ins Exil geflohenen polnischen Regierung.
Der Pakt mit Stalin sorgte für Rückenfreiheit, die Propaganda für die "richtige" Darstellung der Kriegsgründe gegen Polen und der SD mit dem fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz für den geeigneten Auslöser.
Die Luft ist dumpf und schwer. Leichter Regen fällt. Die Nacht vom 31. August zum 1. September 1939 ist dunkel, ohne jeden Stern. Überall an der in weiten Kurven verlaufenden deutsch-polnischen Grenze von Oberschlesien bis zur ost-pommerschen Ostseeküste und im südlichen Ostpreußen rücken die deutschen Truppen in ihre Bereitstellungsräume. Um 4.45 Uhr soll der Angriff auf Polen einsetzen. Schweigend marschieren Infanterie-Kompanien durch die Nacht. Blitzt einmal für einen Moment der Schein einer Taschenlampe auf, glänzen regenfeuchte Stahlhelme. Kochgeschirre klappern leise. Die Stimmung ist ernst. Die deutschen Soldaten wissen, daß hinter der Regenwand, hinter Nebelschwaden, die am Morgen aufkommen, "der Feind" wartet, und vielleicht der Tod. Im Aufzucken von Taschenlampen wandert auf der Armbanduhr der Zeiger vorwärts, 4.30 Uhr, noch 15 Minuten - 4.45 Uhr. Ein einzelnes deutsches Geschütz feuert, dann rauschen und dröhnen die Granaten in der Luft: Der 2. Weltkrieg hat begonnen.
Um den 17. September 1939 herum neigt sich das Ringen dem Ende zu. Finis Poloniae - das Ende Polens. An diesem 17. September flüchten der Marschall, der Staatspräsident und die Regierung nach Rumänien. Am anderen Tag, den 18. September 1939, naht das Ende im Kessel an der Bzura. Zwischen dem 18. und 20. September gehen hier 170.000 Mann polnischer Einheiten in Kriegsgefangenschaft, darunter die Generale Bortnowski und Kutrzeba. Am 28. September streckt Kommandant Rómmel die Waffen. Der Polenfeldzug ist beendet. Nicht aber der Krieg, von dem in jenen Tagen des Sieges noch keiner ahnt, daß es ein Weltkrieg wird, der seinen Vorgänger an Grauen und Schrecken in den Schatten stellen soll. Das Schicksal Polen ist nur ein Vorgeschmack für die nächsten Opfer Hitlers, dessen letztes Opfer schließlich das eigene Volk sein wird.
Warschau brennt
Über Warschau gehen die weißen Fahnen hoch, General Rómmel gibt auf. Am 28. September unterzeichnen General Rómmel und General Blaskowitz die Kapitulation. Die polnischen Offiziere dürfen ihre Degen behalten, Anerkennung für ihre Tapferkeit. Den Unteroffizieren und Mannschaften wird baldige Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft zugesichert, schließlich braucht Hitler Arbeitskräfte im deutsch besetzten Polen. Am 28. September ergeben sich auch die polnischen Kräfte in der Festung Modlin im Norden mit 92.000 Mann, einschließlich der 4.000 Verwundeten in den Lazaretten. Der Krieg in Polen ist zu Ende. Polen verschwindet von der Landkarte.
Im Kriegsverlauf und unter der deutschen Besetzung Polens 1939–1945 verübten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD und Wehrmachtsangehörige teils planmäßig, teils spontan Massenmorde an polnischen Intellektuellen, Priestern, Gewerkschaftern, Adligen und Juden. Dies gilt als der "Auftakt zum Vernichtungskrieg", wie er zwei Jahre darauf im Krieg gegen die Sowjetunion geführt wurde, und zum Holocaust.
Dem deutschen Überfall und der anschließenden Besetzung Polens fielen 5.800.000 Menschen aus dem Polnischen Volk zum Opfer, darunter 100.000 Soldaten, 2.500.000 Zivilisten, 3.000.000 Juden und 200.000 sogenannte Volksdeutsche.
Stiftung Polnisch - Deutsche Aussöhnung / Fundacja "Polsko - Niemieckie Pojednanie
Die Stiftung "Polnisch-Deutsche Aussöhnung" (polnisch Fundacja "Polsko-Niemckie Pojednanie" (FPNP) ist eine Stiftung nach polnischem Recht mit Sitz in Warschau. Sie wurde 1992 im Rahmen deutscher Entschädigungszahlungen an polnische NS-Opfer gegründet. Ihre Hauptarbeitsfelder sind die Bereitstellung humanitärer und finanzieller Hilfen für Opfer der NS-Diktatur sowie die Bereiche historische Bildung und Polnisch-Deutsche Begegnungsprojekte.
→ Offizieller Internetauftritt der Stiftung (deutsch/polnisch)
Aufruf des damaligen Staatspräsidenten Ignacy Moscicki an das polnische Volk
Obywatele Rzeczypospolitej!
Nocy dzisiejszej odwieczny wróg nasz rozpoczał działania zaczepne wobec Państwa Polskiego, co stwierdzam wobec Boga i Historii.
W tej chwili dziejowej zwracam się do wszystkich obywateli państwa w głębokim przeświadczeniu, że cały Naród w obronie swojej Wolności, Niepodległosci i Honoru skupi się dokoła Wodza Naczelnego i Sił Zbrojnych oraz da godną odpowiedź napastnikowi, jak to się już nieraz działo w historii stosunków polsko-niemieckich.
Caly Naród Polski, pobłogosławiony przez Boga, w walce o swoją swiętę i słusznę Sprawę, zjednoczony z Armię pójdzie ramię przy ramieniu do boju i pełnego zwycięstwa.
Ignacy Mościcki
Prezydent Rzeczypospolitej
Warszawa, dnia 1 wrzesnia 1939 roku.
Bürger der Republik!
In der heutigen Nacht begann unser uralter Feind Angriffshandlungen gegen den polnischen Staat, was ich vor Gott und der Geschichte feststelle.
In diesem historischen Augenblick wende ich mich in der tiefen Überzeugung an alle Staatsbürger, dass das ganze Volk sich in der Verteidigung seiner Freiheit, Unabhängigkeit und Ehre um den Oberbefehlshaber und die Streitkräfte konzentriert und dem Angreifer eine angemessene Antwort gibt, wie sich dies schon oftmals in der Geschichte der polnisch-deutschen Beziehungen ereignet hat.
Das ganze polnische Volk, das von Gott gesegnet [und] im Kampf um seine heilige und gerechte Sache mit der Armee vereinigt ist, geht Arm in Arm in den Kampf und zum vollen Sieg.
Ignacy Moscicki
Der Präsident der Republik
Warschau, den 1. September 1939.
Quelle: Aufruf an das polnische Volk durch den Staatspräsidenten Ignacy Moscicki vom 1. September 1939
Aus: Polska Zbrojna (Bewaffnetes Polen) vom 2.9.1939.
In: Dokumente und Materialien zur ostmitteleuropäischen Geschichte
Modul Zweite Polnische Republik, übersetzt von Heidi Hein, URL: http://quellen.herder-institut.de
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