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Abb.: Eugene Black kurz nach der Ankunft in Auschwitz-Birkenau im Mai 1944Eugene Black erlitt 12 Monate lang schreckliche Qualen, er wurde von den Nazis in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, nach Buchenwald und nach Mittelbau-Dora verschleppt, bis er schließlich von britischen Truppen in Bergen-Belsen befreit wurde. Der britische Holocaust-Überlebende Eugene Black, der seinen tschechischen Namen Jenö Schwarcz nach seiner Befreiung anglisierte, erzählte uns gestern bei unserem Treffen in Gelsenkirchen-Horst aus der schrecklichsten Zeit in seinem Leben. |
Erst mehr als 51 Jahre nach den damaligen Erlebnissen, die er als 16jähiger Junge in den Mordfabriken der Nazis erleben mußte, war es ihm möglich, über das Erlebte zu sprechen. Heute geht der alte Herr in britischen Schulen und Universitäten, um von der schrecklichsten Zeit in seinem Leben zu berichten. Seine Tochter Lilian ist aktiv im Management der Holocaust Survivors Friendship Association (HSFA) in Leeds, UK, tätig.
"Wir wußten ja nicht, wo die Fahrt in den Viehwagons enden wird. Der Zug hielt zwischendurch immer mal wieder an, die Dampflok brauchte ja Wasser. Kinder und alte Menschen waren die ersten in den verriegelten Wagons, die auf der Fahrt starben. Nach drei Tagen, als der Zug hielt, hatten wir schließlich Auschwitz-Birkenau erreicht. Wir wussten ja erst garnicht, wo wir waren. Dann die Rampe, Selektion: "Links, Rechts, Links, Beeilung, ihr dreckigen Juden!"- diese Mörder schlugen, traten und beschimpften uns, enschieden durch eine Handbewegung, einem Lidschlag, wer sofort in den Gastod gehen sollte."
"Ich wurde ich von meiner Mutter und zwei Schwestern sofort getrennt," erzählt Eugene uns, "Fünf Minuten später wurde ich von meinem Vater getrennt. Ich habe sie alle nie wieder gesehen. Wir mußten uns ausziehen und wurden am ganzen Körper rasiert, anschließend mussten wir die Unterwäsche der soeben ermordeten Menschen anziehen. Mein Block lag in der Nähe des Krematoriums. Ich sah den Feuerschein, den Rauch aus dem Kamin quellen. Überrall war der Gestank von verbranntem Fleisch, Menschenfleisch. In dem Moment wurde mir bewusst, das es vielleicht meine Familie war, die da grade verbrannt wurde. Bei meinem Besuch des Archivs des Internationalen Suchdienstes (ITS) in Bad Arolsen jedoch entdeckte ich, dass meine Schwestern nicht, wie ich geglaubt habe, für den Tod in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau, sondern für Sklavenarbeit in Gelsenkirchen ausgewählt worden waren."
Unter den Aufzeichnungen in Bad Arolsen befindet sich auch die Karteikarte von Jenö Schwarcz, der nach seiner Befreiung aus dem KZ Bergen-Belsen als Übersetzer in der britischen Armee arbeitet. Er nennt sich Eugene Black, kurz bevor er im Jahr 1949 nach Großbritannien emigriert. Die Akten zeichnen seinen Lebensweg auf, sie dokumentieren wie er nach 10 Tagen im KZ Auschwitz-Birkenau für die Überführung nach Buchenwald ausgewählt wurde, bevor er von dort zum KZ Dora-Mittelbau in der Nähe von Nordhausen im Harz deportiert wird, um als Sklavenarbeiter an dem so genannten "Wunderwaffenprogramm" Hitlers, der Herstellung der V-1 und V-2 Raketen, eingesetzt zu werden.
"Während der Räumung von Abraummaterial in den Tunneln des KZ Mittelbau-Dora, meist mehr als 14 Stunden pro Tag, gab es nur wenig Essen. Nur eine dünne Suppe, mit ein, zwei auchmal drei kleinen Kartoffelstücken. Später gab es in der Suppe nur noch verfaulte Kartoffelstücke. Zusätzlich gab es morgens eine schwarze Flüssigkeit. Es herrschten im Tunnel katastrophale hygienische Zustände. Es war kalt und feucht, so bekam ich eine Lungenentzündung. Ich wurde zum nahe gelegenen "Kleinen Revier" überführt, wo ich einem deutschen Luftwaffenarzt, der nach einer Verwundung an der russischen Front nun seinen Dienst in Dora-Mittelbau versah, die Rettung meines Lebens verdanke. Dieser Arzt hat mir leichte Arbeitsaufgaben verordnet. Jeden Morgen, während ich im so genannten "kleinen Revier" lag, begrüßte er mich mit den Worten: "Wo ist denn mein kleiner Jude?"
"Die Deutschen waren im Erstellen von Aufzeichnungen hervorragend," sagt Eugene Black weiter. "Aber ich hatte keine Vorstellung davon, dass sie es mit einer derartigen Detailversessenheit taten. So habe ich eine Datei in den Archiv-Aufzeichnungen gefunden, in der die Anzahl der Läuse von Häftlingen dokumentiert ist. Während einer Inspektion von 667 Gefangenen im Block 6 des Lagers von Grossrosen im heutigen Polen am 28. November 1944, trotz des bevorstehenden Zusammenbruchs der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie, zählten die Aufseher peinlich genau 39 Läuse. Was nicht stimmte, denn ein jeder von uns hatte hunderte Läuse!" dabei lacht Eugen Blank verschmitzt, ganz so, als hätte er den Nazis zumindest ein spätes Schnippchen geschlagen.
Für Herrn Black ist das Archiv beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen mehr als die reine Dokumentation der Schrecken des Krieges: "Es macht solch einen großen Unterschied, zu sehen das dass, womit ich gelebt habe, wahr ist. Weil es dort schwarz auf weiß dokumentiert ist. Ich kann nicht erklären, was es bedeutet, endlich diese schreckliche Erfahrung in meinem Leben abzuschließen. Es ist unglaublich."
Eugene Black sagte uns, das er für seine beiden Schwestern Jolán und Paula Schwartz jeweils einen Stolperstein spenden möchte. Zum Abschied übergab er mir in dem Cafe an der Gelsenbergstrasse ein Päckchen Zündhölzer mit der Maßgabe: "Wir sehen uns wieder, mit diesen Zündhölzern möchte ich im nächsten Jahr wieder ein Licht am Denkmal auf dem Horster Südfriedhof für meine Schwestern und all die anderen Opfer, die auf Gelsenberg zu Tode gekommen sind, entzünden." Und dabei lächelt er.
Auf der Internetpräsenz der Holocaust Survivors Friendship Association (HSFA) ist die Lebensgeschichte von Eugene Black videografisch dokumentiert, Transkriptionen sind als PDF-Dokumente in englischer Sprache abrufbar.
→ Eugene Black - Slave Labourer and Camp Survivor
Der "Daily Telegraph" schrieb am 22 August 2008:Bergen-Belsen survivor learns of sisters' fate 64 years onUntil two weeks ago, British holocaust survivor Eugene Black assumed his sisters had died in Auschwitz Eugene Black found the archive revealed that his sisters had been killed instead in an Allied bombing attack on the factory where they had been forced to work near Buchenwald. Then he visited Germany's biggest wartime archive, where a major new effort has just begun to make its unparalleled records more widely available, and discovered they had been spared. "When we arrived at Auschwitz I was immediately separated from my mother and two sisters," he said yesterday, from his home near Leeds. "Five minutes later I was separated from my father. I never saw any of them again." After accessing the files at Bad Arolsen in central Germany however, Mr Black, a Czech Jew deported to the Nazi's most notorious camp in May 1944, discovered that his sisters like him had been selected not for death but for slave labour teams. "After 64 years believing they had perished in the gas chambers with my mother the documents came as such a shock," he said. Mr Black endured a horrific 12-month ordeal that saw him transferred through a series of camps until he was eventually liberated by British troops at Bergen-Belsen. At Bad Arolsen he learned that his sisters had also avoided the gas chambers. But to his horror, Mr Black, who anglicised his Czech name Jeno Schwarcz, found the archive revealed that they had been killed instead in an Allied bombing attack on the factory where they had been forced to work near Buchenwald. "It's unbelievable. It still has to sink in," he said. "I've had to think things through again. But at least they died together and weren't gassed. "It must have been a terrible death in the chambers," he added. Mr Black's visit to Bad Arolsen two weeks ago came as the archive launched a new programme to digitise a wealth of documents from millions of "displaced persons" (DPs) after the war. Tales from concentration camp survivors, refugees, exiles, and even Nazis trying to secure anonymity by submerging themselves in the human flood, are testament to a shattered continent. "This part of the archive has never been studied by historians," said spokeswoman Kathrin Flor. "It gives a fantastic portrait of Europe after the war: who was where, who survived the camps, where they were all going." Bad Arolsen has spent almost 150,000 pounds to acquire scanning equipment to digitise its post-war archive in more than 20 million images. The records being photographed include the 75,000 files of those 'DPs' who found their way to the UK after the end of the conflict. Among the records being photographed is the CM1 (Care and Maintenance) card of Mr Black, then Eugene Schwarcz, made shortly before he emigrated to Britain in 1949 after working as a translator with the British army. Above a boyish photograph it provides a grim record of his year-long odyssey as a 16 year-old through the network of camps built for genocide from Poland to the German border with France. It shows how, after 10 days at Auschwitz he was selected for transfer to Buchenwald before being sent from there to Dora-Mittelbau camp in central Germany to work as a slave labourer on Hitler's "wonder weapon" programme of V-1 and V-2 rockets. It was while clearing tunnels for 14 hours a day with little food that he caught pneumonia and was sent to the nearby Harzungen sub-camp, where he credits a German air force doctor with saving his life, by prescribing him light work duties. That crucial medical order is included in his Bad Arolsen file. "The Germans were brilliant at keeping records," he said. "But I had no idea they went into such detail." One file in the archive notes, for example, the number of lice found during an inspection of 667 prisoners in Block 6 of the Grossrosen camp, in today's Poland, on November 28th, 1944. Despite the imminent collapse of the Nazi war machine, camp guards meticulously counted 39 lice. For Mr Black however, the efforts underway at Bad Arolsen are about more than just documenting the horrors of the war."It made such a big difference to me to see that what I have been living with is true. Because it's there in black and white. I can't explain what it meant to close at long last this terrible experience in my life. It's just unbelievable." By Harry de Quetteville in Bad Arolsen; The Daily Telegraph, UK. |
Mr. John Chillag, Überlebender der Shoa, schrieb am 31. Juli 2008 an GELSENZENTRUM:
"Zwei Verwandte meines Freundes Eugene Black, ungarische Jüdinnen, waren Zwangsarbeiterinnen bei der Gelsenberg Benzin AG. Sie sind wahrscheinlich durch Bombardierung am 11. September 1944 ums Leben gekommen. Sie waren: Paula Schwartz geboren am 30. November 1920, Häftlingsnummer 11050 und Jolán Schwartz geboren am 18. November 1922, Häftlingsnummer 11415. Haben Sie Informationen darüber?"
Zitat aus dem Antwortschreiben von GELSENZENTRUM:
Sehr geehrter Herr Chillag, (...) Leider muss ich Ihre Vermutung bestätigen. Die von Ihnen genannten Frauen, Paula Schwartz und Jolan Schwartz sind bei den Bombardierungen zwischen dem 11. und 13. September 1944 getötet worden. Ihre Namen finden Sie auf der → virtuellen Gedenktafel für die Opfer vom Gelsenberglager. (...)
Am 21. März 2009 starb John Chillag in St. Gemma's Hospice Leeds, UK.
Andreas Jordan, September 2009. Nachtrag November 2016 |