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9. November 2009 in Gelsenkirchen

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Gedenken in Gelsenkirchen

Gedenken an die Pogromnacht 9. November 1938: Braune Geister austreiben

Kolumne von Oberbürgermeister Frank Baranowski vom 5. November 2009:

Liebe Gelsenkirchenerinnen, liebe Gelsenkirchener!

Der 9. November ist seit vielen Jahren in unserer Stadt ein lebendiger Gedenktag. Indem wir ihn begehen, erinnern wir an vergangene Gräuel und gleichzeitig daran, wie erschütternd wenig es mitunter braucht, um Hass, Aggressionen und diffuse Ängste unter Menschen ausbrechen zu lassen. Am 9. November 1938 - in der zynisch so genannten "Reichskristallnacht" - brannten auch in Gelsenkirchen die Synagogen, Geschäfte jüdischer Bürgerinnen und Bürger wurden geplündert und zerstört, sie selbst gedemütigt und gequält. Unser Gedenken hält die Erinnerung daran wach, was Menschen Menschen antun können. Und es ist uns gleichzeitig Mahnung, heute aufzuschreien und uns einzumischen, wann immer Menschen von anderen Menschen ausgegrenzt, eingeschüchtert und herabgesetzt werden.

Auch in Zeiten des Nationalsozialismus gab es durchaus Menschen, die sich Reste von Anstand und Mitmenschlichkeit bewahren konnten. Nicht umsonst versammeln wir uns in diesem Jahr auf dem Rudolf-Bertram-Platz vor dem Horster Krankenhaus. Rudolf Bertram war zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Chefarzt des St. Josefs-Hospitals. Als am 11. September 1944 Bomben aufs Horster Gelsenberg-Hydrierwerk fielen, waren vor allem ungarische Jüdinnen, von denen 2.000 dort im Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald Zwangsarbeit leisten mussten, unter den Opfern. Sie durften die vorhandenen Bunker nicht aufsuchen. Viele der Verletzten wurden anschließend in den umliegenden Krankenhäusern behandelt. Rudolf Bertram, den Ordensschwestern und großen Teilen der Belegschaft gelang es auf diese Weise, 17 Jüdinnen dauerhaft bis zum Kriegsende dem Lagerbetrieb zu entziehen. Sie retteten ihnen dadurch das Leben.

Das waren sicher nicht alles Helden. Es waren Menschen, die, wie wir Menschen nun einmal sind, vielfach auch kleinmütig, auch träge, auch gedankenlos gewesen sein mögen. Aber es waren Menschen, denen im entscheidenden Moment das nicht abhanden gekommen ist, was es heißt, Mensch zu sein: eine Grundsolidarität, Mitleid, Empathie.

Zeichen setzen gegen Intoleranz, Hass und Gewalt

Dieses Beispiel sollte uns Mut machen und uns auch heute zeigen, dass es auf jeden einzelnen ankommt, sich nicht wegzuducken, Verantwortung nicht abzuschieben, wachsam zu sein. Sie wissen es alle: Diejenigen, die es zu ihrem Programm gemacht haben, dass einige Menschen doch gleicher seien als andere, diejenigen, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben, dass nicht jeder Gelsenkirchener, nicht jede Gelsenkirchenerin gleichwertig sei, diejenigen, die es kognitiv und psychisch nicht verarbeiten können, dass andere Menschen anders sind als sie selbst - diejenigen haben in unserem Schloss Horst im Juni dieses Jahres ihren Landesparteitag abgehalten. Wir als Stadt haben uns bis zuletzt dagegen gewehrt, mussten es aber am Ende hinnehmen, dass ein Ort, der als Veranstaltungsort für alle Menschen dieser Stadt gedacht ist, von denen missbraucht wird, die andere ausschließen wollen.

Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt haben in jüngerer Zeit mehrfach eindrucksvoll Stellung gegen die rechten Umtriebe bezogen. Der 9. November soll uns in diesem Jahr abermals Anlass sein, die braunen Geister aus unserem demokratischen Gemeinwesen auszutreiben. Dazu verpflichtet uns das Gedenken an begangenes Unrecht ebenso wie die Erinnerung an aufrechte Menschen. Wir wollen alle zusammen deutlich machen: Gelsenkirchen ist eine Stadt für alle! Machen Sie mit!

Ihr Frank Baranowski

Quelle: Stadt Gelsenkirchen

Gedenken in Gelsenkirchen

Bilder: Heike Jordan, GELSENZENTRUM E.V.

Videoimpressionen von der Gedenkfeier am 9. November 2009 in Gelsenkirchen-Horst


Andreas November 2009

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