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Helmut "Hello" Silberberg - heute Ed Silverberg

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Helmut Silberberg

Helmut Silberberg, etwa 1938

Abb.: Helmut Silberberg, um 1938

Helmut Silberberg wurde am 10. Juni 1926 in Gelsenkirchen geboren, die Geburt fand in der elterlichen Wohnung in der damaligen Industriestraße 42 in Schalke statt. Im Alter von sieben Jahren wurde Helmut eingeschult, er besuchte die jüdische Volksschule an der Ringstraße 44. Bis zum Jahr 1936 wurden in dieser Schule in drei Klassen bis zu 155 Kinder unterrichtet. Später wurden die jüdischen Kinder in einem alten Schulgebäude an der Josefstraße unterrichtet. Wie alle jüdischen Kinder in dieser Zeit war auch Helmut täglich den Boshaftigkeiten und der Diskriminierung durch nichtjüdische Kinder ausgesetzt.

Helmut Silberberg, etwa 1938

Abb.: Das Bekleidungshaus Silberberg befand sich an der Bochumer Strasse 12/Ecke Wiehagen

Seine Ferien verbrachte Helmut regelmäßig bei den Großeltern mütterlicherseits in Amsterdam. Dadurch lernte Helmut die holländische Sprache und beherrschte sie fast perfekt. Am 10. November 1938 schickten Helmuts Eltern den damals 12jährigen Sohn zu den Großeltern nach Amsterdam. Hintergrund waren die Ereignisse in der Nacht zuvor, es war die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, die so genannte "Reichskristallnacht". Auch in Gelsenkirchen steckten die Nazis die Synagoge in Brand, prügelten und mißhandelten die jüdischen Menschen, jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert. Auch dass Geschäft von Leo Silberberg am Bochumer Strasse/Ecke Wiehagen gelegen, wurde - wie fast alle Geschäfte jüdischer Inhaber - zerstört. Mutter Silberberg wurde von den Nazis in der Pogromnacht schwer mißhandelt.

Bekleidungshaus Silberberg in Gelsenkirchen, etwa 1925

Abb.: Bekleidungshaus Silberberg, etwa 1925. Foto aus Privatbesitz von Ed Silverberg, mit freundlicher Genehmigung

Tante Hulda

Am 22. Juni 2010 wurde an der Bochumer Strasse 45 in Gelsenkirchen ein Stolperstein zur Erinnerung an Hulda Silberberg verlegt, die dort einst wohnte

Abb.: Am 22. Juni 2010 haben wir an der Bochumer Strasse 45 einen Stolperstein zur Erinnerung an Hulda Silberberg verlegt.

Hulda Silberberg, einzige Schwester des Vaters von Helmut, wurde von den Nazis in den Tod getrieben. Angesichts der bevorstehenden Deportation beging sie am 3. Januar 1942 im Alter von 58 Jahren Selbstmord. In einem Brief aus dieser Zeit heißt es, sie habe sich mit Tabletten vergiftet. Hulda Silberberg wurde auf dem jüdischen Friedhof Gelsenkirchen-Ückendorf begraben. Der "Deutsche Reichsanzeiger" vom 31. Mai 1943 veröffentlicht ihre Enteignung: Hulda Silberberg, geboren am 24.05.1883 in Schubin, Vermerk "Jüdin". Datum der Verfügung 20. Juli 1942, Unterzeichner: Röer/Münster

Auszug aus dem Brief vom 6. Januar 1942 von Mathilde

Abb.: Auszug aus einem Brief von Mat- hilde "Tilla" Wertheim, geb. Goldschmidt an ihre Schwester Hilde. Dort heißt es, Hulda Silberberg habe sich "mit Tablet- ten" vergiftet.

Ed Silverberg schreibt an Gelsenzentrum: "Tante Hulda war niemals verheiratet und wurde von ihrem Bruder unterstützt. Als Kind, und auch als Schuljunge habe ich sie oft auf der Bochumer Strasse getroffen. Jedes mal bekam ich von ihr 10 Pfennige für Laugenbretzel, die ich mir dann am Bahnhof kaufte. Ich kann mich erinnern, dass mein Vater und Onkel, Hermann Silberberg, sie öfters besuchten. Mein Cousin Erich und seine Eltern bekamen Visa für Bolivien und wollten Tante Hulda mitnehmen, sie aber hat sich geweigert und wollte in Gelsenkirchen bleiben".


In Amsterdam

Anne Frank im Alter von dreizehn Jahren

Abb.: Anne Frank starb Anfang März 1945 im KZ Bergen-Belsen

Vier Jahre lebte Helmut Silberberg, oder "Hello", wie sein Opa ihn nannte, bei den Großeltern in Amsterdam, als 16jähriger lernte er die damals 13jährige Anne Frank kennen. Anne und Hello waren befreundet, gingen gemeinsam spazieren oder trafen sich zu Hause. Ihnen waren aufgrund der Gesetze gegen Juden alle anderen Freizeitbeschäftigungen verboten.

Anne Frank schreibt dazu am 14. Juni 1942 in ihr berühmtes Tagebuch: "Gestern habe ich etwas nettes erlebt. Als ich am Fahrradabstellplatz vorbeikam, rief mich jemand. Ich schaute mich um und sah einen netten Jungen hinter mir stehen... Der Junge kam ein bisschen näher und stellte sich als Hello Silberberg vor. Ich war erstaunt und wußte nicht so recht, was er wollte. Aber das stellte sich schnell heraus. Er wollte meine Gesellschaft genießen und mich zur Schule begleiten. Hello ist schon 16 und kann von allen Dingen gut erzählen." Am 20. Juni schreibt Anne: (...) "Heute von Hello 6 schöne Nelken bekommen" (...) Am 1. Juli 1942 schreibt Anne Frank in ihr Tagebuch: "Hello und ich haben uns in der Woche gut kennengelernt, er hat mir viel von sich erzählt. Er stammt aus Gelsenkirchen und ist hier bei seinen Großeltern. Seine Eltern sind in Belgien, und für ihn gibt es keine Möglichkeit, auch dorthin zu kommen."

Bald aber trennten sich die Wege von Anne und Hello. Die Familie Frank tauchte am 9. Juli 1942 in der Prinsengracht 236 im Hinterhaus unter. Hello verließ Amsterdam, und gelangte unter großen Schwierigkeiten nach Belgien zu seinen Eltern, die von Gelsenkirchen dorthin geflüchtet waren. Die Silberbergs mussten 25 Monate in ihrem Versteck in einem Haus in der Nähe von Brüssel ausharren. Sie lebten in der ständigen Angst von den Nazis entdeckt oder von Kollaborateuren verraten zu werden.

Nach der Befreiung

Nach seiner Befreiung hatte Helmut nur einen Wunsch: "Einfach ein ganz normales Leben führen, wie alle anderen Menschen auch." Helmut "Hello" Silberbergs Name wurde von den belgischen Behörden in Edmond Silverberg geändert. Er ging 1948 in die USA, mit dem Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft wurde diese Namensänderung von den US-Behörden übernommen. "Seitdem heiße ich Edmond Silverberg", sagt der 84-jährige.

Helmut Silberberg, heute Ed Silverberg

Edmont "Ed" Silverberg lebt heute in den USA

In Telefongesprächen erzählte mir Ed Silberberg auch von seinem besten Freund Max Krämer: "Max war genauso alt wie ich, 12 Jahre, als ich in zum letzten Male sah. Eines Morgens, kurz vor der "Kristallnacht", waren die Kinder polnischer Juden plötzlich verschwunden, ebenso wie ihre Eltern. Später erfuhr ich, dass die Nazis die jüdischen Menschen nach Polen (Zbąszyń) verschleppt haben. Ich habe meinen Freund Max nie mehr wiedergesehen." Für die jüdische Familie Krämer verlegt Gunter Demnig im Herbst 2012 vier Stolpersteine. → Projekt Stolpersteine Gelsenkirchen: Familie Krämer

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Andreas Jordan, Juni 2010. Nachtrag Februar 2012

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