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Ein Stolperstein für Friedrich Wessel

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Wir erinnern an Friedrich Wessel

Verlegeort Sedanstrasse 7 in Wattenscheid

Verlegeort Sedanstrasse 7 in Wattenscheid. Foto: Dennis Luc.

Friedrich Wessel, geboren am 6. Juli 1902 in Ückendorf, heute Gelsenkirchen, Plakatmaler von Beruf, wohnhaft in Wattenscheid (heute Bochum-Wattenscheid), zuletzt Sedanstraße 7, Verhaftung, Gefängnis- und Zuchthaushaft, sogenannte Schutzhaft am 7. Januar 1942 durch die Staatspolizei Bochum nach Verbüßung der Haftstrafen, Deportation in das KZ Buchenwald am 13. Februar 1942, dort „K“-Häftling, d.h. Strafkompanie, ermordet am 7. Mai 1942, angeblich auf der Flucht erschossen.


Was wissen wir von ihm?

Friedrich Wessel kam 1902 als Sohn des Bergmannes Ferdinand Wessel und von Wilhelmine, geborene Wicht, zur Welt. Die Eltern haben sein schreckliches Ende nicht mehr miterleben müssen. Der Vater starb 1918, die Mutter 1931 in Wattenscheid. Er hatte eine ältere und eine jüngere Schwester und zwei ältere Brüder, Emil, ebenfalls Bergmann und Ferdinand, Arbeiter. Bis auf seine jüngere Schwester er- und überlebten die Geschwister die Nazizeit und wussten von seinem Ende im KZ. Zu seiner älteren Schwester Maria hatte Friedrich nach den wenigen erhaltenen Unterlagen wohl ein gutes Verhältnis, denn er wohnte zuletzt im gleichen Hause und gab ihre Anschrift in Buchenwald als nächste Angehörige an.

Die Geldkarte aus dem KZ Buchenwald, ausgestellt für Friederich Wessel

Foto: "Geldkarte" aus dem KZ Buchenwald, ausgestellt für Friederich Wessel. Von Wessel persönlich existiert heute nur noch eine Unterschrift, die er auf einer sog. Geldkarte im KZ Buchenwald hinterließ.

Wann und weshalb gegen Wessel erstmals von der Polizei ermittelt wurde, ist unbekannt. Es steht jedoch fest, dass er am 7. Januar 1942 von der Bochumer Polizei in Schutzhaft genommen wurde. Zuvor war er bereits mehrfach bestraft und zu insgesamt zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden und außerdem zu einem Jahr und neun Monaten Zuchthaus mit drei Jahren Ehrverlust. Die genauen Zeitpunkte und die Orte, an denen er die Strafen verbüßen musste, sind unbekannt. Fest steht, dass er als Homosexueller nach § 175 verfolgt wurde und daneben wegen Diebstahls und Münzvergehens.

Am 13. Februar 1942 findet sich sein Name auf der Zugangsliste des KZ Buchenwald bei Weimar, er „wird“ dort zur Nummer 6835 gemacht, die vor ihm schon 4 andere Häftlinge trugen. Er wird als Homosexueller gekennzeichnet, wird sofort „K“- Häflting, d.h. der Strafkompanie zugeordnet und zu den schwersten Arbeiten im Steinbruch von Buchenwald gezwungen. In Buchenwald-Dokumenten wird Wessel als „BV Homosex.“, d.h. Berufsverbrecher stigmatisiert. Diese Kategorisierung wurde denjenigen zuteil, die von den Nationalsozialisten als Wiederholungstäter nach §175 angesehen wurden, d.h. die nach Ansicht der NS-Justiz mehr als einen Mann „verführt“ hatten.

Gunter Demnig verlegt in Wattenscheid den Stolperstein für Friedrich Wessel

Gunter Demnig verlegt in Wattenscheid den Stolperstein für Friedrich Wessel. Foto: Dennis Luc.

Wie viele andere Häftlinge in der Strafkompanie überlebte er die Torturen, Quälereien und die schwerste körperliche Zwangsarbeit nicht. Die Inhaftierten wurden im Steinbruch und bei anderen Zwangsarbeiten systematisch zu Tode geschunden.Im Falle von Friedrich Wessel dokumentierten zwei SS-Männer, nämlich der Todesschütze aus der KZ-Wachmannschaft und der leitende KZ-Arzt, akribisch das Mordgeschehen. Wessel wurde am 7. Mai 1942 um 11.50 Uhr mit „4 Schuss“ „auf der Flucht erschossen“.

Oftmals verbarg sich hinter dieser Formulierung eine beliebte Mordmethode der SS-Leute: Dem Häftling wurde die Mütze vom Kopf gerissen und hinter die Postenkette geworfen. Wurde dem Befehl, die Mütze wiederzuholen, nicht gefolgt, folgten schlimmsten Prügelstrafen und körperliche Gewalt. Befolgte er aber den Befehl und überschritt dabei die Postenkette der Wachleute, wurde der Häftling „auf der Flucht“ von hinten erschossen. Der SS-Arzt beschrieb schriftlich minutiös die Art der Einschüsse bei Wessel und zählte außerdem noch einen weiteren Streifschuss. „ (...) 5. Kopfschuß: Einschuß: Rückseite, 8 cm vom re. Ohr entfernt, Höhe 7 cm über dem Hinterhauptloch; Ausschuß: Vorderseite, links, 3 cm über dem linken Auge. Durch den letzteren Schuß wurde die Schädeldecke vollständige zertrümmert unter Zerstörung und Herausschleuderung der Hirnmasse, sodaß der Tod sofort eintrat. Eine andere als die oben erwähnte Gewaltein-wirkung ist mit Sicherheit auszuschließen. Der Lagerarzt K.L.Bu. (...)“

Friedrich Wessel wurde nur 39 Jahr alt.

In Buchenwald war er einer von mehr als 600 bisher namentlich bekannten Männern, die dort als Homosexuelle interniert waren. Nur wenige haben überlebt.

Die Initiative, Recherchen und Bericht zum Leben und Tod von Friedrich Wessel stammen von Jürgen Wenke, die Patenschaft zu dem Stolperstein hat der Verein → Rosa Strippe e.V. in Bochum übernommen. Einen vollständigen und umfangreichen Bericht mit Quellenangaben und Literaturhinweisen erhalten Sie per mail an → orga@rosastrippe.de

Mit freundlicher Genehmigung steht hier der vollständige und umfangreiche Bericht von Jürgen Wenke "Eine andere als die oben erwähnte Gewalteinwirkung ist mit Sicherheit auszuschließen" als PDF-Datei zum Download bereit.

PDF - Ein Stolperstein für Friedrich Wessel → Dokumentation: "Eine andere als die oben erwähnte Gewalteinwirkung ist mit Sicherheit auszuschließen"

Der Stolpersteine für Friedrich Wessel wurde am Montag, den 19. September 2011, von dem Künstler Gunter Demnig vor dem Haus in der Sedanstr. 7 in Bochum-Wattenscheid verlegt.

Stolperstein für Friedrich Wessel, Bochum-Wattenscheid, Sedanstrasse 7

Stolperstein für Friedrich Wessel, Bochum-Wattenscheid, Sedanstrasse 7. Foto: Dennis Luc

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Email an Andreas Jordan schreiben Andreas Jordan, Sept. 2011. Gelsenzentrum - Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte

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